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# taz.de -- Slowenien baut Grenzzaun zu Kroatien: Von Viktor Orban lernen
> Die slowenische Regierung dementiert, die Grenze zum südlichen Nachbarn
> zu schließen. Die Rhetorik deutet jedoch auf eine Verschärfung hin.
Bild: Slowenische Grenzsicherung südlich der Ortschaft Gibina.
Berlin taz | Als der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban seinen
slowenischen Amtskollegen Miro Cerar in der vergangenen Woche anlässlich
des „Tags der ungarischen Minderheit“ in der slowenischen Grenzstadt
Lendava traf, fand der Ungar gewohnt drastische Worte.
Mit Blick auf die Flüchtlinge auf ihrem Weg über den Balkan beschwor Orban
„Europas christliche Wurzeln“ und die Verantwortung beider Länder, diese zu
schützen. „Wir sind gebunden durch unsere Vergangenheit und durch unsere
gemeinsame Sorge um die Zukunft. Unser Handeln wird entscheiden, ob wir an
den Folgen der Geschichte leiden oder ob wir selber Geschichte schreiben
werden.“
Cerar kommentierte das in Lendava noch nicht, scheint sich aber auf dem
Treffen den einen oder anderen Rat Orbans zu Herzen genommen zu haben. Am
Dienstag dieser Woche verkündete er in Ljubljana, dass Slowenien
„technische Sicherungsmaßnahmen“ an der Grenze zu Kroatien errichten werde.
Nicht, um die Grenze zu schließen, wie Cerar betonte, sondern um „eine
Streuung der Migranten zu verhindern und einen geregelten Strom der neuen
Ankunftswelle zu sichern.
Staatspräsident Borut Pahor wurde ebenfalls schon in der vergangenen Woche
deutlicher, was die zumindest mittelbare Motivation der
Grenzsicherungsmaßnahmen angeht. Pahor erklärte es zur Staatsraison, zu
verhindern, dass sich die Grenze des Schengenraumes im Zuge der
Flüchtlingsbewegungen von der slowenischen Südgrenze an die österreichische
verschiebe.
Angesichts der deutschen Pläne um die Wiederanwendung der Dublinregeln und
wiederholte Gerüchte um Stauungen an der deutsch-österreichischen Grenze
werden in Slowenien sehr aufmerksam wahrgenommen. Die Meldung, dass
Österreich zumindest informell eine Verringerung der Durchlässigkeit seiner
Grenze ankündigt, dürfte zur Sorge in Ljubljana beigetragen haben, dass die
nördlichen Nachbarn ihrerseits die Grenzen schließen könnten.
## Lob aus Österreich
Kaum begann die slowenische Armee am Mittwoch mit der Errichtung von
Stacheldrahtzäunen nahe der Grenzdörfer Gibina und Rigonce, lobte denn auch
die österreichische Inninministerin Johanna Mikl-Leitner: „Damit beweisen
unsere Nachbarn, dass sie verantwortungsvoll mit unserer gemeinsamen
Außengrenze umgehen und haben dafür unsere volle Unterstützung“. Auch die
deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich positiv zum
slowenischen Vorgehen.
Die bis zu zwei Meter hohen Zäune werden vorerst nur an zwei Brennpunkten
aufgestellt, da die slowenisch-kroatische Grenze insgesamt durch viele
geografische Barrieren kaum zun massenhaften Grenzübertritten einlädt. Vor
allem in der Gegend um Rigonce jedoch ist die Grenze zwischen Wiesen,
Feldern und sanften Hügeln mehrfach von Hunderten Flüchtlingen aus Kroatien
überquert worden. Jedoch sind laut verschiedenen Medienberichten auch
lokale Behörden in schwerer zugänglichen Grenzregionen bereits über einen
geplanten zweiten Schritt der umfassenden Sicherung in Kenntnis gesetzt.
Harte Kritik am Vorgehen der slowenischen Regierung kommt derweil von
mehreren slowenischen humanitären Organisationen. In einer gemeinsamen
Erklärung kritisieren sie vor allem Präsident Pahor, der Menschlichkeit und
Mitgefühl mit Blick auf die Anerkennung durch andere EU-Staaten gänzlich
über Bord werfen wolle. Parlamentarische Kritik üben einzig die sechs
Abgeordneten der „Vereinigten Linken“, die die Maßnahmen als „unangemess…
und anti-humanitär“ bezeichnen.
Tatsächlich müssen Flüchtlinge auf dem Weg zwischen Griechenland und
Slowenien nun bald damit rechnen, an einer der Grenzen ohne weitere
Versorgung länger zu stranden. Noch sind die Temperaturen auf der Route
ungewöhnlich mild für die Jahreszeit. Bei gleichbleibenden
Flüchtlingszahlen ist jedoch spätestens mit dem Wintereinbruch eine
humanitäre Katastrophe zu erwarten.
In der vergangenen Woche erreichten im Durchschnitt 6.000 Menschen täglich
Slowenien. Die Tendenz ist derzeit leicht steigend. Die slowenische
Regierung erwartet in den kommenden Tagen eine deutliche Zunahme, was von
kroatischer Seite bislang nicht bestätigt wird.
11 Nov 2015
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
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Slowenien
Ungarn
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