# taz.de -- Abwärts-Sänger Frank Z. ist tot: Der Westen ist einsam | |
> Mit der Hamburger Postpunkband Abwärts sang Frank Z. früh auf Deutsch und | |
> spielte verzinkten Sound. Nachruf auf einen unbequemen Künstler. | |
Bild: Anstrengende Musik für anstrengende Zeiten: Frank Z. (1957-2024) | |
Wenn Zufälle Kreuzungen des Lebens sind, dann macht Frank Ziegerts | |
Biografie an diesem Tag Mitte der 1970er Jahre eine Steilkurve. Ziegert, | |
junger Anarchonihilist und engagiert in der Gefängnissoligruppe Schwarze | |
Hilfe, ist in Hamburg unterwegs mit einem Typ aus einer konspirativen | |
Wohnung. | |
Beide werden verhaftet, Ziegerts Kompagnon wird per Haftbefehl gesucht, | |
trägt sogar eine Waffe. Ziegert fährt gleich mit ein: 30 Tage U-Haft, in | |
Isolation. „Das hat mir einen Schock versetzt. Ich war ja gerade mal 18“, | |
erinnert er sich später. | |
Ohne diesen Schock wäre vielleicht aus Frank Ziegert nie der Punkmusiker | |
Frank Z. geworden, sondern ein Gesicht auf einem RAF-Fahndungsplakat. Und | |
vielleicht hätte es Frank Z.s Band Abwärts, eine der ersten, wichtigsten | |
und langlebigsten im deutschen Punk, nie gegeben. | |
## Basisdemokratisches Punkprojekt | |
Abwärts wurde erst über die Jahre zu Ziegerts Band. Zu Beginn war es ein | |
basisdemokratisches Projekt, in dem künstlerische Ansätze den Punk | |
veredelten. Frank-Martin Strauss etwa, der in den Pseudonymwirren der | |
Anfangstage erst Frank S., später dann Mufti und FM Einheit hieß, brachte | |
zwar keinerlei musikalische Vorbildung mit zur Band, dafür aber einen | |
Koffer voller Küchenmixer, Spielzeugkeyboards und Radios. Margita | |
Haberland wiederum hatte zwar eine Geige, später eine Singende Säge und als | |
zehn Jahre Ältere viel Widerspruchsgeist, aber Probleme, den Rhythmus zu | |
halten. | |
In diese Mischung brachte [1][Frank Z. als Gitarrist und Sänger eine | |
gehörige Portion Wut, Zynismus und politische Skepsis]. Abwärts-Drummer | |
Axel Dill charakterisiert ihn als „wilden, jähzornigen Kämpfer“, der seine | |
Energie gerade erst in Musik übersetzte. | |
Über allem hängt damals das Tiefdruckgebiet des Deutschen Herbstes. Während | |
die zweite RAF-Generation die Republik aufwühlt, lässt [2][BKA-Chef Horst | |
Herold] Fahndungsakten elektronisch erfassen und schraubt die Hysterie mit | |
der dadurch möglichen Rasterfahndung auf ein neues Niveau. Dieses paranoide | |
Klima beschreibt „Computerstaat“, A-Seite der Debütsingle von Abwärts mit | |
Nähmaschinenrhythmus, Soundeffekten und prägnanten Zeilen („Paranoia in der | |
Straßenbahn“). | |
## Dauerbrenner „Computerstaat“ | |
Ein Dauerbrenner-Hit, gecovert von den Toten Hosen über die [3][Goldenen | |
Zitronen] bis zu Westbam. [4][Als überhaupt zweite Veröffentlichung auf | |
Alfred Hilsbergs Hamburger Indielabel ZickZack] markiert die Single | |
gleichzeitig die Hochphase einer musikalischen Selbstermächtigung. Schon ab | |
Mitte 1979 organisiert Frank Z. mit anderen in einer in Krawall 2000 | |
umgetauften Hafenkneipe am Fischmarkt in Sankt Pauli Punkkonzerte. Bis der | |
stetig wachsende Pulk vor der Tür den ansässigen Zuhältern | |
geschäftsschädigend erscheint und sie den Laden zerlegen. | |
Auch in Klaus Maecks [5][Plattenladen Rip Off] im Karoviertel mischt Frank | |
Z. mit, erweitert diesen zentralen Umschlagplatz für die neue Musik aus | |
England um einen gleichnamigen Vertrieb, dessen erste Bestseller seine | |
eigene Band beisteuert. Das selbst finanzierte und von ZickZack | |
veröffentlichte Debütalbum „Amok Koma“ (1981) verkauft sich in kürzester | |
Zeit in fünfstelligen Stückzahlen: eine basslastige, dunkle und präzis | |
gespielte Platte, [6][nah an britischen Postpunkbands wie Wire]. | |
Der Erfolg bleibt nicht folgenlos. Der Alkoholkonsum steigt, der | |
Machofaktor auch. Haberland, auf den ersten Platten ein wichtiger Gegenpol | |
im Songwriting, wird aus der Band gedrängt, das Image von Abwärts immer | |
maskuliner, härter, oft auch negativer. Dennoch gehört das 1982 beim | |
Majorlabel Mercury veröffentlichte zweite Album „Der Westen ist einsam“ zu | |
Abwärts’ besten. Düstere Musik ohne den Wavekitsch der Zeit, schon weil | |
Frank Z.s deutsche Texte beißend und zynisch bleiben. | |
## Dada und Bildzeitung | |
Sein Beitrag zu dem von Diedrich Diederichsen 1982 herausgegebenen | |
Textsammelband „Staccato“ gerät zum gesampelten Schnellfeuerbombardement | |
aus absurden Springer-Schlagzeilen, Dadareimen und Punkprosa. Für Abwärts | |
als Band wird es holprig. Mit FM Einheit und Bassist Marc Chung wechseln | |
zwei zentrale Mitglieder nach Westberlin zu den Einstürzenden Neubauten, | |
die Plattenverkäufe bleiben hinter den Erwartungen, und das Majorlabel | |
lässt die Band wieder fallen. | |
Es folgt ein zermürbendes Hin und Her zwischen Labels, Besetzungswechseln | |
und Stilen. „Ich hab sämtliche Plattenfirmen durch, und so langsam zehrt | |
das an den Nerven“, sagte er dazu. „Das ist ein ständiger Existenzkampf. | |
Eine ständige Identitätskrise.“ | |
Erst als 2004 Ärzte-Bassist Rodrigo González bei Abwärts einsteigt, | |
entsteht eine neue Kontinuität aus Alben und kürzeren Touren. Die nächste | |
war für das Frühjahr geplant. Sie wird nicht stattfinden. Am Donnerstag ist | |
Frank Z. in Hamburg im Alter von 66 Jahren an Krebs gestorben. | |
21 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Gregor Kessler | |
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