# taz.de -- Streit um das Pankower Tor: Kaufst du noch oder wohnst du schon | |
> Der jahrelange Streit über das Großbauprojekt des Möbelkönigs Kurt | |
> Krieger eskaliert. Die Grünen fordern inzwischen sogar eine Enteignung. | |
Bild: Verfallender Lokschuppen am Bahnhof Heinersdorf | |
BERLIN taz | Einen „Plan B“ nennt Andreas Otto (Grüne) seinen Vorschlag. Es | |
ist ein Plan, der eines der wichtigsten städtebaulichen Vorhaben Berlins | |
zurück auf Start setzen würde. Otto, der ein Direktmandat in Pankow für das | |
Abgeordnetenhaus errungen hat, will dem Investor des 40 Hektar großen | |
ehemaligen Güterbahnhofs zwischen den Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf, dem | |
Möbelkönig Kurt Krieger, das Projekt „Pankower Tor“ einfach wegschnappen. | |
„Ich bin deshalb für einen Plan B, weil ich kein Vertrauen mehr in den Plan | |
A habe“, sagt Otto der taz. | |
Für den „Plan A“ steht Sören Benn. Pankows Bezirksbürgermeister von der | |
Linken will schaffen, woran alle Bezirkspolitiker vor ihm gescheitert sind. | |
„Ich will das Projekt zu einem guten Abschluss bringen“, sagt Benn der taz. | |
Bis Ostern will er mit Krieger und dem Senat eine Vereinbarung | |
unterzeichnen. Dann könnte es, nach zehn Jahren Streit, endlich weitergehen | |
mit dem 500 Millionen schweren Investitionsprojekt in Pankow. | |
Krieger, selbst gebürtiger Pankower, hatte das Grundstück 2009 von der | |
ehemaligen Bahntochter Aurelis gekauft. Ziel war es, seine Möbelhäuser | |
(Möbel Höffner, Möbel Kraft, Sconti) an einem Standort zusammenzuführen. | |
Darüber hinaus sollte ein großes Einkaufszentrum entstehen. Im Gegenzug | |
bot er dem Bezirk zwei Grundstücke auf dem Gelände für dringend notwendige | |
Schulneubauten an. | |
Von Wohnungen war zunächst keine Rede. Die damalige Bausenatorin Ingeborg | |
Junge-Reyer (SPD) war bis zuletzt der Meinung, in Berlin gebe es keine | |
Wohnungsnot. Dennoch sperrte sich der Senat gegen das Projekt. Das geplante | |
Einkaufszentrum mit einer Fläche von 30.000 Quadratmetern, so das Argument, | |
habe negative Auswirkungen auf die Einzelhandelsstruktur im Pankower | |
Zentrum in der Breiten Straße und der Berliner Straße. | |
All das änderte sich, als der heutige Regierende Bürgermeister Michael | |
Müller (SPD) Junge-Reyer ablöste und Bausenator wurde. Im Januar 2014 | |
schließlich schien es den lange ersehnten Durchbruch in Pankow zu geben. | |
Bei einem Besuch auf dem Gelände am U- und S-Bahnhof Pankow hatten sich | |
Müller, der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Pankows | |
Bürgermeister Matthias Köhne (beide SPD) und Unternehmer Kurt Krieger per | |
Handschlag geeinigt. | |
Weil Krieger zugesagt hatte, 750 Wohnungen zu bauen, hatte der Senat seinen | |
Widerstand gegen das Einkaufszentrum aufgegeben. Die Bedenken der | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung waren zuvor von einem Gutachten | |
entkräftet worden. | |
## Drei Jahre Stillstand | |
Dass Andreas Otto sein Vertrauen in den „Plan A“ verloren hat, hat auch | |
damit zu tun, dass seitdem nichts passiert ist. Ganz unschuldig daran sind | |
die Grünen freilich nicht. Vor allem gegen das Shoppingcenter liefen viele | |
von ihnen Sturm. Selbst als Krieger sich bereit erklärte, statt 750 | |
Wohnungen 1.500 zu bauen, von denen ein Drittel für 6,50 Euro den | |
Quadratmeter vermietet werden sollte, blieb der Widerstand groß. | |
Statt einer Shoppingmall plädierte der damalige grüne Baustadtrat und | |
heutige Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner für mehrere Baublöcke | |
mit Einkaufsmöglichkeiten in den Erdgeschosszonen. | |
Dass eine Shoppingmall nicht mehr zeitgemäß ist, meinte auch der ehemalige | |
Städtebauprofessor Wolfgang Christ von der Bauhaus-Universität Weimar. „Das | |
