| # taz.de -- Biozüchter Schweisfurth über Antibiotika: „Wir haben den Tierar… | |
| > Karl Schweisfurth, Chef der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, sagt, er | |
| > habe keine Vorschrift verletzt. Kranke Tiere bräuchten manchmal ein | |
| > Antibiotikum. | |
| Bild: „Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater jemals von einer paradie… | |
| taz: Herr Schweisfurth, alle Welt schaut jetzt genau hin, wie die | |
| Herrmannsdorfer Landwerkstätten Krisenmanagement betreiben. | |
| Karl Schweisfurth: Wir spüren die Verantwortung. Deshalb bleiben wir bei | |
| unserer Linie, mit großer Transparenz alles zu offenbaren, was wir tun. | |
| Bei Ihrem Vater hatte man oft den Eindruck, dass die übliche Tierhaltung | |
| die Hölle ist und der eigene Betrieb eine paradiesische Oase. | |
| Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater jemals von einer | |
| paradiesischen Oase gesprochen hat. Richtig ist: In der Ökolandwirtschaft | |
| hat er Pionierarbeit geleistet. Ich stehe hinter dem Anliegen meines | |
| Vaters, sich für gute Tierhaltung einzusetzen. Ich bin allerdings | |
| Praktiker, ich habe Landwirtschaft gelernt und studiert. Meine | |
| Kommunikation ist weniger theoretisch-philosophisch, dafür praxisnäher. | |
| Sie hatten 30 Prozent Ferkelverluste im ersten Halbjahr 2015. Es gibt | |
| Betriebe, bei denen nur in Ausnahmefällen mal zwei, drei Ferkel sterben. | |
| Zur Ferkelsterblichkeit gibt es keine exakte Statistik, aber Ökobetriebe, | |
| in denen dauerhaft nur zwei Ferkel sterben, halte ich für kaum vorstellbar. | |
| Leider sind Verluste von 15 bis 20 Prozent üblich. Wir waren 2014 gut mit | |
| einer Verlustrate von 16 Prozent. 2015 war ein Ausnahmejahr mit sehr großen | |
| Würfen und vielen schwachen Ferkeln. Außerdem hatten wir eine Infektion im | |
| Stall, konnten die Ursachen nicht gleich herausfinden und mussten hohe | |
| Verluste hinnehmen. Jetzt sind wir wieder auf gutem Weg. | |
| Sie haben jetzt die umstrittenen Kastenstände, das sind Boxen zur Fixierung | |
| der Muttersauen, abgeschafft. Was wollen Sie jetzt noch tun? | |
| Ich war vergangenes Jahr viel unterwegs und habe Betriebe mit freier | |
| Abferkelung (ohne Kastenstände; die Red.) besichtigt. Deshalb arbeiten wir | |
| jetzt ohne. Das hätte man früher machen können, aber hinterher ist man | |
| immer schlauer. Als wir 2000 den Stall gebaut haben, waren Kastenstände das | |
| modernste System. Wir versuchen ständig, die Lebensbedingungen unserer | |
| Tiere zu verbessern, unsere Haltung geht weit über die Biovorschriften | |
| hinaus. Wir haben ein eigenes Sojanetzwerk mit bayerischen Bauern, wir | |
| haben die Schweineweidehaltung frühzeitig eingeführt und vieles mehr. | |
| Die Vorwürfe der „Soko“ haben viel in Bewegung gebracht? | |
| Von den „Soko“-Vorwürfen habe ich erst letzte Woche, drei Stunden vor der | |
| „Fakt“-Sendung, erfahren. Ich wusste nicht, dass verdeckte | |
| Überwachungskameras im Stall waren. Die „Soko“ tut so, als hätte sie bei | |
| uns Skandalöses enthüllt, aber wir halten unsere Schweine nach | |
| Biovorschriften. Unsere Ställe stehen offen, es gibt keine Geheimnisse. Wir | |
| waren auch ohne „Soko“ an vielen Veränderungen dran und haben nun auch den | |
| Tierarzt gewechselt, um weniger Antibiotika einsetzen zu müssen. | |
| Hätten Sie sich nicht gegen die Antibiotikaverordnungen Ihres Tierarztes | |
| wehren können? | |
| Nein, das sind ärztliche Verordnungen in der Lebensmittelproduktion. Da | |
| konnten wir uns nicht verweigern. Wenn ein Tier stirbt, machen Sie sich | |
| schuldig. Der bayerische Tiergesundheitsdienst … | |
| … der in Bayern ein Monopol hat … | |
| … trifft die Entscheidungen. Da gab es keine Diskussionen, das habe ich | |
| selbst erlebt. Der Tierarzt sagt, ich bin der Fachmann, ich muss mich drauf | |
| verlassen, dass meine Verordnung umgesetzt wird. Der Neue wird mit | |
| sanfteren Methoden arbeiten. | |
| Der Verein Soko Tierschutz hat eine Medikamentenliste vorliegen, wonach | |
| Tiere Ihres Betriebs auch Antibiotika der Gruppe Fluorchinolone bekamen, | |
| unter anderem das Präparat „Baytril“. Die Richtlinien von Biokreis, wo Sie | |
| Mitglied sind, verbieten Fluorchinolone. | |
| Baytril wird bei uns nicht mehr eingesetzt. Es lag noch ein Präparat im | |
| Kühlschrank, aber es gibt einen Rücknahmebeleg des Tiergesundheitsdiensts. | |
| Die Richtlinien von Biokreis gibt es noch nicht so lange. Unsere Veterinäre | |
| haben sich in Einzelfällen über die Biokreis-Richtlinien hinweggesetzt, | |
| weil sie eine andere Einschätzung hatten. Unser alter Tierarzt hat Baytril | |
| als seiner Ansicht nach bestes Medikament gegen eine Erkrankung eingesetzt. | |
| Diese Antibiotika kommen jetzt nicht mehr zum Einsatz, unser neuer Tierarzt | |
| ist entsprechend instruiert. Aber gegen gesetzliche Bestimmungen wurde nie | |
| verstoßen. | |
| Wann und wie oft wurden Fluorchinolone eingesetzt? | |
| Ab Juni 2014 bis zum Jahresende wurden 21 Tiere behandelt, 2015 waren es 33 | |
| Tiere. | |
| Bei Bio wird oft eine heile Welt vorgegaukelt. Warum sagen Biobetriebe und | |
| Verbände nicht klipp und klar, dass sie Probleme mit der Tiergesundheit | |
| haben? | |
| Man kann immer noch besser kommunizieren. Wir haben jedenfalls nichts | |
| verheimlicht. Und die meisten Leute wissen, dass kranke Tiere, genau wie | |
| kranke Menschen, manchmal ein Antibiotikum brauchen. Der entscheidende | |
| Unterschied: Die Biobranche verabreicht diese Arzneimittel nie großflächig | |
| und vorbeugend und auch nicht zum besseren Wachstum. | |
| Herr Schweisfurth, schmerzt es Sie, dass einer Ihrer Mitarbeiter Sie an die | |
| „Soko“ verraten hat? | |
| Wenn das so war, würde es schmerzen. Aber noch ist unklar, wie die Kameras | |
| in den Stall kamen. Die Auswahl der Bilder durch die „Soko“ war jedenfalls | |
| sehr manipulativ, die gezeigten Muttersauen sind nur wenige Tage im | |
| Kastenstand. | |
| 2 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Kriener | |
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