# taz.de -- Kommentar Schäubles Lawinen-Satz: Merkels Menetekel | |
> Die Wortwahl Wolfgang Schäubles ist mehr als eine sprachliche | |
> Fühllosigkeit. Mit ihr rückt er deutlich hörbar von der Kanzlerin ab. | |
Bild: Auf Distanz: Schäuble und Merkel. | |
Monatelang war Wolfgang Schäuble der Mann weniger Worte an Angela Merkels | |
Seite. Brav hatte der Bundesfinanzminister gegen seine eigene Überzeugung | |
die Milliarden für Griechenland durchgeboxt. Und als wegen des | |
Flüchtlingszuzugs die Frage aufkam, wie das alles bezahlt werden solle, | |
beschwichtigte er, am Geld werde die Sache jedenfalls nicht scheitern. | |
Doch jetzt scheitert „die Sache“ möglicherweise an Schäuble selbst. Aus | |
Merkels Mann ist binnen weniger Wochen Merkels Menetekel geworden. Gerade | |
hat der einflussreiche Unions-Politiker die nach Deutschland kommenden | |
[1][Flüchtlinge als „Lawine“ bezeichnet]. Ausgelöst würden Lawinen | |
bekanntlich, „wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang | |
geht und ein bisschen Schnee bewegt“. Es war deutlich, dass mit diesem | |
Skifahrer niemand anderes als die Kanzlerin gemeint sein konnte. | |
Man könnte dieses Bild einordnen in die Reihe jener sprachlichen | |
Fühllosigkeiten, die in diesen Monaten durch die Berichterstattung | |
geistern. Wo im Zusammenhang mit Menschen auf der Flucht von Wellen, Fluten | |
und Strömen gesprochen wird, da ist die Lawine nicht weit. Die neue | |
deutsche Härte findet ihren Ausdruck natürlich auch in instinktlosen | |
Sprachbildern. | |
Aber in diesem Konzert der Zweifler, Nörgler, Entmutiger ist Wolfgang | |
Schäuble eine besonders wichtige Stimme. Merkels loyaler Kassenverwalter | |
rückt deutlich hörbar von der Chefin ab. Erst Ende Oktober hatte er vor der | |
versammelten Unions-Fraktion erklärt, die Stimmung an der Basis sei | |
„dramatisch“ schlecht. Am Sonntag stellte er sich vor Innenminister Thomas | |
de Maizière, der den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge zur Disposition | |
gestellt hatte. Er, Schäuble, halte das „für eine notwendige Entscheidung�… | |
Deutschlands Aufnahmekapazität sei „nicht unbegrenzt“. Unbegrenzt, das ist | |
sprachlich ganz nah an der Obergrenze, jenem Wort, das Merkel sich | |
beharrlich weigert, in den Mund zu nehmen. | |
## Schlacht der Wörter | |
Die erbittert ausgetragene Schlacht der Wörter zeigt überdeutlich, wie | |
unerfahren die CDU in der Kunst des Streitens ist. In einer Partei, in der | |
bis vor kurzem schon das Heben einer Augenbraue der Vorsitzenden als | |
Zeichen äußerster Verstimmung interpretiert wurde, scheut man die offene | |
Auseinandersetzung. | |
Bis jetzt mag das funktioniert haben. Eine 43-Prozent-Partei konnte sich | |
Kritik verbitten. Doch nun, da täglich tausende Flüchtlinge ins Land | |
kommen, funktioniert das nicht mehr. Die CDU braucht eine, auch öffentliche | |
Selbstverständigung über ihre Prinzipien, über das C im Parteinamen. Dass | |
sie das ausgerechnet übt, wenn es um Notleidende geht, ist tragisch. | |
Tragisch für die Flüchtlinge. | |
12 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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