Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Familiennachzug für syrische Flüchtlinge: Koalitionsstreit um Asy…
> Innenminister de Maizière schart mit seiner Idee zum begrenzten
> Familiennachzug für Syrer immer mehr Fans in CDU und CSU hinter sich. Die
> SPD hält dagegen.
Bild: Ohne Familiennachzug bleiben die Flüchtlinge aber alleine. Deshalb, so S…
Berlin/Brüssel/Düsseldorf dpa/rtr/afp | Mit seinem Vorstoß für höhere
Hürden beim Familiennachzug von Flüchtlingen hat Bundesinnenminister Thomas
de Maizière (CDU) die große Koalition in neue Turbulenzen gestürzt. Während
die CDU-Spitze die vom Kanzleramt zunächst zurückgewiesene Idee einer
Beschränkung des Nachzugs am Montag unterstützte, attackierte die SPD den
Regierungspartner: Für SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi herrschen in der
Union „Chaostage“.
Es seien weitere Bausteine erforderlich, um einer Lösung der
Flüchtlingskrise näherzukommen, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach
Sitzungen von Präsidium und Vorstand in Berlin. In den CDU-Gremien habe
große Einigkeit geherrscht, dass dazu auch der Familiennachzug gehöre. De
Maizière soll nun mit den Innenministern der Länder klären, welche Gruppen
von Flüchtlingen einen schwächeren Schutz bekommen sollen, der den Nachzug
von Angehörigen verbietet. „Ich hoffe, wir kommen dabei auch zu einer
einvernehmlichen Lösung“, sagte Kanzlerin Angela Merkel in Schwerin. „Es
muss Beschleunigung einerseits und Ordnung andererseits der Asylverfahren
gewährleistet werden.“
Der Bundesinnenminister will den Schutzstatus auch für Menschen aus dem
Bürgerkriegsland Syrien herabstufen, war aber am Freitag nach SPD-Protesten
und einer Intervention des Kanzleramts zurückgerudert.
Die Bearbeitung von Asylanträgen dauert nach Aussage von
Flüchtlingsamts-Chef Frank-Jürgen Weise noch immer viel zu lange. „Die
Aufgabe, die wir haben, läuft noch nicht gut“, sagte Weise am Montag in
Nürnberg. Einer der wichtigsten Faktoren, um die Asylverfahren zu
beschleunigen, sei die Aufstockung des Personals beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es werde noch lange dauern, die rund
300.000 Altfälle abzuarbeiten, sagte Weise.
In der Diskussion über eine veränderte Prüfung der Asylanträge von Syrern
sagte Weise, er habe dazu „keine Weisung“ aus Berlin erhalten. Das
Bundesinnenministerium hatte am Freitag mitgeteilt, das BAMF sei „gebeten“
worden, syrische Flüchtlinge wieder intensiver zu ihren Asylgründen zu
befragen. Nach massiver Kritik nahm de Maizière diesen Vorstoß später
wieder zurück.
Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag, es gebe keine neue
Rechtssituation. Allerdings sei der Familiennachzug für alle syrischen
Flüchtlinge derzeit ohnehin nicht zu realisieren. Die Behörden seien voll
damit beschäftigt, die sehr hohe Zahl von Flüchtlingen zu registrieren und
unterzubringen. „Wenn man diese Realität landauf landab sieht, dann wird
jedem klar: Einen Familiennachzug im bisherigen Verständnis kann es derzeit
nicht geben.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) halte an ihrem Innenminister
fest – „selbstverständlich“ habe de Maizière weiter ihr Vertrauen.
