# taz.de -- Gibt es Bio-Mineralwasser?: Zwischen Öko und Aberglauben | |
> Neben Biolebensmitteln bieten Naturkostläden auch Biomineralwasser mit | |
> Siegel an, für das ein Ökopionier kämpft. Ein Marketing-Gag? | |
Bild: Kann Mineralwasser bio sein? | |
BERLIN/NÜRNBERG taz | Die Frage kommt aus dem Publikum: „Trinken Sie | |
persönlich Leitungswasser?“, fragt eine Frau den Mineralwasser-Experten | |
Manfred Mödinger bei einer Präsentation auf der Öko-Messe BioFach. „Nein �… | |
nein“, sagt Mödinger, fast entsetzt. Kein Wunder: Mödinger ist Mitglied in | |
der Qualitätsgemeinschaft Biomineralwasser. Der Verein vergibt ein | |
Ökosiegel für Brunnenbetreiber, die nach seinen Richtlinien produzieren. | |
Biomineralwasser – das klingt nach Marketing-Gag. Nach jahrelangem Streit | |
hat der Bundesgerichtshof die Bezeichnung Biomineralwasser im Jahr 2012 für | |
zulässig erklärt. Die EU-Ökoverordnung wird jedoch nicht auf | |
Biomineralwasser angewandt. Anders als ein Lebensmittel werde das Wasser | |
nicht hergestellt oder angebaut, hatte im Prozess auch die Klägerin, die | |
Wettbewerbszentrale, argumentiert. | |
Das sieht Franz Ehrnsperger, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft | |
Biomineralwasser, anders: „Jeder, der Biomineralwasser auf den Markt | |
bringt, muss Biowasserbauer werden. Der Biolandwirt sorgt dafür, dass an | |
seine Möhren nichts rankommt, was der liebe Gott nicht selbst erschaffen | |
hat. Das Gleiche muss der Biowasserbauer für sein Wasser tun.“ Biopionier | |
Ehrnsperger hat als geschäftsführender Gesellschafter das Unternehmen | |
Neumarkter Lammsbräu als Ökofirma bekannt gemacht. | |
Nach den Richtlinien des Siegels muss der Ökosprudel mehr und strengere | |
Grenzwerte einhalten als andere Wässer. Der Brunnenbetreiber muss sich für | |
Umweltschutz einsetzen. Er muss etwa nachweisen, dass er den Biolandbau in | |
seiner Region fördert und Ökoverpackungen nutzt. Auch normales | |
Mineralwasser muss bestimmte Werte einhalten, sie sind in der Mineral- und | |
Tafelwasserverordnung festgelegt. Leitungswasser dagegen muss der in | |
einigen Punkten strengeren Trinkwasserverordnung genügen. Einige Kriterien | |
des Biomineralwassers orientieren sich an ebenjener Trinkwasserverordnung, | |
etwa was die Grenzwerte zum Bor- oder Fluoridgehalt angeht. | |
## Manche Vorgaben sehen Wissenschafler als Hokuspokus | |
Aber sind strengere Regeln für Mineralwässer überhaupt notwendig? Das | |
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) teilt dazu auf Anfrage der taz | |
zwar mit, dass „der gesundheitliche Verbraucherschutz durch die in | |
Deutschland geltenden gesetzlichen Regelungen für natürliches Mineralwasser | |
aus Sicht des BfR weitreichend ist“. Schon 2006 hatte das Institut aber | |
empfohlen, die Höchstmengen für Bor und Fluorid in Mineralwässern an die | |
Trinkwasserregelungen anzugleichen. | |
Andere Vorgaben sehen Wissenschaftler im Bereich des Hokuspokus: So müssen | |
die „Biowasserbauern“ alle fünf Jahre einen Qualitätsnachweis vorlegen, d… | |
„eine lebensfördernde, innere Struktur des Quellwassers“ bestätigt. Das | |
kann etwa mit einer Kristallbild-Untersuchung, Tropfbildmethodik oder einer | |
Biophotonenuntersuchung geschehen. | |
Torsten Schmidt, Chemieprofessor an der Uni Duisburg-Essen, sieht solche | |
Untersuchungen äußerst kritisch, da sie keinen wissenschaftlichen | |
Anforderungen entsprächen. Dabei hat er nichts explizit gegen den | |
Ökosprudel: „Ich habe auch gar nichts dagegen, dass jemand sagt, mein | |
Wasser ist toll. Weihwasser werden auch bestimmte Eigenschaften | |
zugeschrieben. Aber schwierig ist es, wenn das unter dem Deckmantel der | |
Wissenschaft geschieht.“ | |
## Unwissenschaftliche Methoden? | |
Dass die Untersuchungen umstritten sind, weiß auch | |
Biomineralwasser-Lobbyist Ehrnsperger: „Die Methoden sind wissenschaftlich | |
nicht 100-prozentig abgesichert, aber sie haben einen Hinweiswert.“ Ein | |
Sprecher der Qualitätsgemeinschaft gibt zu bedenken, dass diese | |
Untersuchungen nur ein „minor must“ seien – von diesen Kriterien müssten… | |
Gegensatz zu den „major musts“ nur 50 Prozent erreicht werden. Verzichten | |
Hersteller also darauf, können sie trotzdem das Siegel bekommen. Allerdings | |
heißt es in den Richtlinien: „Minor musts können im Lauf der Zeit major | |
musts werden und sind somit auch als Ansporn für Verbesserungen gedacht.“ | |
Fragt sich nur: Ist es ratsam, wenn Biolandwirtschaft mit | |
unwissenschaftlichen Methoden assoziiert wird? Der Ökoanbauverband Bioland, | |
ein Partner der Biomineralwasserinitiative, antwortet darauf: Dass man | |
„zusätzlich auch ganzheitlichen Methoden wie zum Beispiel der | |
Biophotonenuntersuchung oder Tropfbildmethodik und ihren Ergebnissen | |
Beachtung schenkt, ist auch in der biodynamischen Landwirtschaft gang und | |
gäbe und liegt im Interesse der Verbraucher“. | |
6 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Eva Oer | |
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