# taz.de -- Rückkehr des Dublin-Verfahrens: De Maizière erbost Opposition | |
> Die Rückkehr zum Dublin-Verfahren bei Syrern verblüfft alle. Die SPD | |
> spricht von „Chaostagen“ in der Union. Merkel will wieder nichts gewusst | |
> haben. | |
Bild: Entscheidet im Alleingang: Thomas de Maizière. | |
Berlin taz | Die Rückkehr zum „Dublin“-Verfahren für syrische | |
Bürgerkriegsflüchtlinge stößt bei SPD, Grünen und Fachleuten auf blankes | |
Entsetzen. | |
Der Menschenrechtsverband Pro Asyl warf Bundesinnenminister Thomas de | |
Maizière (CDU) vor, „ein integrationspolitisches Fiasko“ anzurichten. Die | |
aufwendigen Einzelfallprüfungen würden das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge (BAMF) lahmlegen und die Unsicherheit der Betroffenen über | |
ihren Rechtsstatus um Jahre verlängern. Und der Vorsitzende der | |
Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, kritisiert, der Vorstoß de | |
Maizières sei „ein hilfloser Versuch, der Bevölkerung Sand in die Augen zu | |
streuen und Stammtischparolen zu bedienen“. | |
Am Dienstag hatte das Bundesinnenministerium überraschend mitgeteilt, die | |
Dublin-Regeln würden seit Ende Oktober auch wieder für Syrer gelten – | |
[1][außer wenn sie zuerst in Griechenland registriert wurden]. Sie könnten | |
dann in das europäische Land zurückgeschickt werden, in dem sie erstmals | |
den Boden der EU betreten haben. Mit seinen Partnern hatte de Maizière | |
diese Entscheidung zuvor aber offensichtlich nicht abgesprochen. | |
Merkel macht trotzdem gute Miene zum bösen Spiel. Die Rückkehr zum | |
Dublin-Verfahren stellt nach Ansicht von Vizeregierungssprecherin | |
Christiane Wirtz keine Abkehr vom bisherigen Kurs der Kanzlerin dar. „Es | |
hat nichts damit zu tun, dass in irgendeiner Form die politische Richtung | |
sich geändert hat und irgendwie die Willkommenskultur oder Ähnliches sich | |
verändert hätte“, sagte Wirtz am Mittwoch in Berlin. | |
Merkel selbst und Kanzleramtsminister Peter Altmaier seien aber nicht | |
informiert gewesen, gab sie zu. „Das ist auch kein Faktum, über das im | |
Einzelnen dann das Kanzleramt oder eben die Bundeskanzlerin persönlich | |
informiert werden müsste“, behauptete sie. | |
## Geht gar nicht | |
Dafür räumt das Innenministerium inzwischen ein, dass viele Flüchtlinge gar | |
nicht in andere EU-Ländern zurückgeschickt werden können, weil sie dort | |
nicht registriert wurden. Außerdem wollen die meisten Länder sie nicht | |
zurück. De Maizières Sprecher Johannes Dimroth erklärte, die neue Regelung | |
werde zwar längst nicht alle Flüchtlinge betreffen, aber es werde „auch | |
keine verschwindend geringe Zahl von Menschen“ sein. | |
Die SPD ist empört und wirft dem Koalitionspartner mangelnde Absprache vor. | |
„Chaostage“ und ein „Tohuwabohu“ herrschten bei CDU und CSU. „Wir hab… | |
keine Koalitionskrise. Wir haben eine Unionskrise“, sagte die | |
parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine | |
Lambrecht. De Maizières (CDU) Alleingang sei „aberwitzig“, in der Union | |
herrsche ein offener Machtkampf: „Das hat nichts mehr mit einem | |
verantwortungsbewussten Handeln zu tun.“ Und der SPD-Vize Ralf Stegner | |
prophezeite, de Maizière werde damit in der Innenministerkonferent der | |
Länder scheitern. | |
Linkspartei und Grüne sprechen ebenfalls von „blankem Chaos“, so Simone | |
Peter: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei „jetzt schon | |
unterbesetzt und überlastet“. Es brauche keinen zusätzlichen | |
Bürokratieaufwand, sondern endlich einfachere Verfahren und mehr Personal“. | |
