# taz.de -- Kommentar De Maizières Dublin-Vorstoß: Intrigant und sinnlos | |
> Die Anordnung zum Dublin-Verfahren ist der zweite Alleingang de Maizières | |
> in kurzer Zeit. Die praktische Wirkung dürfte begrenzt sein. | |
Bild: Entscheidet gern ohne Absprache: Innenminister Thomas de Maizière. | |
Schon seit dem 21. Oktober soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
(BAMF) wieder prüfen, ob ein anderer Staat für das Asylverfahren syrischer | |
Flüchtlinge zuständig ist. Das Dublin-Verfahren, das Ende August ausgesetzt | |
worden war, wird also wieder angewandt. Das hat Innenminister Thomas de | |
Maizière (CDU) angeordnet – scheinbar ohne die Kanzlerin und andere | |
Regierungsmitglieder darüber zu unterrichten. | |
Das ist nun schon das zweite Mal binnen weniger Tage, dass ein Alleingang | |
de Maizières ans Licht kommt. [1][Ende letzter Woche] wurde bekannt, dass | |
de Maizière schon Tage zuvor das BAMF angewiesen hatte, bei syrischen | |
Flüchtlingen wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sie als verfolgte | |
Flüchtlinge anerkannt werden oder „subsidiären Schutz“ vor dem syrischen | |
Bürgerkrieg erhalten. Bis dahin hatten sie pauschal den besseren | |
Asyl-Status bekommen. | |
In beiden Fällen hatte de Maizière, wie es aussieht, nicht nur darauf | |
verzichtet, sich in der Regierung abzustimmen. Er hat seine Alleingänge | |
sogar tage- und wochenlang geheim gehalten. Man muss sich das mal | |
vorstellen: [2][Während die Koalitionsspitzen über eine Neuausrichtung der | |
Asylpolitik verhandeln], hat der Innenminister diese schon eigenmächtig | |
selbst verändert. Unter normalen Umständen wäre das wohl ein | |
Entlassungsgrund. Das wird sich Merkel derzeit aber nicht trauen. Geht es | |
nur darum, zu zeigen, dass die Kanzlerin und ihr Flüchtlingskoordinator | |
Altmaier nichts mehr zu sagen haben? | |
Die praktische Wirkung von de Maizières Maßnahme dürfte jedenfalls ziemlich | |
begrenzt sein. [3][Nach Griechenland wird weiterhin kein syrischer | |
Flüchtling zurückgeschickt]. Flüchtlinge, die sich nicht registrieren | |
ließen, können auch sonst nirgends hin geschickt werden. Und Syrer, die zum | |
Beispiel in Slowenien registriert wurden, könnten nach den Dublin-Regeln | |
zwar dorthin überstellt werden. Erforderlich wäre dazu aber das | |
Einverständnis Sloweniens, mit dem unter den derzeitigen Umständen kaum zu | |
rechnen ist. | |
## Was soll das alles? | |
Soweit ersichtlich ist seit dem 21. Oktober auch kein syrischer Flüchtling | |
in das Land seiner EU-Einreise zurückgeschickt worden. Es wäre sogar | |
kurzsichtig, eine solche Rückübernahme durchzusetzen. Slowenien würde | |
sofort aufhören, Flüchtlinge zu registrieren. Und die für die | |
Bundesregierung so wichtigen EU-Verhandlungen über eine neue Verteilung der | |
Flüchtlinge wären schon im Ansatz torpediert. | |
Was also soll das alles? Wollte de Maizière nur ein Zeichen setzen, dass es | |
so nicht mehr weitergeht? Mag sein. Aber warum dann so heimlich? Zunächst | |
ist das Ganze nur eine sinnlose Arbeitsbeschaffung für das ohnehin völlig | |
überlastete Bundesamt. | |
## Einst integer, jetzt eher intrigant | |
Zumindest sind laut Innenministerium keine Zurückweisungen direkt an der | |
Grenze geplant. Solche Abweisungen an der Grenze wären nach den | |
Dublin-Regeln zwar rechtswidrig. Aber konservative Juristen tüfteln schon | |
lange an Begründungen, warum dies im Ausnahmezustand doch möglich wäre. | |
Und was hätte de Maizière gemacht, wenn Seehofer vorige Woche seine | |
Transitzonen durchgesetzt hätte? Gab es vielleicht geheime Absprachen mit | |
der CSU? Inzwischen ist de Maizière vieles zuzutrauen. Einst war er | |
integer, heute wirkt er eher intrigant. | |
11 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Asylvorstoss-des-Innenministers/!5249142/ | |
[2] /Asyleinigung-der-Grossen-Koalition/!5246190/ | |
[3] /Fluechtlingspolitik-in-Deutschland/!5250780/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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