# taz.de -- Freiräume in Berlin erhalten: Autos in die Vorstadt, Grün in die … | |
> Berlin wächst – und das geht auf Kosten der Grünflächen. Statt weiter zu | |
> verdichten, muss die Politik Freiräume erhalten, neue schaffen – und Mut | |
> zur Utopie beweisen. | |
Bild: So war Berlin – bis die Cuvry-Brache geräumt und gesperrt wurde | |
Lange Zeit war Berlin keine Stadt wie jede andere. 1945 wurde sie eine | |
Viersektorenstadt unter internationaler Kontrolle, und sie bestand zu | |
weiten Teilen aus Trümmern. In den folgenden Jahrzehnten, insbesondere nach | |
dem Bau der Mauer 1961, war das Unnormale hier Normalität. | |
Mitten in der Stadt blieben im Schatten der Mauer Ecken und Räume erhalten, | |
in denen sich Brachen verfestigten. Es gab Exklaven wie das Lenné-Dreieck | |
am Potsdamer Platz, das offiziell zum Osten gehörte, aber jenseits der | |
Mauer im Westen lag und eingezäunt sich selbst überlassen blieb. Es | |
existierten exterritoriale Gebiete ehemaliger Botschaften direkt südlich | |
des Tiergartens, auf denen langsam Urwald heranwuchs. | |
Manche Teile der Stadt waren auch politisch derart kontaminiert, dass man | |
Gras über die enttrümmerten Stellen wachsen ließ. Im Laufe der Zeit hatte | |
sich auf einem Teil des Geländes der heutigen „Topographie des Terrors“ ein | |
Wald gebildet, und zwar genau an jener Stelle, an der ursprünglich der von | |
Peter Joseph Lenné geplante Landschaftspark für das Palais des Prinzen | |
Albrecht gelegen hatte. | |
Inzwischen, fast 27 Jahre nach dem Fall der Mauer, ist schnöde Normalität | |
eingekehrt. Ja, und Berlin wächst auch wieder. Allein im vergangenen Jahr | |
sind 48.000 Einwohner dazugekommen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel | |
(SPD) hat deshalb folgende Losung ausgegeben: „Wir brauchen mehr Wohnraum, | |
mehr Arbeitsplätze, aber auch mehr Kitas und Schulen und mehr Busse und | |
Bahnen.“ Aber hat Geisel nicht noch etwas vergessen? | |
Wie sieht es denn mit Grünflächen aus? Offenbar schlecht. Für die Politik | |
sind Freiflächen kaum ein Thema. | |
Eine Folge: Das Wachstum geht auf Kosten der letzten unbebauten Areale in | |
der Stadt. Man nennt sie meist nur verächtlich Brachen. Doch die Brache hat | |
viele wichtige Qualitäten: als Biotop, als Abenteuerspielplatz oder als | |
Freiraum für kreative Aktivitäten. So hat man herausgefunden, dass Kinder | |
auf Brachen deutlich anspruchsvollere Spiele entwickeln als auf | |
traditionellen Spielplätzen. Die innerstädtische Brache als Ort der | |
Freiheit gegenüber den üblichen Regularien und Normen, als Ort der | |
Möglichkeit für Unkonventionelles und Spontanes wäre also eine ernst zu | |
nehmende Option für Mensch und Natur in einer weitgehend verplanten Stadt. | |
## Lernen aus der Geschichte | |
Natürlich ist das Berlin von 2016 nicht mehr vergleichbar mit der Stadt | |
kurz nach dem Fall der Mauer oder gar in den 80ern. Und natürlich müssen | |
Brachen und Freiflächen bisweilen verschwinden. Das heißt aber nicht, dass | |
man aus den Erfahrungen aus jener Zeit mit Freiraum, mit Grün nichts lernen | |
kann. Vielmehr sollte man das sogar. | |
Doch dazu müssten die Brachen erst einmal als Gewinn anerkannt werden. In | |
einer stetig enger werdenden Stadt bedeuten sie einen Zugewinn an Freiraum, | |
zumal es auch den offiziell geduldeten Grünanlagen vielerorts an den | |
Kragen geht. In Berlin werden immer noch lieber Schrebergärten planiert als | |
Grünanlagen geschaffen oder gar neue Parks angelegt. | |
