| # taz.de -- Transitzonen in Deutschland: Asyl im Schnellverfahren | |
| > CDU und CSU wollen Geflüchtete schon an der Grenze aussortieren. Sieben | |
| > Antworten auf Fragen zu Transitzonen. | |
| Bild: Noch sind es nur Modellfiguren, die eine „Transitzone“ bevölkern, ba… | |
| Was ist der Sinn der Transitzonen, über die die Koalition diskutiert? | |
| Diejenigen Flüchtlinge, die absehbar keine Bleibeperspektive in der | |
| Bundesrepublik haben, sollen gar nicht erst in Deutschland verteilt werden. | |
| Vielmehr soll ihr Asylverfahren bereits an der Grenze durchgeführt werden. | |
| Wer in der Großen Koalition ist für, wer gegen Transitzonen? | |
| Der Vorschlag stammt von den Christsozialen. Die Christdemokraten stimmten | |
| zu, um Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu besänftigen. Die | |
| Sozialdemokraten lehnen das Konzept als „nicht zu Ende gedacht“ ab. | |
| Für wen sollen die Transitzonen gelten? | |
| In einem ersten Entwurf von CDU-Innenminister Thomas de Maizière von Mitte | |
| September war vorgesehen, dass bei allen Flüchtlingen gleich an der | |
| Bundesgrenze geprüft wird, ob ihre Anträge unzulässig oder offensichtlich | |
| unbegründet sind. Das lehnt nicht nur die SPD ab, es würde auch den Aufbau | |
| von Riesenlagern in Grenznähe erfordern. Laut CDU/CSU-Papier vom Wochenende | |
| soll das Transitzonenverfahren deshalb nun auf vier Gruppen von | |
| Antragstellern beschränkt werden: aus „sicheren Herkunftsstaaten“, mit | |
| Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und „ohne Mitwirkungsbereitschaft“. | |
| Sollen die Transitzonen auch für diejenigen Flüchtlinge gelten, die auf dem | |
| Weg nach Deutschland bereits in anderen EU-Staaten registriert wurden? | |
| Die CSU wollte an der Grenze auch prüfen, ob der Asylantrag in Deutschland | |
| unzulässig ist, weil nach den so genannten Dublin-Regeln ein anderer | |
| EU-Staat zuständig ist. Das wäre theoretisch möglich – aber eine | |
| Überstellung ist unrealistisch. Slowenien etwa wird nicht bereit sein, alle | |
| dort registrierten Flüchtlinge zurückzunehmen. Ein solcher Affront würde | |
| auch jede gütliche Einigung über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb | |
| der Europäischen Union torpedieren. | |
| Wird es in den deutschen Transitzonen Asylverfahren geben? | |
| Ja, dort soll es normale Asylverfahren geben. Die Flüchtlinge werden also | |
| angehört und können dabei alle für das Asyl relevanten Gründe vorbringen. | |
| Am Ende würde wie üblich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
| entscheiden. Anwälte und humanitäre Organisationen müssten natürlich Zugang | |
| zu den Transitzonen erhalten. Im De-Maizière-Entwurf war zudem vorgesehen, | |
| dass die Anhörung durch geschulte Bundespolizisten erfolgen soll. | |
| Ist eine Inhaftierung der Flüchtlinge in der Transitzone erforderlich? | |
| Der De-Maizière-Entwurf sah vor, dass alle Flüchtlinge in den Transitzonen | |
| inhaftiert werden können. Selbst die CSU ist hiervon inzwischen abgerückt. | |
| „Niemand soll inhaftiert werden“, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann | |
| vorige Woche im Landtag, „die Flüchtlinge können gehen, wohin sie wollen – | |
| nur nicht nach Deutschland einreisen.“ | |
| Können Flüchtlinge den Transitzonen ausweichen, indem sie über die grüne | |
| Grenze einreisen? | |
| Ja. Es wurde deshalb schon diskutiert, ob die ganze Bundesrepublik mit | |
| Stacheldraht umzäunt werden muss. Realistischer ist, dass nur solche | |
| Flüchtlinge Sozialleistungen wie Unterkunft und Essen erhalten, die über | |
| Transitzonen einreisen. Dann könnte der Anreiz groß genug sein, sich dort | |
| freiwillig zu melden. | |
| Wie lange soll ein Asylverfahren in der Transitzone dauern? | |
| De Maizières Entwurf sah vor, dass das Verfahren an der Grenze binnen einer | |
| Woche abgeschlossen sein soll. Wenn dies nicht gelingt, sollte das | |
| Asylverfahren im Inland fortgesetzt werden. EU-Recht schreibt vor, dass | |
| Asylverfahren in Transitzonen binnen vier Wochen abgeschlossen sein müssen. | |
| Was soll mit Antragsstellern passieren, die im Transitzonenverfahren | |
| abgelehnt werden? | |
| Es gibt je nach Art der Ablehnung drei Möglichkeiten: Sie bleiben in | |
| Österreich. Oder sie werden ins Land der Registrierung geschickt. Oder sie | |
