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# taz.de -- Bio-Vorzeigebetrieb am Pranger: Schmu mit Schweinen?
> Tote Ferkel und Antibiotika: Die „Soko Tierschutz“ erhebt Vorwürfe gegen
> Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Der Bauer verspricht Besserung.
Bild: Scheinbar gut: Auch in der Biomast soll Schwein nicht immer glücklich se…
Berlin taz | Die Organisation Soko Tierschutz und das Fernsehmagazin „Fakt“
haben schwere Vorwürfe gegen die Schweinehaltung der Herrmannsdorfer
Landwerkstätten erhoben. Die Missstände betreffen vor allem den
„Abferkelbereich“, wo die Zuchtsauen den Nachwuchs zur Welt bringen. Fotos
der Soko zeigen verletzte und leidende Muttertiere und kritische
Haltungsbedingungen in umstrittenen Kastenständen – das sind aus
Metallstangen konstruierte Boxen, in denen sich die Sauen kaum bewegen
können, damit sie ihren Nachwuchs nicht erdrücken.
Der Soko liegen darüber hinaus „lange Listen“ zum Einsatz von Antibiotika
und Hormonen vor. Außerdem sei die Verlustrate mit 30 Prozent toter Ferkel
und 10 Prozent Totgeburten extrem hoch, sagte der Vorsitzende der Soko,
Friedrich Mülln, der taz, „die Tiere haben Stress“. Die Missstände, so
Mülln weiter, stünden in krassem Gegensatz zur Heile-Welt-Kommunikation des
Betriebs.
Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten gelten als Vorzeigehof und Pionier der
Biobranche. Jetzt stehen sie am Pranger. Karl Schweisfurth, der das
Unternehmen von Vater Karl Ludwig übernommen hat, reagierte mit
ausführlichen Stellungnahmen auf seiner Internetseite und versprach
„Transparenz und Offenheit“. Schon vor der Ausstrahlung der Sendung hat der
Betrieb offenbar Konsequenzen gezogen und die Zusammenarbeit mit dem
bisherigen Tierarzt des „Tiergesundheitsdiensts Bayern e. V.“ beendet.
Außerdem, so Schweisfurth zur taz, habe man die Kastenstände, die nur bei
sehr unruhigen Muttertieren eingesetzt worden seien, ganz abgeschafft und
einen „freien Abferkelbereich“ nach dem Vorbild österreichischer
Pionierbetriebe eingerichtet.
Schweisfurth räumte eine hohe Verlustrate bei den Ferkeln ein, allerdings
nur im ersten Halbjahr 2015. Danach habe man sie wieder auf das
unvermeidbare Maß reduzieren können. Ursache für die vielen toten Ferkel
sei eine schlechte Strohqualität mit Schimmelbefall gewesen und eine Reihe
von Würfen mit ungewöhnlich hoher Ferkelzahl von bis zu 20 Tieren. Die
gehaltenen Schwäbisch-Hällischen Schweine haben in der Regel kleinere Würfe
als Hochleistungssauen der konventionellen Tierhaltung.
Der Soko Tierschutz warf Schweisfurth vor, extreme Fotos von Muttersauen
während der Geburt veröffentlicht zu haben, um möglichst blutige Aufnahmen
zu bekommen. Auch eine an „Strahlenpilz“ erkrankte Sau sei abgebildet, als
ob dies der Normalfall wäre. Den von der Soko monierten Einsatz des Hormons
Oxytocin verteidigte Schweisfurth: Zur Erleichterung schwerer Geburten sei
die Hormongabe im Sinne des Tierwohls manchmal notwendig.
Slow-Food-Vorstandsmitglied Rupert Ebner, selbst Tierarzt, forderte die
Biobranche auf, ehrlicher zu kommunizieren. Auch in Bioställen müssten in
manchen Fällen Antibiotika verordnet werden, „denn man kann die Tiere doch
nicht sterben lassen“. Im aktuellen Fall sei die tierärztliche Betreuung
vermutlich „alles andere als optimal“ gewesen, Ebner begrüßte den
Tierarztwechsel als „absolut richtige Maßnahme“. Jetzt komme es darauf an,
die Probleme im Ferkelstall mit Offenheit und Veränderungswillen
anzupacken. Die Landwerkstätten seien in vielem vorbildlich und könnten nun
Vertrauen zurückgewinnen durch ehrliches Krisenmanagement. Zugleich sei der
Fall ein Augenöffner, weil er zeige, dass es auch in gut geführten
Biobetrieben immer wieder Gesundheitsprobleme gebe.
28 Jan 2016
## AUTOREN
Manfred Kriener
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Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
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