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# taz.de -- Bio-Landwirtschaft und Klimaschutz: Öko macht auch Dreck
> Biobauern verzichten zwar auf klimaschädlichen Dünger. Da sie aber pro
> Fläche weniger ernten, ist ihre Bilanz auch nicht toll.
Bild: Auch Ökolandbau kann zum Klimawandel beitragen
Berlin taz | Die Biolandwirtschaft ist Beratern der Bundesregierung zufolge
nicht generell besser für das Klima. Eine „pauschale Förderung des
Ökolandbaus allein aus Gründen des Klimaschutzes“ sei „nicht zielführend…
heißt es in einem kürzlich vorgestellten [1][Gutachten der
Wissenschaftlichen Beiräte für Agrar- und Waldpolitik beim
Bundeslandwirtschaftsministerium].
Damit widersprechen die Professoren langjährigen Behauptungen von
Vertretern der Ökobranche. Das Gutachten hat großes Gewicht, weil es die
führenden deutschen Agrarwissenschaftler geschrieben haben. Mehrere von
ihnen werden häufig auch in der Bioszene zitiert.
Rund 11 Prozent der Treibhausgase aus Deutschland kommen den Forschern
zufolge aus der Landwirtschaft sowie der Nutzung von Acker- und
Grünflächen. Zählt man die Emissionen bei der Herstellung, Vermarktung und
Zubereitung der hierzulande verzehrten oder weggeworfenen Lebensmittel
hinzu, kommt die Ernährung auf ein Viertel des gesamten Ausstoßes. Die
Nahrungsmittelbranche könnte also einen großen Beitrag leisten, um die
Erderwärmung zu begrenzen.
Ein Instrument des Klimaschutzes sei der Ökolandbau, predigen
Umweltorganisationen seit Langem. Tatsächlich entstünden auf Biohöfen pro
Hektar in der Regel weniger Treibhausgase als auf konventionellen,
schreiben die Gutachter. Das liegt etwa daran, dass Biobauern auf
energieaufwändig hergestellte Mineraldünger und Pestizide verzichten,
weniger Tiere je Hektar haben und stärker auf klimafreundliche
Hülsenfrüchte setzen.
## Die Emissionen pro Produkt zählen
„Für die Klimawirkung sind aber die produktbezogenen Emissionen relevant“,
so die Wissenschaftler, die einschlägige Studien ausgewertet haben. Pro
Produkt gerechnet – also zum Beispiel je Kilogramm Weizen oder je Liter
Milch – habe der Ökolandbau „häufig etwa gleich hohe oder nur leicht
verminderte“ Emissionen. Manchmal sei diese Klimabilanz sogar schlechter
als die der konventionellen Konkurrenz. „Deshalb kann die ökologische
Landwirtschaft nicht pauschal als Klimaschutzmaßnahme empfohlen werden“,
urteilen die Gutachter.
Ökobauern ernten etwa einer Metastudie zufolge im Schnitt 25 Prozent
weniger pro Hektar als herkömmliche Bauern. Auch weil sie ohne
chemisch-synthetische Pestizide und Kunstdünger auskommen müssen. Es gibt
aber Ausnahmen: Die Gutachter nennen als Beispiel Ökohöfe, die besonders
viel Hülsenfrüchtler als Tierfutter anbauen. Denn von Kleegras etwa
ernteten konventionelle Landwirte kaum mehr als die Bios. Deshalb sei deren
Klimabilanz „eindeutig günstiger zu beurteilen“. Doch gerade große
Ökobetriebe in Ostdeutschland halten kein Vieh und setzen deshalb kaum auf
Futtermittel.
Dennoch ist es für die Forscher sinnvoll, den Ökolandbau weiter etwa mit
Subventionen zu fördern. Besonders vorteilhaft ist Ökolandbau ihrer Meinung
nach etwa in Regionen mit einem hohen Anteil von Grünland, also Wiesen und
Weiden, auf denen Kleegras wächst. Oder in Gebieten mit sandigen Böden, wo
sehr leicht Düngemittel ins Grundwasser durchsickern können – was beim
Ökolandbau wegen des [2][im Schnitt niedrigeren Düngereinsatzes] aber
unwahrscheinlicher ist. Die Experten befürworten weitere Subventionen
besonders da, wo klar ist, dass die Biobauern weitere Leistungen für die
Umwelt erbringen. Bio wirke sich positiv auf die Vielfalt von Pflanzen- und
Tierarten, auf den Erhalt des Grünlands, den Boden- und den Tierschutz aus.
Der Vorstandsvorsitzende des [3][Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW)], Felix Prinz zu Löwenstein, wirft den Experten vor, wichtige
Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt zu haben: Ökobetriebe würden
kohlenstoffhaltigen Humus im Boden aufbauen und so Treibhausgase
unschädlich machen, weil sie mehr auf Fruchtwechsel setzen und organische
Dünger benutzten. „Da ist der Ökolandbau vom System her besser“, so
Löwenstein.
## Alles nicht so sicher
[4][Friedhelm Taube, Bioexperte der Universität Kiel] und Mitautor des
Gutachtens, sagte aber der taz: „Es gibt in der weltweiten Literatur keine
generelle evidenzbasierte Aussage, dass Ökolandbau höhere Humusgehalte
sicherstellt. Das wird vielmehr durch Standort und Fruchtfolge
beeinflusst.“ Zu dem Thema sei schon ausführlich geforscht worden. Im
Gutachten heißt es auch, dass die Effekte des Ökolandbaus auf die
Humusbildung „nicht eindeutig“ seien: In Bio-Ackerbaubetrieben ohne
Viehhaltung sind sie Taube zufolge tendenziell sogar niedriger als in
vergleichbaren konventionellen. In einer [5][Analyse von Pilotbetrieben],
mit der Biolobbyist Löwenstein argumentiert, habe der Humusaufbau extrem
stark geschwankt. „Das lässt keine Aussage zu: Ökolandbau ist grundsätzlich
günstiger für den Humusgehalt.“
Löwenstein führt aber auch an, Biokunden würden weniger Fleisch kaufen, da
bei diesem klimaschädlichen Produkt der Preisabstand zur billigeren
konventionellen Konkurrenz besonders groß ist.
Doch laut Gutachten könnte es auch sein, dass Biokonsumenten aus ethischen
Überlegungen heraus weniger Fleisch essen – nicht weil es teurer ist.
„Hierzu sind jedoch keine empirischen Untersuchungen bekannt.“ Dass der
Biopreiseffekt relevant ist, bleibt also Spekulation. „Es ist
nachvollziehbar, dass Bauernverband und BÖLW ihre eigene Sichtweise haben“,
sagt Taube „aber Wissenschaft muss immer auf Basis gesicherter Erkenntnisse
argumentieren – und das verträgt sich in der Regel nicht mit einfachen
Wahrheiten“.
13 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/K…
[2] https://www.oekolandbau.de/erzeuger/umweltleistungen/grundwasserschutz-durc…
[3] http://www.boelw.de/ueberuns/
[4] http://www.grassland-organicfarming.uni-kiel.de/de/mitarbeiter/friedhelm-ta…
[5] http://www.pilotbetriebe.de/download/PB_Abschlussbericht_2015_Internet.pdf
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
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