Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Integrationsgesetz in Bayern: Die wollen nur reden
> Bayerns Opposition wehrt sich mit einem Filibuster gegen das umstrittene
> Integrationsgesetz. Heute entscheidet der Landtag trotzdem.
Bild: Die Opposition kündigt eine lange Nacht im Bayerischen Landtag an
München taz | Der Begriff des Langen Donnerstags ist mit der
Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten aus der Mode gekommen. Die
Abgeordneten des Bayerischen Landtags könnten sich am heutigen Donnerstag
jedoch daran erinnert fühlen. Denn ihr Arbeitstag dürfte diesmal besonders
lang ausfallen, wahrscheinlich sogar erst am Freitag enden.
Grund hierfür ist das höchst umstrittene Integrationsgesetz der CSU, das
die bayerische Regierungspartei unbedingt noch in diesem Jahr verabschieden
will, damit es zu Jahresbeginn in Kraft treten kann. Verhindern kann die
Opposition das Gesetz, das ihr ein Graus ist, nicht. Doch zumindest will
sie es der CSU nun so schwer wie möglich machen.
Filibustern nennen es die Amerikaner, wenn die Opposition im Senat durch
Dauerreden eine Beschlussfassung zu blockieren versucht. Dort kann eine
Debatte dann auch mal Tage oder Wochen dauern und das Parlament in dieser
Zeit lahmlegen. Das freilich ist wegen der begrenzten Redezeiten
hierzulande nicht möglich.
Die Grünen haben aber schon ausgerechnet, dass die zweite Lesung des
Integrationsgesetzes, die voraussichtlich gegen 13 Uhr beginnt, im längsten
Fall 24 Stunden dauern könnte. „Wir machen uns auf eine lange Nacht
gefasst“, kündigte Margarete Bause, die Fraktionschefin der Grünen, an.
Der Groll gegen ein von der CSU auf den Weg gebrachtes Gesetz war schon
lange nicht mehr so groß und so einhellig wie in diesem Fall. „Dieses
Gesetz ist ein vergiftetes Gesetz mit einer vergifteten Sprache“, schimpfte
Bause diese Woche noch einmal. Es sei keine Einladung zum Miteinander,
sondern eine Drohkulisse.
## Über jeden Artikel einzeln abstimmen
Nun hätte es natürlich schon reichlich Gelegenheit gegeben, über den
Gesetzentwurf ausführlich zu diskutieren. In erster Lesung war er schon im
Juni im Parlament, außerdem haben sich mehrere Landtagsausschüsse damit
beschäftigt. Doch die CSU-Kollegen, so Bause, hätten sich in den
Ausschüssen nicht an der Debatte beteiligt, sondern nur alles brav
abgenickt. „Deshalb werden wir jetzt alle Artikel in aller Ausführlichkeit
beraten.“
Weiter in die Länge gezogen werden kann das Prozedere noch, wenn über jeden
Artikel einzeln abgestimmt werden muss, wie es SPD und Grüne beantragt
haben. Theoretisch wäre es sogar möglich, dass bei jedem Artikel oder
Änderungsantrag auf Antrag namentlich abgestimmt werden muss. Außerdem
haben die Grünen einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der ebenfalls
beraten werden muss.
„Bei diesem Gesetz steht sehr viel auf dem Spiel“, sagt auch Bauses
SPD-Kollege Martin Rinderspacher. „Es geht um Vielfalt und Buntheit gegen
Einheits- und Leitkultur. Um Freiheit gegen Bevormundung. Um Integration
gegen Ausgrenzung.“ Bei keinem anderen Gesetz der letzten 25 Jahre seien
unterschiedliche Werte und Grundsätze einander so gegensätzlich gegenüber
gestanden wie bei diesem „Integrationsverhinderungsgesetz“.
Besonders stört sich die Opposition an dem Begriff der Leitkultur, den die
CSU als zentralen Punkt im Gesetz verankert sehen will. Auch die
Sachverständigen, die im Landtag angehört worden waren, fanden wenig
Lobenswertes in dem Entwurfstext. Kein Mensch wisse, was unter Leitkultur
zu verstehen sei, kritisierte etwa der Jura-Professor Andreas Funke von der
Universität Erlangen. Das Bestimmtheitsgebot schreibe aber vor, dass Bürger
und Verwaltung Gesetze verstehen können müssten. Außerdem suggeriere der
Gesetzestext, Bayern werde von einer „Überfremdung“ bedroht.
Sollte das Gesetz dennoch, wie zu erwarten, am Donnerstag – oder Freitag –
von der CSU-Mehrheit im Landtag verabschiedet werden, muss das noch nicht
das letzte Wort in der Sache sein. Denn schon im Sommer hatte sich ein
Bündnis gebildet, das bereits eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
angekündigt hat. Eine Klage, die nach Meinung des ehemaligen
SPD-Landtagsabgeordneten und ehrenamtlichen Richters am Bayerischen
Verfassungsgerichtshof, Klaus Hahnzog, durchaus Aussicht auf Erfolg haben
dürfte – „weil die Verfassungswidrigkeit dem Gesetz auf die Stirn
geschrieben steht“.
8 Dec 2016
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Bayerischer Landtag
Integration
Horst Seehofer
CSU
Freistaat Bayern
Integrationsgesetz
Freistaat Bayern
Bayerischer Landtag
Integration
CDU/CSU
Schwerpunkt Flucht
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bayerisches Integrationsgesetz: Leitkultur ist nicht das Problem
Das bayerische Integrationsgesetz wurde entschärft. Der Streit darüber war
aber vor allem von symbolischer Bedeutung.
Quiz zur bayerischen Leitkultur: Bayerisch genug?
Mit dem Jahreswechsel tritt das neue Integrationsgesetz im Freistaat in
Kraft. Wie gut kennen Sie sich in der bayerischen Leitkultur aus?
Kommentar Integrationsgesetz in Bayern: Auch Filibustern will gelernt sein
Es war keine Debattenschlacht nach US-Vorbild. Sinnvoll war die Diskussion
über das umstrittene bayerische Integrationsgesetz trotzdem.
Integrationsgipfel in Berlin: Beim Grundgesetz ist Schluss
MigrantInnenorganisationen fordern, Deutschland als Einwanderungsland in
der Verfassung festzuschreiben – und stoßen auf Widerstand.
Kommentar Leitkultur-Debatte der CSU: Und ewig grüßt der Christkindlmarkt
Leitkultur steht zwar mehrfach im CSU-Programm, nicht aber, was damit
gemeint ist. Und wegen Schweinebraten muss man die Verfassung nicht ändern.
Restriktives Integrationsgesetz in Bayern: Ausbildung von Flüchtlingen erschwe…
Die Industrie- und Handelskammern sind sauer auf die Regierung in München.
Das Integrationsgesetz erschwert Flüchtlingen den Zugang zu einem
Ausbildungsplatz.
Wie kommen Flüchtlinge zu ihrem Recht?: Die Rechte der Anderen
Mit Willkommen werben, mit Gesetzen abschotten: Asyl erstreiten sich viele
Flüchtlinge erst vor Gericht – trotz Rechtsbeistand ein ungleicher Kampf.
Zusammenleben mit Flüchtlingen: „In die Pampa schicken bringt nichts“
Migrationsforscher fordern, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Jannis
Panagiotidis über die Rolle des Staates, Erwartungen an Geflüchtete und das
Ankommen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.