# taz.de -- Biografie über Alfred Hilsberg: Er ist Punk-Papst | |
> Erstmals wird die Geschichte von Alfred Hilsberg erzählt. Der Betreiber | |
> des ZickZack-Labels ist eine Schlüsselfigur des Underground in | |
> Deutschland. | |
Bild: Das Album und das Festival „Geräusche für die Achtziger“ sind auch … | |
Alfred Hilsberg ist nicht der Friedrich Merz der deutschen Phonoindustrie, | |
wenngleich der Manager der unabhängigen Hamburger Plattenfirma ZickZack | |
1981 mit dem Sänger Blixa Bargeld den Plattenvertrag über „Kalte Sterne“ … | |
die erste Doppelsingle von Bargelds Band Einstürzende Neubauten – und | |
„Kollaps“ – deren kurz darauf erschienenes Debütalbum – auf einem | |
Bierdeckel abgeschlossen hat. | |
Wer ist Hilsberg dann? „Punk-Papst“, „Begründer der NDW“ wird er in �… | |
ZickZack-Prinzip“, einem Buch des Berliner Autors Christof Meueler, | |
genannt. „Alfred Hilsberg – Ein Leben für den Underground“ ist sein | |
Untertitel. Meueler habe, schreibt der Musiker Kristof Schreuf im Vorwort, | |
„die erste Biografie eines erstaunlichen Labelbetreibers und Kulturmachers“ | |
verfasst. | |
Tatsächlich dürfte Alfred Hilsberg auch über die Grenzen Deutschlands | |
hinaus bekanntester Musikmanager des Landes sein. Schon weil er es seit | |
mehr als 35 Jahren schafft, interessante Musik abseits des Mainstreams zu | |
veröffentlichen. Obwohl diese KünstlerInnen kommerziell oftmals wenig | |
erfolgreich sind, Hilsberg hat es bisher vermocht, aus jeder Krise | |
herauszukommen, wozu mehr als ein Leben nötig ist. | |
Ursprünglich war „Das ZickZack-Prinzip“ als Autobiografie von Hilsberg mit | |
Meueler als Koautor gedacht, jedoch, es „konnte in dieser Form nicht | |
vollendet werden“, wie eine Vorbemerkung informiert und zeitliche und | |
gesundheitliche Gründe geltend macht. Fast zehn Jahre nachdem die Idee für | |
die Autobiografie geboren wurde, ist sie nun doch in veränderter Fassung | |
erschienen. Zunächst beginnt das Buch wie eine konventionelle Biografie, | |
dann werden immer mehr und immer längere Zitate eingespielt, was die | |
Lektüre erschwert. | |
## „Mit dem Jungen stimmt was nicht!“ | |
Erste Stationen von Hilsbergs Jugend werden pflichtbewusst abgeklappert, | |
eine Jugend, die sich einfügt in die Lebensläufe anderer westdeutscher | |
68er-Linker. Geboren 1947 und aufgewachsen in einem VW-Arbeiter-Haushalt in | |
Wolfsburg, wird Hilsberg in der Kindheit mit dem Rock-’n’-Roll-Virus | |
infiziert. Sein Vater schickt ihn daraufhin zum Psychiater mit der | |
Begründung „Mit dem Jungen stimmt was nicht!“. | |
In der Schule beginnt Hilsberg für eine Schülerzeitung zu schreiben und | |
gründet eine Film-AG. Kino sei neben der Musik „einzige Fluchtmöglichkeit“ | |
gewesen, „ein dunkler Raum, um auf andere Gedanken zu kommen“. Hilsberg | |
entwickelt früh Organisationstalent: 1967 veranstaltet er sein erstes | |
Konzert und holt die Münchner Krautrockband Amon Düül II nach Wolfsburg. | |
Beim Trampen zu den Hofer Filmtagen wird er von dem Hamburger Regisseur | |
Kurt Rosenthal aufgegabelt. Ein Zufall mit Folgen: 1968 zieht Hilsberg nach | |
Hamburg und wird Geschäftsführer der „Filmmacher Cooperative“. | |
Der Kampf um die Produktionsmittel wurde mit harten Bandagen geführt. Nicht | |
nur werden angehende Filmemacher wegen ihrer politischen Haltung von der | |
Hochschule ausgeschlossen, auch Verleihe und Kinos sind um 1968 umkämpfte | |
