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# taz.de -- Popdiskurs im HAU: Begehre deine Jugend
> Im Berliner HAU diskutierten Michaela Melián und Diedrich Diederichsen
> mit Alfred Hilsberg und Christof Meueler über die achtziger Jahre.
Bild: Mit der Popgeschichtsschreibung nicht so richtig zufrieden: ZickZack-Labe…
Namedropping gefällig? In der Theaterkantine des Berliner Hebbel Am Ufer
(HAU) schlendert nach der Veranstaltung am Dienstagabend Jochen Distelmeyer
(Blumfeld) Richtung Tresen, Jens Friebe sitzt vor einem Getränk am Tisch.
Im Getümmel steht Holger Hiller (Palais Schaumburg), wie immer in feinem
Zwirn. Christiane Rösinger (Lassie Singers) kommt dazu, derweil läuft eine
hypnotische Version von „Völlig losgelöst“. Unter anderem am DJ-Pult steht
übrigens Michaela Melián (F.S.K.). Diese Aftershow-Party könnte als
Klassentreffen des deutschen Pop durchgehen.
Ach so, der Protagonist des Abends war natürlich auch anwesend: Alfred
Hilsberg, Betreiber des Hamburger ZickZack-Labels und einer der
Strippenzieher von Punk und Postpunk in Deutschland. Über die gerade
erschiene Biografie des 69-jährigen – „Das ZickZack-Prinzip: Alfred
Hilsberg – Ein Leben für den Underground“ – wurde zuvor im Theatersaal d…
HAU diskutiert. Geschrieben hat das Buch Christof Meueler, Redakteur der
Jungen Welt.
Autor und Porträtierter sprachen auf dem Podium mit Kulturkritiker Diedrich
Diederichsen und F.S.K.-Mitgründerin Melián über die Post-K-Gruppen-Zeit,
Klassenkämpfe in der Hamburger Markthalle beim von Hilsberg organisierten
„Geräusche für die Achtziger“-Festival (1979) – und über die komplizie…
Entstehungsgeschichte der Biografie.
Sowohl Hilsberg als auch die im Buch zitierte Melián sind mit dem
Endergebnis nicht glücklich. Eigentlich war das nun von Meueler als
Biografie verfasste Werk in weit größerem Umfang geplant. Hilsberg und
Meueler wollten ein dreibändiges Werk verfassen. Der erste Teil sollte Oral
History beinhalten, im zweiten sollte Hilsberg
historisch-zeitgeschichtliche Einordnung leisten, ein dritter Teil
schließlich Originaldokumente, Rezensionen und Faksimiles enthalten.
Nun liege lediglich ein komprimierter Teil eins vor, so Hilsberg. Man habe
ihm von Verlagsseite nicht die nötige Zeit gelassen. Meueler entgegnet, das
2006 begonnene Vorhaben wäre andernfalls zu ihrem persönlichen „Chinese
Democracy“ geworden – dem immer wieder angekündigten und verschobenen Album
von Guns N’ Roses.
## ZickZack hat das Internet vorweggenommen
Der Bruch, den Punk und Postpunk ab Ende der 70er mit der linken
Alternativkultur in Westdeutschland markierten, wird im Diskurs am
Dienstagabend deutlich. Zentral dabei: Das Zusammenkommen verschiedener
Milieus bei Punkkonzerten. Das sei „kulturelle Praxis von Kleinbürger- und
Proletarierkindern in einem Raum“ gewesen, erklärt Diederichsen. Nach der
Abgrenzung von allem Dogmatischen sei es im Punk darum gegangen, sich „an
Radikalität zu überbieten“. Elementar: „Das Abenteuer des Selbermachens u…
des Denkens“, so Melián. Der coole Ort, an dem dies in Westdeutschland
stattgefunden habe: Hilsberg und sein Label ZickZack.
Entsprechend sagt dieser forsch, er selbst habe mit seiner
„Publikationsweise des Alles-Raushauens eigentlich das Internet
vorweggenommen“. Zwischen 1980 und 1983 sind bei ZickZack Records knapp 80
Platten erschienen, für ein Independent-Label ein ungeheurer Kraftakt. Von
1983 an betrieb Hilsberg zusätzlich What’s So Funny About Records. Er
veröffentlichte Alben von vielen der eingangs erwähnten Bands und
zahlreichen Künstlern aus dem angloamerikanischen Raum, was im Buch leider
zu kurz kommt. Melián hebt die anti-machistische Arbeit von Hilsberg hervor
– in der Tat: Er hat eine Frauenquote nie nötig gehabt, Frauenbands (wie
aktuell etwa Candelilla) zu unterstützen sei selbstverständlich gewesen.
Das „Begehren“, diese Zeit zu ergründen, scheint aus Sicht der
Podiumsteilnehmer klar: Es geht um ihre eigene Jugend! Hilsberg selbst
wünscht sich – gerade nach Veröffentlichung des Buches – eine sorgfältig…
Betrachtung der achtziger Jahre. Abgegessen sei diese Epoche seines
Erachtens mitnichten, wie die taz, genauer: der Autor dieses Textes,
geschrieben habe.
Da die Veranstaltung an diesem Abend durchaus viele interessante Aspekte
hatte, aber auch mit allzu bekannten Topoi – Anti-AKW-Bewegung, „Geräusche
für die Achtziger“-Festival – einleitete, kann man vielleicht
konkretisieren: Selbstverständlich braucht jede Epoche ihre gründliche
Historisierung. An einigen Stellen aber ist der alte 80er-Knochen schon
ganz schön abgenagt. An anderen Ecken, wo noch mehr Fleisch dran ist –
beispielsweise die Frühgeschichte des proletarischen Punk – ist mein
persönliches Begehren größer, etwas über diese Zeit zu erfahren.
27 Apr 2016
## AUTOREN
Jens Uthoff
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