Auch BAMF-Chef Hans-Jürgen Weise soll von der Entscheidung überrascht | |
gewesen sein, heißt es aus SPD-Kreisen. | |
## Nicht nur Kritik | |
Doch es gibt auch Lob. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster sagte, | |
es sei „ein Fehler“ gewesen, seit Ende August auf Einzelfallprüfungen | |
verzichtet zu haben. Die Rückkehr zu Dublin-Verfahren sei der „richtige | |
Weg“. Auch der Städte- und Gemeindebund NRW hält den Kursschwenk des Bundes | |
angesichts der Überlastung vieler Kommunen für richtig. Der Zustrom von | |
Flüchtlingen müsse begrenzt werden, die Aufnahmekapazitäten seien begrenzt, | |
betonte dessen Geschäftsführer Bernd Schneider. | |
Auch Österreichs konservative Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lobte | |
den Schritt ihres deutschen Amtskollegen: Dies sei „eine Rückkehr zur | |
Vernunft“, sagte sie dem ZDF. Auf dieses Signal habe man „in den letzten | |
Wochen gewartet“. | |
11 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Fluechtlingspolitik-in-Deutschland/!5250780/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Thomas de Maizière | |
Asyl | |
Dublin-System | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
Asyl | |
Schwerpunkt Flucht | |
Thomas de Maizière | |
SPD | |
Flüchtlinge | |
Thomas de Maizière | |
Union | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Reform des Asylsystems: EU-Kommission legt „Optionen“ vor | |
Wie weiter mit Dublin? Die Rechte der Asylsuchenden sollen EU-weit | |
harmonisiert werden. Dazu hat die EU-Kommission Vorschläge erarbeitet. | |
Innenminister der Länder zu Flüchtlingen: Einzelfallprüfung auch für Syrer | |
Aus Sicherheitsgründen: Asylanträge von Syrern sollen wieder von Fall zu | |
Fall entschieden werden. Afghanische Flüchtlinge sollen in „sichere | |
Gebiete“ zurückkehren. | |
BAMF-Personalrat stützt de Maizière: Flüchtlingsamt für mehr Einzelprüfung | |
Der Personalrat des BAMF rügt die bisherige verkürzte Prüfung bei syrischen | |
Asylbewerbern. Diese sei „nicht rechtsstaatlich“. | |
SPD-Vorschlag zur Personalnot: Bundeswehr an die Flüchtlingsfront | |
Pensionierte Soldaten sollen laut SPD für Flüchtlinge dolmetschen und | |
Asylanträge bearbeiten. Derweil hat sich Wolfgang Schäuble deutlich im Ton | |
vergriffen. | |
Schweden führt Grenzkontrollen ein: Das Ende des unkontrollierten Reisens | |
Gemessen an der Einwohnerzahl hat Schweden in Europa die meisten | |
Flüchtlinge aufgenommen. Nun hat die Regierung reagiert und Grenzkontrollen | |
eingeführt. | |
Kommentar De Maizières Dublin-Vorstoß: Intrigant und sinnlos | |
Die Anordnung zum Dublin-Verfahren ist der zweite Alleingang de Maizières | |
in kurzer Zeit. Die praktische Wirkung dürfte begrenzt sein. | |
Flüchtlingspolitik der SPD: Sigmar Gabriels Hintertürchen | |
Die SPD empört sich über den CDU-Schwenk beim Familiennachzug für Syrer. | |
Nicht jeder SPD-Wähler teilt die Kritik. | |
Flüchtlingspolitik in Deutschland: Zurück, außer nach Griechenland | |
Syrische Geflüchtete werden wieder nach dem Dublin-Verfahren in ihr | |
EU-Einreiseland zurückgeschickt. Nur wenige wurden dort aber registriert. | |
Familiennachzug für syrische Flüchtlinge: Koalitionsstreit um Asylgesetz | |
Innenminister de Maizière schart mit seiner Idee zum begrenzten | |
Familiennachzug für Syrer immer mehr Fans in CDU und CSU hinter sich. Die | |
SPD hält dagegen. | |
Flüchtlingszoff in der Union: Meuterei auf der „Merkel“ | |
Erst war die CDU gegen de Maizières Idee, für Syrer den Familiennachzug zu | |
begrenzen. Nun stimmen ihm alle zu. |