Die Versiegelung kostbaren Bodens erfolgt meist mit dem Totschlagargument, | |
es ginge darum, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen – als würde es | |
sich bislang nicht meist um Luxusapartments handeln, an denen wahrlich kein | |
Mangel mehr herrscht. Jüngstes Beispiel: die Kleingartenkolonie Oeynhausen | |
in Schmargendorf. Das Bauunternehmen Groth plant hier 700 | |
Eigentumswohnungen. | |
In der Entwicklung der Berliner Innenstadt scheint man inzwischen nicht nur | |
ästhetisch – mit Blockrandbebauung und uniformer Traufhöhe –, sondern auch | |
geistig auf dem Weg zurück zu Gründerzeiten zu sein, in denen Berlin zu | |
einem steinernen Meer heranwuchs. Allerdings war Berlins oberster Garten‑ | |
und Stadtplanungsbeamter Peter Joseph Lenné vor der Mitte des 19. | |
Jahrhundert schon einmal weiter als die Stadtverplaner von heute: Bei | |
seinen „Projektierten Schmuck- und Grenzzügen von Berlin mit nächster | |
Umgebung“ aus dem Jahr 1840 dachte Lenné die Stadt nämlich von ihrem Grün | |
aus. Die Grünanlagen, die baumgesäumte Promenaden und bepflanzten | |
Schmuckplätze sollten dem städtischen Gefüge eine Struktur vorgeben. | |
Durch Umwandlung der einst von Lenné projektierten Grünanlagen in | |
Autostraßen, Verkehrskreuzungen und Parkplätze hat die Stadt unglaublich | |
viel verloren – ästhetisch ebenso wie an Lebensqualität. Die großen | |
Straßenpromenaden, etwa die vom Südstern über Gneisenau‑ und Bülowstraße | |
bis zum Tauentzien, haben keinerlei Aufenthaltsqualität mehr. Und wo es | |
tatsächlich unter Hochbahngleisen oder zwischen Parkplätzen noch Raum für | |
den promenierenden Fußgänger gäbe, wird er allseits von Autolärm, Abgasen | |
und Feinstaub eingehüllt. | |
Wo sich einst Stadtbaukunst entfalten konnte, wird Städtebau heute | |
überwiegend als bloße Notwendigkeit begriffen, weil man Menschen | |
unterbringen und transportieren muss. Das heißt vor allem: Die Stadt wird | |
auf etwas Gebautes reduziert. Und das Bauen überlässt man dann auch noch | |
überwiegend privaten „Entwicklern“ oder „Eigentümern“, denen es im re… | |
existierenden Kapitalismus selbstverständlich zuerst um Profit und Rendite | |
gehen muss. | |
## Was Grünes zur Erholung | |
Doch die Stadt bedarf der Freiflächen, insbesondere solcher, wo es auch | |
grünt. Sonst ist das Leben trostlos und langweilig und wenig erholsam. Und | |
fragt man die Städter selbst, was sie sich für ihren Wohnort am meisten | |
wünschen, erhält man regelmäßig zur Antwort: mehr Grünanlagen. Im Falle des | |
Exflughafengeländes Tempelhof musste das sogar gegen den erklärten | |
politischen Willen der Volksvertreter durchgesetzt werden. Auch Investoren | |
schätzen, wenn es ihnen in den Kram passt, das Stadtgrün: In Parknähe ist | |
der Wert einer Immobilie immer noch höher als ohne Park. | |
Bei der Offenhaltung der Berliner Mitte vor dem Roten Rathaus hat der | |
Berliner Senat nun offenbar gelernt: In einer öffentlichen Stadtdebatte | |
wurde der Bürgerwille berücksichtigt. Die Fläche bleibt als Freiraum | |
erhalten. | |
Doch für weniger prominente Orte gilt das nicht. Dazu gehören die vielen | |
inzwischen nicht mehr genutzten Bahnanlagen. Weil Waren heute auf der | |
Straße transportiert werden, glaubt man, sie nicht mehr zu brauchen. Mit | |
wenigen Ausnahmen werden sie daher überbaut und nicht etwa als Freiflächen | |
erhalten. Erst jüngst beim „Pankower Tor“ auf dem ehemaligen Güterbahnhof | |
Pankow haben für Umweltsenator Geisel wieder einmal Wohnungen und eine | |
