| # taz.de -- Tacheles-Grundstück in Berlin: Das Loch als Selfie-Kulisse | |
| > Das Tacheles war Magnet für die Subkultur und Touristen. Nun beginnen die | |
| > Bauarbeiten auf dem Grundstück. Bis 2020 sollen dort 450 Wohnungen | |
| > entstehen. | |
| Bild: So war es mal, so wird es nie wieder: Touristen vor dem Kunsthaus Tachele… | |
| Es ist, als würde an dieser Stelle der Stadt, rund ums Tacheles, ein Loch | |
| in der Stadt klaffen – nicht nur optisch, sondern auch in dem, was sie von | |
| sich erzählt. | |
| Nebenan bieten zwei Cafés Espresso to go, davor steht eine Gruppe von | |
| Männern, die sich ihre Pullis um die Schultern gelegt und über der Brust | |
| verknotet haben – sie sprechen über ihr Business. In der Tiefgarage des | |
| Arcotel Velvet Berlin kann man für 19 Euro am Tag parken. Leute, die hier | |
| wohnen, scheinen an diesem sommerlichen Dienstagnachmittag nicht unterwegs | |
| zu sein. Nur hin und wieder bleiben Touristen vor der pittoresken Fassade | |
| des Tacheles stehen und machen ein paar Selfies. | |
| Die Kaufhausruine Tacheles, die zu DDR-Zeiten abgerissen werden sollte und | |
| Anfang der Neunziger von einer Handvoll eigensinniger Anwohner und Künstler | |
| besetzt wurde, stand bis zuletzt für ein Berlin der Freiräume, in dem vor | |
| allem deshalb so viel möglich war, weil es so wenig kostete – wild, | |
| anarchisch, experimentell. Zeitweise war das Haus in aller Welt bekannt, im | |
| Café Zapata mit seinen eisernen Tischen und Stühlen traten unzählige Bands | |
| auf. | |
| Doch 2011 wurde das Haus geschlossen, monatelang wurde unter Protest der | |
| letzten Verbleibenden Etage um Etage geräumt und versiegelt. „Ab dem 4. | |
| April beginnt eine neue Zeitrechnung für das Areal am Tacheles“, verkündete | |
| nun der neue Käufer, das US-Unternehmen Perella Weinberg Real Estate. | |
| Bis 2020 soll auch diese Lücke geschlossen sein, es ist die Rede von 450 | |
| Wohnungen, aber auch davon, dass abgerissene Baukörper der ehemaligen | |
| Friedrichstadt-Passage wiederhergestellt werden. Der morbide Charme der | |
| Hoffassade des Tacheles soll erhalten bleiben – vielleicht wird sie ja in | |
| Plexiglas gegossen. | |
| Im Augenblick deutet nur ein mit grünem Plastikstoff verhangener Gitterzaun | |
| darauf hin, dass die Bauarbeiten begonnen haben – dahinter parkt ein | |
| einziger kleiner Bagger. Eine junge Frau lässt sich von ihrem Freund vor | |
| einem Graffito fotografieren, auf dem „Why?“ steht. Beide tragen | |
| verspiegelte Pilotenbrillen. Sie kommen aus China und studieren | |
| Illustration und Malerei in London. Sie finden, dass das Tacheles alt | |
| aussieht. Mehr wissen sie nicht darüber. | |
| Eine Familie aus England ist auf der Suche nach dem berühmten Graffito des | |
| Street-Art-Künstlers Banksy im Hof des Tacheles, der nicht mehr zu betreten | |
| ist. Offenbar hatten sie den besseren Reiseführer. | |
| Die neunziger Jahre sind wirklich sehr, sehr lange her. | |
| 5 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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