Schauplätze. „Das ZickZack-Prinzip“ schildert diese Agitprop-Phase als | |
unübersichtliche Zeit, geprägt von Debatten, die teils mit körperlicher | |
Gewalt ausgetragen werden. Hilsberg, dem Kiefer und Nasenbein gebrochen | |
werden, zählt zu den Maoisten, spendet aus einem Erbe Geld an den | |
Kommunistischen Bund. | |
Er promotet damals Zielgruppenfilme, Werke für Lehrlinge, Rocker oder | |
Ausreißer. Diese Filme „lebten vom Versprechen, verraten zu können, wo sich | |
das von allen Kräften links der SPD verzweifelt gesuchte revolutionäre | |
Subjekt versteckt haben könnte“. Meueler, Redakteur der Jungen Welt, kommt | |
bei den Schilderungen nicht immer über den Konjunktiv hinaus. Mitunter | |
verfällt er auch ins Dogmatische, um ein Leben eines Linken nachzuerzählen, | |
der nie linientreu war. | |
So lehnte Hilsberg, der zeitweilig mit dem RAF-Mitglied Ulrich Wessel in | |
einer WG wohnte, den bewaffneten Kampf strikt ab. Während sich Wessel beim | |
RAF-Überfall auf die Deutsche Botschaft in Stockholm 1975 in die Luft | |
sprengte, hatte Hilsberg bald genug. Er wechselte damals von der Filmarbeit | |
zur Stadtteilarbeit und machte mit an der Großen Freiheit, einer | |
alternativen Stadtteilzeitung. | |
Dort publizierte er im Februar 1977 den Text „Rock-’n’-Roll-Rebellion – | |
Punk-Rock aus England in Hamburg“ – aus Anlass eines Konzerts mit der | |
Londoner Band The Vibrators. Einige Zeit zuvor war er zusammen mit seinen | |
Kumpel Moishe Moser nach London gefahren – „wie eine Forschungsexpedition�… | |
erinnert sich Moser –, hatte The Damned live gesehen und lud auf der | |
Rückfahrt den Kofferraum mit Punk-Platten voll. | |
„Die Revolution ist vorbei – wir haben gesiegt“, schrieb Hilsberg 1978 im | |
Musikmagazin Sounds und propagierte eine neue Welle von jungen Bands, die – | |
und das war das Besondere – an den Produktionsbedingungen der | |
Musikindustrie rüttelte. | |
## Schlechte Zahlungsmoral | |
Im Frühjahr 1980 werden die ersten beiden Platten auf Hilsbergs Label | |
ZickZack, Singles der Hamburger Bands Geisterfahrer und Abwärts, | |
veröffentlicht. Bis heute sind mehr als 180 Platten auf ZickZack | |
erschienen, mit Hits wie Andreas Doraus „Fred vom Jupiter“ (1982) oder | |
„Ich-Maschine“ (1992), das Debütalbum von Blumfeld, aber auch viele Nieten. | |
„Das beste Label der Welt, mit der schlechtesten Zahlungsmoral der Welt“, | |
urteilt der österreichische Musiker Xao Seffcheque retrospektiv über den | |
Arbeitsethos von Hilsberg. | |
Neben Seffcheque kommen in „Das ZickZack-Prinzip“ mehr als 60 weitere | |
WegbegleiterInnen vor: ein Flickenteppich an Meinungen und Haltungen. | |
Gelegentlich entfernt sich Meueler damit etwas weit vom Gegenstand, | |
verliert sich in Grabenkämpfen der provinziellen DDR-Punkszene oder in den | |
Kaffeeklatsch ehemaliger ZickZack-PraktikantInnen. | |
Etwas zu kurz kommen dagegen Hilsbergs Verbindungen ins angloamerikanische | |
Ausland, das für Indie-Deutschland immer eine große Rolle gespielt hat. | |
Seltsam auch, wie der Autor aus altlinker Perspektive BRD-Geschichte | |
umschreibt und etwa die bleiernen Jahre unter Helmut Kohl im Vergleich zur | |
Kritik an der Regierungszeit von Rot-Grün verniedlicht. Bei „Das | |
ZickZack-Prinzip“ wäre mehr drin gewesen als ein realsozialistischer | |
Eiertanz. | |
5 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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