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# taz.de -- Tierschutzskandal bei „Herrmannsdorfer“: Biofleisch-Pionier tä…
> Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten hielten Sauen in engen Käfigen. Im
> Internet erzählte der Öko-Betrieb das Gegenteil. Jetzt verwischt er
> Spuren.
Bild: Arme Sau: Mutterschwein im „Kastenstand“, einem engen Käfig
Berlin taz | Der Biofleischpionier-Betrieb Herrmannsdorfer Landwerkstätten
hat jahrelang seine Schweinehaltung mit falschen Angaben im Internet
beworben. Mindestens von August 2012 bis Juni 2015 war auf der Website des
bayerischen Ökounternehmens zu lesen von der Muttersau, „die sich frei
bewegen kann und nicht im Zwangsstand stehen muss“. In Wirklichkeit wurden
die Tiere doch in diese Käfige eingesperrt, die so eng sind, dass sie sich
nur schwer hinlegen können, wie der Betrieb nach einer verdeckten Recherche
der Organisation „Soko Tierschutz“ zugab.
Nun haben die Tierrechtler auch archivierte Versionen der
Herrmannsdorfer-Internetseite mit der falschen und inzwischen gelöschten
Passage zu den Kastenständen veröffentlicht. Daraufhin mailte
Geschäftsführer Karl Schweisfurth der taz: „Ja, diese fehlerhafte
Information auf unserer Website gab es zeitweise.“
Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten waren bisher in der Ökobranche hoch
angesehen. Die im Stroh tollenden schwarz-rosa Tieren der alten
Schwäbisch-Hällischen Rasse waren ein mediales Aushängeschild für Bio.
Immer wieder wurde die Geschichte vom Vater des heutigen Geschäftsführers
erzählt: Karl Ludwig Schweisfurth gehörte einst Herta, dem damals größten
industriellen Fleischproduzenten Europas. Er verkaufte den Konzern und
stellte ein Gut in Glonn bei München auf Bio um. Dessen Fleisch ist
mitunter doppelt so teuer wie konventionelles.
## Überführt per „Waybackmachine“
Umso größer war der Schock, als „Soko Tierschutz“ Ende Januar heimlich
aufgenommene Videos aus dem Betrieb veröffentlichte: Neben verletzten
Tieren, zahlreichen toten Ferkeln und beim Bioverband der Herrmannsdorfer
verbotenen Antibiotika zeigten sie auch Sauen in Käfigen. Diese sollen
verhindern, dass die Muttertiere ihre Ferkel erdrücken. Die Aufnahmen
stammten etwa vom letzten Jahr. Außerdem schickten die Tierrechtler der taz
interne Listen der Herrmannsdorfer, die den Einsatz von Kastenständen 2009
bis 2013 dokumentieren. „Die Kunden wurden also nicht nur, wie bislang von
Schweisfurth suggeriert, von einzelnen Verkäufern falsch informiert,
sondern von ganz oben belogen“, urteilt Soko-Vorstandsmitglied Friedrich
Mülln.
Schweisfurth jedoch spricht lediglich von einem „Fehler“. „Ich versichere,
dass wir zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht haben“, teilte er der taz
mit. „Unser Versprechen ist höchste Transparenz und Ehrlichkeit.“ Von einer
„transparenten Firma“ kann aber laut Mülln nicht die Rede sein. Denn vor
wenigen Tagen hätten die Herrmannsdorfer mit technischen Mitteln dafür
gesorgt, dass die alten Versionen der Internetseite mit den falschen
Angaben aus dem öffentlichen Internetarchiv „Waybackmachine“ verschwanden.
„Da möchte offenbar jemand nicht, dass man sieht, was Herrmannsdorfer so
früher gelogen hat.“ Dieses Ziel erreicht das Unternehmen aber nur zum
Teil: Die „Soko“ hatte vor der Archivbereinigung die Seiten lokal
gespeichert und hat sie jetzt veröffentlicht.
## Drohbrief an kritische Journalisten
Wie das Bio-Unternehmen mit Kritikern umgeht, zeigt ein Brief, den das
Internetportal Animal-Health-online nach einem Artikel über den Skandal
erhalten hat. Darin droht ein Anwalt mit juristischen Schritten „gegen
rechtswidrige Berichterstattungen“ – prophylaktisch, denn der Brief enthält
keine Vorwürfe zu bereits erschienenen Texten. Offenbar weil man wusste,
dass solche Drohbriefe nicht imagefördernd sind, endet das Schreiben mit
dem fettgedruckten Hinweis, der Text sei nicht zur Veröffentlichung
bestimmt.
Für Tierrechtler Mülln ist klar: „Diese Bio-Firma bedient sich bei ihrer
Public Relations derselben Mechanismen wie Firmen, die konventionelle
Massentierhaltung betreiben“. Für ihn „kann der Ausweg nur ein Ende der
Ausnutzung von Tieren sein“, sagt Mülln, der einen veganen Lebensstil
befürwortet. „Denn der Weg der Anpassung der Tiere an die Mast ist
gescheitert, bei Bio und dem Massenstall.“
8 Feb 2016
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Landwirtschaft
Tierschutz
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Veganismus
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