| werden in den Herkunftsstaat gebracht, wenn ihnen dort keine Gefahr droht. | |
| Alle Alternativen setzen voraus, dass der betroffene Staat einverstanden | |
| ist. Die als „sicher“ eingestuften Westbalkanstaaten sind bereit, ihre | |
| Bürger zurückzunehmen, selbst wenn diese keine Papiere mehr haben. Wenn die | |
| Rückführung über einen Flughafen erfolgt, müssten die abgelehnten | |
| Asylbewerber von der Grenze erst dorthin gebracht werden. | |
| Wie schnell könnten Transitzonen eingerichtet werden? | |
| Erforderlich wäre eine gesetzliche Regelung und der Aufbau von | |
| Einrichtungen zur Befragung und Unterbringung von Hunderten oder Tausenden | |
| Flüchtlingen an jedem relevanten Grenzübergang. Beides dürfte binnen | |
| weniger Wochen möglich sein, zunächst aber sicher nicht besser | |
| funktionieren als das bisherige System. | |
| Können Transitzonen dauerhaft eingerichtet werden? | |
| Nein. Da Transitzonen mit Grenzkontrollen verbunden sind, gelten die | |
| gleichen zeitlichen Beschränkungen. Laut Schengener Grenzkodex sind | |
| vorübergehende Grenzkontrollen maximal zwei Jahre lang möglich. Die EU | |
| versteht sich eigentlich als Raum ohne Binnengrenzen. | |
| Was schlägt die SPD vor? | |
| Die SPD schlägt ein dezentrales Netz von Einreisezentren vor. In jedem Land | |
| soll es mindestens ein derartiges Zentrum geben, in dem die Flüchtlinge | |
| registriert und dann weiterverteilt werden. Wer sich nicht ordentlich | |
| registrieren lässt, soll weniger Sozialleistungen und „erhebliche Nachteile | |
| im Asylverfahren“ erhalten. Die Einreisezentren sollen an bereits | |
| bestehende Erstaufnahmeeinrichtungen angeschlossen werden. | |
| 2 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Transitzonen | |
| Deutschland | |
| Österreich | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Flüchtlinge | |
| Abschiebung | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Flüchtlinge | |
| Horst Seehofer | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| SPD | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flüchtlinge auf der Westbalkanroute: Österreich baut auch einen Zaun | |
| Täglich kommen auf Lesbos 3.300 Flüchtling an. Ihre Weiterreise wird | |
| fraglicher. Im Norden der Balkanroute entstehen neue Grenzsperrungen. | |
| Slowenien baut Grenzzaun zu Kroatien: Von Viktor Orban lernen | |
| Die slowenische Regierung dementiert, die Grenze zum südlichen Nachbarn zu | |
| schließen. Die Rhetorik deutet jedoch auf eine Verschärfung hin. | |
| Debatte Asylpolitik: Im Schatten der Überforderung | |
| Die „Flüchtlingskrise” ist keine Krise der Ressourcen, sondern eine des | |
| Willens. Sie ist inszeniert. Warum bleiben die HelferInnen | |
| politikabstinent? | |
| Ohne Mampf kein Kampf: Die Suppenküchen-Aktivistin | |
| Johanna Jung ist eine von vier AktivistInnen vom Weißekreuzplatz in | |
| Hannover, die nach Slowenien fahren wollen um an der Grenze zu kochen. | |
| Horst Seehofer erklärt sich zum Sieger: Die Fütterung | |
| In Berlin erzählt Seehofer bei Weißwurst, dass er in der Flüchtlingsfrage | |
| triumphiert hat. Das dauert so lange, bis die Wurstpellen vertrocknet | |
| waren. | |
| Kommentar Flüchtlingspolitik: Das Recht, nein zu sagen | |
| Man kann eine Begrenzung der Flüchtlingszuwanderung fordern, ohne wie die | |
| AfD zu klingen. Deutschland kann nicht Endstation Nummer eins sein. | |
| Merkel befürchtet militärische Konflikte: „Dinge, die wir alle nicht wollen… | |
| Im Koalitionsstreit über den Umgang mit Flüchtlingen ist kein Ende in | |
| Sicht. Merkel warnt sogar vor militärischen Auseinandersetzungen. | |
| Streit über Transitzonen: SPD soll „Bockigkeit“ aufgeben | |
| Union und SPD können sich nicht über sogenannte Transitzonen für | |
| Flüchtlinge einigen. Die SPD schlägt stattdessen offene Einreisezentren | |
| vor. | |
| Kommentar Asylpolitik der Koalition: Eine Kampfansage an die SPD | |
| CDU und CSU einigen sich auf die von der SPD kritisierten Transitzonen. Es | |
| ist ein Teilsieg für Horst Seehofer – und mies für das Binnenklima der | |
| Koalition. | |
| Nach dem Koalitionsgipfel zu Flüchtlingen: Unionsspitze beharrt auf Transitzon… | |
| CDU und CSU einigen sich nach langen Verhandlungen auf das weitere | |
| Vorgehen. Außen vor bleibt für den Moment der sozialdemokratische | |
| Koalitionspartner. |