## Klöckner: Es bedarf einer Einzelfallprüfung
CDU-Vize Julia Klöckner sagte, irgendwann werde es für Deutschland auch
eine Belastungsgrenze geben. In der Dienstagausgabe der in Düsseldorf
erscheinenden Rheinischen Post sagte sie: „Das Asylrecht ist ein Recht für
den Einzelnen, nicht für ganze Nationen. Es bedarf daher konsequenterweise
auch einer Einzelfallprüfung.“ Sie betonte, die Verhältnisse in den
Herkunftsländern seien regional oft sehr unterschiedlich. „Ich erwarte von
der SPD, dass man sich hier der Wirklichkeit öffnet.“
Klöckners Amtskollege Armin Laschet sagte: „Man muss mit dem
Koalitionspartner diese Frage besprechen.“ CDU-Präsidiumsmitglied Jens
Spahn erklärte, Deutschland habe mehr Flüchtlinge als andere Länder in
Europa aufgenommen – da sei es legitim, auch über den Familiennachzug zu
diskutieren. Am Sonntag hatten sich bereits CSU-Chef Horst Seehofer und
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) de Maizières Vorstoß
angeschlossen.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte die SPD in der Bild-Zeitung vom
Dienstag vor einer Blockade und forderte sie zur Kooperation auf. „Wir
brauchen von der SPD jetzt ein Zeichen der Vernunft, keine Blockade“, sagte
Scheuer. „Unbegrenzter Familiennachzug würde Deutschland weiter
überfordern.“ Ein eingeschränkter Schutz würde auch Abstriche beim
Familiennachzug bedeuten.
Die SPD wird nach den Worten von Generalsekretärin Fahimi jeden Vorschlag
ernsthaft prüfen, ob er humanitären Ansprüchen, internationalen
Verpflichtungen und einem Praxistest gerecht wird. „Es geht uns nicht um
eine grundsätzliche ideologische Ablehnung eines Vorschlags“, sagte sie.
Aus Sicht der SPD ist der Familiennachzug bei Syrern derzeit konkret nicht
relevant, weil die Betroffenen wegen des Staus bei den Asylanträgen diesen
nicht beantragen könnten. Das Thema könnte erst „in vielen Monaten“ akut
werden, erläuterte Fahimi. „Zum jetzigen Zeitpunkt wird es von der SPD eine
solche pauschale Zustimmung nicht geben.“
## Schwesig: „Nicht jeden Tag eine neue Sau“
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) rätselt, welche Linie die
Union beim Umgang mit syrischen Flüchtlingen verfolgt. „Ich bin gar nicht
sicher, ob dass jetzt wirklich die Linie ist“, sagte sie am Dienstag im
Deutschlandfunk. Sie verlasse sich auf das Wort von Flüchtlingskoordinator
Peter Altmaier (CDU), dass sich an der bisherigen Praxis nichts ändere.
Schwesig forderte von der Union, in der Regierung erst einmal das
umzusetzen, was beschlossen wurde, „und nicht jeden Tag eine neue Sau
durchs Dorf treiben“. Wenn die Union nun auch bei Syrern den
Familiennachzug einschränken wolle, dann halte sie das für problematisch.
„Der Schutz der Familie steht für uns sehr weit oben“, das gelte auch für
Flüchtlinge. Verfolge Deutschland diese restriktive Linie, würden viele
Männer künftig ihre Frauen und Kinder sofort mitnehmen auf ihrem
schwierigen Fluchtweg. Das werde den Zustrom eher ausweiten.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte der Zeitung Die
Welt vom Dienstag, anstatt immer neue Vorschläge zu diskutieren, „sollten
wir endlich das eigentliche Kernproblem lösen“. So dauerten die
Asylverfahren viel zu lang, außerdem wachse der Aktenstau von Tag zu Tag.
Jäger forderte die Regierung daher auf, die Bedingungen für schnellere
Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu schaffen.
So sei vor allem „ausreichend Personal“ nötig. Während das Bundesamt einen
Antrag bearbeite, landeten zwei weitere auf dem Aktenberg. „Länder und
Kommunen stöhnen unter dieser Last“, sagte Jäger der Zeitung.
Nach Ansicht de Maizières muss die EU mehr Flüchtlinge verteilen und
schneller die dafür nötigen Aufnahmezentren (Hotspots) im Süden Europas
errichten. Er sagte am Montag beim Sondertreffen der EU-Innenminister in
Brüssel, die umstrittene, aber beschlossene Verteilung von 160.000
Flüchtlingen komme „sehr schleppend in Gang. Das muss besser werden.“ Auch
die EU-Kommission pocht auf mehr Tempo.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte angesichts der
Flüchtlingskrise vor einem Zerfall der EU. „Das kann unheimlich schnell
gehen, wenn Abschottung statt Solidarität nach innen wie nach außen die
Regel wird“, sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur. „Dieser falsche
Nationalismus kann zu einem richtigen Krieg führen.“
10 Nov 2015
## TAGS
Thomas de Maizière
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
Syrische Flüchtlinge
Familiennachzug
Asyl
Flüchtlinge
Asylrecht
Horst Seehofer
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Thomas de Maizière
Schwerpunkt Rassismus
Thomas de Maizière
SPD
Union
Boris Palmer
Thomas de Maizière
Schwerpunkt Flucht
Thomas de Maizière
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorschläge für nächstes Asylpaket: Nun Gesetze im Eilverfahren?
