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# taz.de -- In Berlin beginnt die Flohmarktsaison: Alter Kram, voll im Trend
> Flohmärkte boomen in Berlin – vor allem junge Leute feilschen gerne um
> alten Plunder. Ein Streifzug durch die Szene.
Bild: Auch bei Regen beliebt: der Flohmarkt im Mauerpark
Schon das bisschen Sonne und Frühlingserwachen kürzlich hat ausgereicht, um
den Flohmarkt auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain abrupt aus seinem
Winterschlaf zu wecken. In den kalten Monaten war der Markt auf ein paar
Büdchen zusammengeschrumpft, und es verlief sich kaum noch jemand dorthin.
Doch kaum waren am vergangenen Sonntag etwas höhere Temperaturen endlich
mehr als bloß ein Wunschtraum, wurde wieder gedrängelt und geschubst, es
herrschte emsiges Flohmarkttreiben.
Auch im Winter kann man auf den Trödel gehen: Es gibt Hallenflohmärkte, und
auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain oder am Mauerpark im Prenzlauer
Berg kann man sonntags auch bei Minusgraden Schnäppchen machen. Richtig
Spaß macht das allerdings nicht: Zu viele Händler, die Woche für Woche das
Gleiche anbieten, zu wenige Studenten oder Familien, die ihren meistens
viel spannenderen Plunder loswerden wollen.
## Run auf den Flowmarkt
Nein, die richtige Flohmarktzeit beginnt erst jetzt wieder. Das sagen
eigentlich alle Flohmarktveranstalter, mit denen man sich unterhält. Der
April beginnt, und die Berliner, so scheint es, können es kaum erwarten,
dass es endlich richtig losgeht. Am Ostersonntag beendet etwa der alle 14
Tage stattfindende Nowkölln Flowmarkt am Maybachufer seine Winterpause.
Normalerweise kann man seinen Flohmarktstand dort nur vor Ort buchen. Für
den ersten Termin in diesem Jahr war jedoch auch eine Onlinebuchung möglich
– und innerhalb von nicht mehr als drei Minuten seien sämtliche der 130
frei verfügbaren Standplätze vergeben gewesen, sagt Veranstalter Michael
Groß.
Flohmärkte boomen in Berlin. Der Flohmarkt bei dem Neuköllner Club
Griessmühle etwa lädt seit Kurzem nicht mehr nur einmal im Monat, sondern
alle zwei Wochen zum Feilschen ein. Der Markt, der – eigentlich
ungewöhnlich – immer an einem Freitag stattfindet, startet Mitte April
wieder in die Open-Air-Saison. „Auf einem größeren Gelände als bisher“, …
Mühlenmarkt-Organisator Max Schanner, der eben erst frisch vom Club
angestellt worden sei für die Aufgabe, diesen Flohmarkt noch populärer zu
machen.
Zu den klassischen Trödelmärkten, auf denen man alles, vom Wasserhahn bis
zum gebrauchten Buch für einen Euro, findet, kommen auch immer mehr
spezialisierte Themenflohmärkte: für Kinderspielzeug oder gebrauchte
Synthesizer oder gar für alles rund um das Thema Punkrock. „In Berlin und
Umgebung gibt es locker über 100 verschiedene Flohmärkte“, glaubt der
Veranstalter des Flohmarkts am Rathaus Schöneberg, der sich Trödelmicha
nennt. Die kleinen Hinterhof- und Nachbarschaftsflohmärkte, von denen es
auch immer mehr gibt, hat er in seine Schätzung noch gar nicht einbezogen.
## Flohmärkte sind hip
Floh- und Trödelmärkte scheinen heute ein ganz anderes Image zu haben als
noch vor ein paar Jahren und dadurch eine andere Klientel als früher
anzuziehen. Dem Flohmarktgänger haftete einst das Etikett an, dass es da
jemand nötig habe, zu sparen, glaubt Alfred van Loh, der den Flohmarkt auf
dem Arkonaplatz in Prenzlauer Berg organisiert. „Heute gehört das Flanieren
über den Flohmarkt ganz selbstverständlich mit zur Freizeitgestaltung“,
sagt er. Flohmärkte sind hip.
Zum Erfolg der Trödelveranstaltungen trägt sicherlich auch der
Eventcharakter bei, der gerade bei Hipstern gut ankommt. Den gibt es bei
den diversen Onlinesecondhandmärkten und auf der Verkaufsplattform eBay
nicht. Ein Schnäppchen mit dem Klick auf die Maustaste zu machen fühlt sich
einfach weniger aufregend an als das Gefühl, nach ewigem Handeln um acht
Uhr morgens die Blumenvase einpacken zu können, in die man sich gleich auf
den ersten Blick verliebt hat, ohne genau zu wissen, warum.
Flohmärkte bringen Leute zusammen und versprechen die Art von Ereignissen,
die sich in der digitalen Welt nicht finden lassen. Auch das „Sehen und
Gesehen werden“ spiele inzwischen eine Rolle beim Flohmarktbesuch, glaubt
Groß vom Flowmarkt Nowkölln – genauso wie das Versprechen, ausgerechnet auf
Veranstaltungen, auf denen alter Kram angeboten wird, neue Trends erleben
zu können.
Groß erzählt, er habe mal erlebt, wie auf seinem Markt jemand einfach nur
alte Holzkisten verkauft habe. „Die gingen weg wie warme Semmeln.“ Die
Käufer verstanden die Holzkisten als Einrichtungsgegenstände, habe er von
ihnen erfahren, sie wollten daraus Regale und anderes mehr bauen:
irgendetwas, was in der eigenen Wohnung mal nicht von Ikea kommt. Schlichte
Holzkisten passen hervorragend zum gerade sehr angesagten
Do-it-yourself-Trend.
Aber auch von den Foodtrucks, die beim Flowmarkt zum Konzept gehören – sie
sollen den Ereignischarakter des Trödelns noch verstärken – werde immer
wieder Neues präsentiert. Bis vor Kurzem verkaufte auf dem Flowmarkt noch
jemand Rohrzuckersaft aus seinem mobilen Imbiss heraus, erzählt Groß.
Rohrzuckersaft werde in der Foodie-Szene gerade tatsächlich immer
angesagter und für dieses Saison habe sich jemand gemeldet, der
Jackfruit-Burger anbieten wollte: Burger aus einer gebratenen Tropenfrucht,
die von Vegetariern als Fleischersatz genutzt wird. Bei uns kennt die vor
allem aus Indien importierte Jakobsfrucht, wie sie auf Deutsch heißt,
allerdings noch kaum jemand.
Das sei ihm aber dann doch zu exotisch gewesen, sagt Flowmarkt-Veranstalter
Groß. Aber Massagelöffel, einen alten Fahrradsattel, Holzkisten und Bücher
aus der 1-Euro-Kiste, um die wird sich an diesem Sonntag mit Sicherheit
wieder trefflich feilschen lassen.
1 Apr 2018
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Flohmarkt
Hipster
Handel
Kolumne Alles getürkt
Flohmarkt
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Vinyl
Berliner Senat
prekäre Beschäftigung
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