Pankower Tor entspricht der amerikanischen Mall-Typologie der 1960er | |
Jahre“, stellte Christ in einem Gutachten fest. Ebenfalls städtebaulich | |
überholt seien die anschließenden Möbelhäuser, die „Grüne-Wiese-Typologi… | |
in Reinkultur an den Endpunkt der A114 implantierten. | |
Das Problem an diesem Gutachten: Es wurde von der Deutschen | |
Immobiliengruppe DI in Auftrag gegeben, die unter anderem das benachbarte | |
Rathauscenter gebaut hat. Für dieses wäre das Pankower Tor natürlich | |
unerwünschte Konkurrenz. | |
## Kompromiss schien möglich | |
Dennoch schien das Signal auf dem ehemaligen Güterbahnhof zuletzt auf Fahrt | |
zu stehen. Beim Streit über das Verkehrskonzept hatte der Senat nach langem | |
Zögern auf die seit Jahrzehnten geplante Ost-West-Straße verzichtet, die | |
auf dem Gelände verlaufen und über die Berliner Straße hinweg bis zur | |
Mühlenstraße führen sollte. | |
Stattdessen wird nun über eine Straßenbahn von Pankow über Heinersdorf nach | |
Weißensee nachgedacht. Ein Entgegenkommen an den Bezirk, der schon lange | |
eine Straßenbahn gefordert hatte. Im Gegenzug stellte der Bezirk eine | |
Genehmigung des Einkaufszentrums in Aussicht. Eine „Potentialanalyse“ hatte | |
zuvor ergeben, dass am Bahnhof Pankow 27.000 Quadratmeter Verkaufsfläche | |
vertretbar seien. | |
Doch inzwischen ist es Krieger, der bockt. So verfällt der historische | |
Rundlokschuppen am Bahnhof Heinersdorf, obwohl Krieger laut der damaligen | |
Vereinbarung für dessen baulichen Erhalt zuständig ist. Auch alle | |
Planungsleistungen hat der Investor eingestellt. Offenbar spielt Krieger | |
auf Zeit, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Krieger selbst äußert sich | |
nicht mehr öffentlich zum Pankower Projekt. | |
## Platz für Wohnungen | |
Für Andreas Otto ist es deshalb der richtige Zeitpunkt, seinen Plan B zu | |
forcieren. „Ich möchte, dass das Gelände des Güterbahnhofs zu einem | |
städtebaulichen Entwicklungsgebiet wird“, sagt er der taz. „Statt einer | |
Shoppingmall soll es mehr Wohnungen geben.“ Eine Verdoppelung der geplanten | |
Zahl auf 3.000 Wohnungen kann sich Otto vorstellen, so dass einmal 7.000 | |
Menschen in einem neuen Pankower Stadtviertel leben. Eine noch größere Zahl | |
bringt der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz ins Spiel. Er spricht sogar von | |
über 5.000 möglichen Wohnungen. | |
Um das zu erreichen, müsste freilich der Senat das Genehmigungsverfahren an | |
sich ziehen. Otto geht noch einen Schritt weiter. „Wenn sich Krieger nicht | |
auf die städtebaulichen Ziele eines Entwicklungsgebietes einlässt, kann der | |
Senat das Grundstück zum Verkehrswert kaufen.“ Enteignung mit Entschädigung | |
also. Otto räumt ein, dass sein Vorstoß auch ein Denkanstoß werden kann. | |
„Wenn Plan B nicht kommt, wäre es schade. Aber wenn dann der Plan A besser | |
wird, ist es mir auch recht.“ | |
Sören Benn, der Verfechter des Plan A, hält von solchen Gedankenspielen | |
wenig. Er möchte möglichst schnell die Vereinbarung mit Krieger erzielen, | |
um dann die weiteren Schritte in Angriff zu nehmen. Pankows Bürgermeister | |
dämpft aber die Erwartungen auf einen baldigen Baubeginn. „Bevor wir einen | |
Bebauungsplan aufstellen, muss es noch eine Trassenuntersuchung geben und | |
eine weitere Verträglichkeitsuntersuchung für den Einzelhandel.“ | |
Der Streit um die Shoppingmall wäre damit aber noch nicht ausgestanden. | |
„Eine Vereinbarung ist noch keine Festlegung auf die Zahl der Baukörper | |
oder die Architektur“, so Benn. Er selbst kann sich aber vorstellen, einen | |
Mittelweg zwischen reiner Shoppingmall und einzelnen Baublöcken zu finden. | |
20 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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Katrin Lompscher | |
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