Shoppingmall nebst Straßen und Parkplätzen Vorrang. Der ursprünglich dort | |
auch vorgesehene Park wurde mit Geisels Billigung gestrichen. | |
Das Argument „Urbanität durch Dichte“, das seit Jahrzehnten durch die | |
Stadtplanungsdebatten geistert, ist dabei reine Ideologie. Urbanität | |
entsteht nicht durch Quantität, sondern durch Qualität. Und Grünanlagen | |
gehören als wesentlicher Beitrag zur Lebensqualität in der Stadt dazu. Es | |
müsste also eigentlich gerade darum gehen, der gebauten Stadt ihre Parks | |
und Gärten zu erhalten, sie gegebenenfalls aufzuwerten und sogar zu | |
vermehren. | |
## Parks verwahrlosen | |
Aber das Gegenteil passiert. Die bereits vorhandenen öffentlichen | |
Grünflächen verwahrlosen. Was vor einigen Jahrzehnten in städtischen | |
Grünanlagen noch wuchs, gedieh und blühte, sieht heute manchmal aus wie | |
eine Steppe, die , wenn es hoch kommt, gerade noch Rasen und ein paar | |
Buchsbäumchen trägt. Die Natur‑ und Grünflächenämter werden in einem | |
solchen Maße ausgedünnt und kurzgehalten, dass ein Mehr an Gestaltung und | |
vor allem Pflege gar nicht mehr möglich ist. | |
Mauerpark und Görlitzer Park, beides jüngere Neuplanungen auf ehemaligem | |
Bahngelände, sind viel zu klein für den Andrang der Bevölkerung und daher | |
völlig zerschlissen. Und auch durch den Großen Tiergarten, immerhin ein | |
denkmalgeschütztes Gartenkunstwerk von europäischem Rang, ziehen sich | |
inzwischen kahle Schneisen quer über Wiesenflächen und durchs Unterholz. | |
Was nützt es, dass das Berliner Naturschutzgesetz den Schutz von | |
Grünanlagen fordert und ihren Erholungswert betont, wenn die Politik – wie | |
beim Tiergarten – daraus eine Partymeile mit angeschlossener öffentlicher | |
Bedürfnisanstalt macht? | |
Merkwürdigerweise gibt es einen Faktor, der in der Konkurrenz um die nicht | |
einfach zu vermehrende Resource Stadtraum geradezu als sakrosankt behandelt | |
wird, obwohl er der viel beschworenen Urbanität den größten Schaden zufügt: | |
das Auto. Man denke nur einmal, welch ungeheurer Platz in der Stadt zur | |
Verfügung stünde, wenn es das Auto nicht gäbe. Nicht nur das überall | |
herumstehende Blech wäre weg, auch der Lärm und die Unfallopfer entfielen. | |
Aber das Auto ist nicht nur ein Menschen‑ und Klimakiller, sondern es ist | |
auch für die Beseitigung der einst von Lenné initiierten innerstädtischen | |
Grünanlagen verantwortlich. Das erste Opfer der Massenmotorisierung war der | |
bis zur Nazizeit üppig begrünte Opernplatz. Auch die Umgestaltung des | |
Wilhelmplatzes zum Aufmarschareal unter Hitlers Balkon an der | |
Reichskanzlei 1936 ging einher mit der Schaffung von 100 Autoparkplätzen. | |
„Wo diese Möglichkeiten [des Parkens] nicht bestehen, fühlt sich der | |
Kraftfahrer nicht heimisch“, konstatiert der Völkische Beobachter damals. | |
Dabei ist es offenbar bis heute geblieben. | |
Nach dem Krieg hat dann der Wiederaufbau in Deutschland bis in die 60er und | |
70er Jahre die „autogerechte Stadt“ favorisiert. Bis heute sind unter | |
anderem der Bayerische Platz, der Bundesplatz und der Hohenzollernplatz | |
zugunsten von Autostraßen erheblich beschnitten worden. Zu Mauerzeiten hat | |
man im Ostteil der Stadt fast die gesamte Berlin-Cöllnische Altstadt unter | |
den Autoschneisen von Leipziger, Gertrauden‑, Grunerstraße und Mühlendamm | |
begraben. In der nun von der Senatsverwaltung geplanten Wiederauferstehung | |
der Altstadt qua bauliche Verdichtung wird dem Durchgangsverkehr auf dieser | |