Im Rennen um striktere Vorschriften macht auch die SPD mit. Ihr Parteichef
fordert, anerkannten Asylbewerbern ihren Wohnort vorzuschreiben.
Kommentar zu Abschiebungen: Die neue Härte fordert Opfer
Das Asylrecht schafft eine Zweiklassengesellschaft der Geflüchteten.
Hauptsache die Statistik stimmt, die Humanität bleibt dabei auf der
Strecke.
Kommentar Asylrechtsverschärfung: Pustekuchen
Die Große Koalition will Asylverfahren binnen drei Wochen erledigen. Doch
sie macht ihre Rechnung ohne die zuständige Behörde.
Kommentar Seehofers Reaktion auf Paris: Die neuen Töne des ewigen Eskalierers
Endlich hat Horst Seehofer den Ernst der Lage erkannt und beschwört nun
eifrig den Koalitionsfrieden. Die eigene Wiederwahl motiviert ihn.
Kommentar Merkels christliche Werte: Jesus statt Alois
Darf sich die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage auf die christliche
Botschaft berufen? Oberkatholik Alois Glück sagt: nein. Und das ist falsch.
Kommentar Schäubles Lawinen-Satz: Merkels Menetekel
Die Wortwahl Wolfgang Schäubles ist mehr als eine sprachliche
Fühllosigkeit. Mit ihr rückt er deutlich hörbar von der Kanzlerin ab.
Rückkehr des Dublin-Verfahrens: De Maizière erbost Opposition
Die Rückkehr zum Dublin-Verfahren bei Syrern verblüfft alle. Die SPD
spricht von „Chaostagen“ in der Union. Merkel will wieder nichts gewusst
haben.
Debatte Flüchtlinge: Das Frauenbild mancher Rassisten
Wenn Frauenrechte zur Flüchtlingsabwehr herhalten, mischen sich Sexismus
und Rassismus. Gefahren für Flüchtlingsfrauen werden nicht beachtet.
Kommentar De Maizières Dublin-Vorstoß: Intrigant und sinnlos
Die Anordnung zum Dublin-Verfahren ist der zweite Alleingang de Maizières
in kurzer Zeit. Die praktische Wirkung dürfte begrenzt sein.
Flüchtlingspolitik der SPD: Sigmar Gabriels Hintertürchen
Die SPD empört sich über den CDU-Schwenk beim Familiennachzug für Syrer.
Nicht jeder SPD-Wähler teilt die Kritik.
Flüchtlingszoff in der Union: Meuterei auf der „Merkel“
Erst war die CDU gegen de Maizières Idee, für Syrer den Familiennachzug zu
begrenzen. Nun stimmen ihm alle zu.
Flüchtlingsdebatte bei den Grünen: Oberbürgermeister „seehofert“ zu viel
Boris Palmer hat sich erneut in die Schusslinie seiner Parteikollegen
manövriert. Er hatte sich gegen den Familiennachzug bei Flüchtlingen
ausgesprochen.
Schutzstatus syrischer Flüchtlinge: Schäuble unterstützt de Maizière
Der Vorstoß des Innenministers sorgt für viele Reaktionen. Sigmar Gabriel
ist dagegen, Horst Seehofer wenig überraschend dafür. Und der
FDP-Vorsitzende?
Kommentar de Maizières Asylvorstoß: Integration ist nicht zeitlich begrenzt
Wer mit Integration erst beginnt, wenn sich abzeichnet, dass die
Flüchtlinge bleiben, vergeudet deren Zeit. Und die Chancen der ganzen
Gesellschaft.
Flüchtlingspolitik von de Maizière: Asyl ist großzügiger
Der Unterschied zwischen subsidiärem Schutz und Asyl? Asylberechtigte
Flüchtlinge bekommen schneller ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.