# taz.de -- Horst Seehofer erklärt sich zum Sieger: Die Fütterung | |
> In Berlin erzählt Seehofer bei Weißwurst, dass er in der Flüchtlingsfrage | |
> triumphiert hat. Das dauert so lange, bis die Wurstpellen vertrocknet | |
> waren. | |
Bild: Horst Seehofer macht es spannend - bis die Pelle platzt. | |
BERLIN taz | Horst Seehofer isst nichts. Als am Dienstagvormittag in der | |
Bayerischen Landesvertretung die Terrinen mit den frischen Weißwürsten auf | |
die gedeckten Tische gewuchtet werden, sitzt der CSU-Vorsitzende vorn an | |
der Stirnseite und beobachtet aufmerksam die Journalisten. | |
Bayerns Ministerpräsident ist nach Berlin gekommen, um seine Sicht der | |
Dinge darzulegen. Er will die Medien mit Informationen füttern. Und die | |
Medien greifen zu. Informationen sind eine Ware in der Politik, zumal in | |
einer Woche wie dieser: Sonntag Koalitionstreffen, Montag Gremiensitzungen | |
der Parteien, Dienstag Fraktionssitzung der Union, Mittwoch Kabinett, | |
Donnerstag Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten. | |
Bei dieser hohen Schlagzahl gewinnt man gern die Hoheit über den | |
Meinungsraum. Zumal wenn man Horst Seehofer heißt und dem zuletzt | |
entstandenen Eindruck entgegentreten möchte, man habe mit dem | |
flüchtlingspolitischen Papier der Union nichts durchgesetzt. | |
Normalerweise empfängt hier in der Landesvertretung während der | |
Sitzungswochen des Bundestags die CSU-Landesgruppenchefin Gerda | |
Hasselfeldt. Es gibt Weißwürste, Brezn, Wasser, Saft und Kaffee. In der | |
Ecke wacht eine bronzene Büste des bayerischen Übervaters Franz Josef | |
Strauß. An diesem Dienstag sitzt schräg vor ihm sein Nachfolger Horst | |
Seehofer. Die Weißwürste sind ganz frisch. Die Journalisten greifen zu. | |
Daran, wann sie das Besteck aus der Hand legen, um mitzuschreiben, kann man | |
ablesen, wann Seehofer etwas Spannendes sagt. | |
## Meist ist es spannend. | |
In seiner unnachahmlich Seehofer-Art erläutert der CSU-Chef das phänomenale | |
Ausmaß seines Triumphes in der Flüchtlingsfrage. Sein Tonfall ist pastoral, | |
und wenn er möchte, dass man ihm das Gesagte tatsächlich abnimmt, baut er | |
kleine Luftpausen in seine Sätze sein. Etwa wenn er – ohne den Namen Sigmar | |
Gabriel zu nennen – von „Trompetenstößen“ spricht, die so unterwegs sei… | |
Oder wenn er vor dem Merkel-Gabriel-Seehofer-Treffen am Donnerstag zur | |
Einigung mahnt, um dann nachzuschieben: „Das war jetzt kein Ultimatum, das | |
ist eine Selbstverpflichtung.“ | |
Seehofer spricht lange. Er mahnt, sich der Verantwortung gegenüber der | |
Öffentlichkeit bewusst zu sein: „Wir haben doch nix von Polarisierungen.“ | |
In den Terrinen schwimmen mittlerweile grau die Würste; dort, wo sie aus | |
dem Wasser ragen, bilden sich erste gelbe Ränder, als Seehofer von seiner | |
engen Beziehung zur Kanzlerin berichtet. „Wir müssen reden, Angela“, habe | |
er ihr gesagt. Und dass sie am Sonntag im Kanzleramt selbst die Blätter | |
herbeigeschafft habe, um darauf das gemeinsame Papier von CDU und CSU zu | |
entwerfen. „Das war eine Formulierungsolympiade“, lobt Seehofer die | |
Bundeskanzlerin. | |
## Gabriel wollte der Ringrichter sein | |
Hingegen der SPD-Vorsitzende. Der habe beim Showdown im Kanzleramt gemeint, | |
er käme zu einer Art Informationsveranstaltung, bei der er nur den | |
Ringrichter zwischen Streitenden geben müsse. „Das hat er nicht so | |
angetroffen“, freut sich Horst Seehofer hörbar. Nun ja, nicht ein jeder | |
könne sich auf so eine neue Situation schnell einstellen. | |
Es ist diese faszinierende Mischung aus Information und Meinung, aus | |
Hoffahrt und Misstrauen, die diesen Pressetermin mit Horst Seehofer so | |
lecker macht. Eifrig wird mitgeschrieben. Auf den Tellern vertrocknen die | |
Wurstpellen, als er seine Bayern zu Opfern der politischen Meinung macht. | |
Die ganze Zeit habe er recht gehabt mit dem, was er in der Flüchtlingsfrage | |
angemahnt habe. Die ganze Zeit. | |
Und die SPD? Bewusst verunglimpfe sie das bayerische Konzept aus Hilfe, | |
Integration und Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Dabei handele es sich bei | |
den Transitzonen doch erkennbar nicht um „Haftanstalten“. | |
An dem Begriff solle eine Einigung aber nicht scheitern. Er habe | |
vorgeschlagen, dass man die Einrichtungen notfalls nach einem „namhaften | |
SPD-Politiker“ benennen könne – „vielleicht Stegner-Haus“. In zwei Tag… | |
will man sich zusammenraufen. Wie das gehen soll, wird an diesem Vormittag | |
immer unklarer. | |
3 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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