Ost-West-Achse nur ein neuer Schlenker am Molkenmarkt verordnet. | |
Zu Jahresbeginn 2016 gab es in Berlin genau 1.178.417 Pkws. Das heißt, | |
statistisch ist fast jeder dritte Bewohner Berlins motorisiert – Kinder und | |
Greise inklusive. Und die Zahl der Autos in Berlin wächst fast parallel mit | |
der Zahl der Einwohner. | |
## Autos, wo Droschken waren | |
Die „autogerechte Stadt“ wird heute von den Stadtplanern beklagt. Aber ist | |
eine Stadt ohne autogerechten Zuschnitt mit deutlich mehr Fahrzeugen als in | |
den 60er und 70er Jahren nicht viel schlimmer? Das ist der gegenwärtige | |
Zustand. Die Masse der Kraftfahrzeuge quält sich durch eine Stadt, deren | |
Grundriss im Inneren des S-Bahn-Rings zum größten Teil aus einer Zeit | |
stammt, da ein paar Pferdedroschken und Leiterwagen den Verkehr bestimmten. | |
Heute verstellt allein schon der „ruhende Verkehr“ den Lebensraum, von den | |
gesundheitlichen Gefährdungen durch den rollenden Autoverkehr gar nicht zu | |
reden. | |
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte deshalb auf Klage eines Anwohners hin | |
Anfang des Jahres auf der Berliner Allee in Weißensee teilweise eine | |
Tempo-30-Zone angeordnet. Und die Lage an vielen anderen | |
Hauptverkehrsstraßen in Berlin ist nicht besser. | |
Eine zweite Maßnahme, der Stadt lebensnotwendige Freiflächen zu sichern, | |
wäre neben der Eindämmung des Autoverkehrs das Revival der Idee von | |
durchgrünten Garten‑ und Trabantenstädten statt der geplanten Verdichtung | |
im Zentrum. Da solche Wohnquartiere nur außerhalb von Berlin Platz fänden, | |
wäre es höchste Zeit, sich politisch wieder mit einer Vereinigung von | |
Berlin und Brandenburg zu befassen. | |
Schon in früheren Zeiten des Wachstums wurde Berlin mehrfach in seiner | |
Verwaltungsstruktur vergrößert. Trotzdem ist die Stadt immer noch viel | |
kleiner als etwa London. Berlins jetzige Flächenausdehnung besteht erst | |
seit 1920, und das nur in mittelbarer Folge eines verlorenen Krieges und | |
einer Revolution. Denn Kompetenzentzug durch Gebietsreformen kommt bei den | |
betroffenen Politikern gar nicht gut an. | |
Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lehnt eine | |
Fusion mit Berlin derzeit sogar dezidiert ab. Die Ablehnung der | |
Brandenburger Bevölkerung gegen ein übermächtiges Berlin, wie 1996 bei der | |
Volksabstimmung zur Fusion, hemmt die Politik. Denn auch in Berlin ist eine | |
Vereinigung von Berlin und Brandenburg in der aktuellen Regierungskoalition | |
nicht mehr auf der Tagesordnung. | |
Dabei könnte man die Entwicklung der Metropolregion Berlin – also der | |
jetzigen Stadt und des sie umgebenden Speckgürtels – viel besser | |
organisieren als durch die derzeit existierende „Gemeinsame Landesplanung“ | |
der beiden Bundesländer. Deren Unzulänglichkeit zeigt allein schon der | |
ungeordnete Siedlungsbrei aus Eigenheimen, Logistikzentren und | |
Shoppingmalls unmittelbar jenseits der Stadtgrenze. Statt Siedlungsstreifen | |
entlang der Bahntrassen nach Berlin gibt es zwischen Stadtgrenze und | |
äußerem Autobahnring anhaltende Tendenzen zu suburbanen Wucherungen: weder | |
richtig Land noch urbane Stadt. Also das Gegenteil des Wunschbildes der | |
Planer. | |
## Warum keine Länderfusion? | |
Vor allem aber: In einem gemeinsamen Bundesland könnten Berlin und seine | |
Bürger endlich demokratisch über das entscheiden, was unmittelbar jenseits | |
der derzeitigen Stadtgrenzen nur deshalb passiert, weil es Berlin gibt. | |
Warum sagt man den fusionsskeptischen Brandenburgern in Perleberg oder | |
Cottbus nicht endlich, welch fantastische Chance Berlin als Boomtown für | |
das ansonsten fast in jeder Hinsicht kärgliche Bundesland darstellen | |
könnte? Brandenburg hat Raum im Überfluss. Berlin hat die Menschen. Das | |
ergänzt sich doch vortrefflich. | |
Statt die Stadt immer weiter zu verdichten – nach Senatsangaben gibt es | |
angeblich Platz für 215.000 neue Wohnungen in Berlin bis 2025 – könnte man | |
neue, aufgelockerte, durchgrünte Stadtteile an der Peripherie bauen. Denn | |
Gropiusstadt und Märkisches Viertel taugen nicht mehr zu | |
Schreckgespenstern. Beide Stadtteile aus den 60er und 70er Jahren sind | |
gutbürgerliche Wohnquartiere geworden, die viele der Probleme eben nicht | |
haben, die in den verdichteten Altbauvierteln von Neukölln und Wedding | |
Wirklichkeit sind. | |
Beide genannten Großsiedlungen sind städtebaulich sicher nicht ohne Fehler. | |
Ihr größter Fehler war aber, dass sie zu dicht gebaut wurden – übrigens | |
wieder einmal wegen Renditeinteressen der (landeseigenen) | |
Wohnungsbaugesellschaften. Außerdem fehlte die soziale Durchmischung. In | |
den Großsiedlungen wurde fast ausschließlich sozialer Wohnungsbau | |
betrieben. Der Abbau der Durchmischung findet heute aber gerade umgekehrt | |
in der Innenstadt statt, die zu einem Reichengetto mutiert. | |
Eine Stadt ist letztlich nicht lebenswert, wenn sie nicht auch Lücken und | |
Freiräume lässt. Das können Parks und Grünanlagen, aber durchaus auch | |
Brachen sein, wo Platz für das Spontane und Temporäre ist. Neben der | |
bebauten Landschaft und der kultivierten Natur der Wälder, Felder und | |
Parkanlagen ist die Brache so etwas wie eine „dritte Landschaft“. Für den | |
französischen Landschaftsarchitekten und Raumtheoretiker Gilles Clément, | |
der den Begriff geprägt hat, ist diese dritte Landschaft ein „Raum, der | |
weder Macht noch Unterwerfung unter eine Macht ausdrückt“, der von den | |
(administrativen) Institutionen verschont bleibt und ohne festgesetzte | |
Zwecke existiert. | |
Als solcher Freiraum im eigentlichen Sinne kann die Brache sogar ein | |
nützliches Komplement der ge‑ beziehungsweise verplanten Stadt sein. Ihre | |
spätere Sicherung und infrastrukturelle Vervollständigung als offizielle | |
Grünanlage mag als Möglichkeit nützlich sein, um Brachen als | |
Experimentalanordnung und Versuchslabor zu begreifen, in dem sich ein | |
Territorium selbst organisiert. | |
## Stadtplanung von unten | |
Brachen könnten so zum Modell für eine Stadtplanung von unten werden, an | |
der die institutionellen Stadtplaner von einem bestimmten Stadium an | |
partizipieren dürfen, nicht umgekehrt. Vielleicht muss man städtische | |
Freiflächen nur einfach positiver benennen, um diese Aufwertung manifest zu | |
machen: Bürgerforum, Rütliwiese, Möglichkeitsraum, Freiland? | |
All das Beschriebene zur Wahrung von Freiräumen scheint in der derzeitigen | |
Stadtentwicklung utopisch. Aber es ist Zeit, das scheinbar Normale infrage | |
zu stellen. Berlin hat in den Jahren nach 1989 von seinen vielen | |
informellen Freiräumen profitiert. Vieles vom Nimbus als Stadt der | |
Kreativen und Lebenskünstler verdankt sich informellen Strukturen, | |
ungenutzten Räumen und niedrigen Mieten. Sollte das nicht eine Lektion auch | |
für die Zukunft sein? | |
31 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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