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# taz.de -- Kommentar Merkels christliche Werte: Jesus statt Alois
> Darf sich die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage auf die christliche
> Botschaft berufen? Oberkatholik Alois Glück sagt: nein. Und das ist
> falsch.
Bild: Im Namen des Herren: Alois Glück.
Die Sache ist im Grunde recht einfach. Wer sich auf Jesus Christus beruft,
sollte nachschauen, was der so gesagt hat, und das ist in Bezug auf
Flüchtlinge oder Fremde eindeutig: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr
habt mich aufgenommen“, so hat Matthäus die Worte Jesu in einer zentralen
Stelle des Evangeliums überliefert (zum Nachlesen: Kapitel 25).
Jesus hat nicht gesagt: Aufgenommen werden sollte nur der Flüchtling, der
den Kriterien von „Dublin II“ genügt – oder nur die Person, die nicht aus
einem „sicheren Drittstaat“ eingewandert ist. Nein, dieser 2.000 Jahre alte
Satz, wie so viele Sätze des armen Wanderrabbis aus Galiläa, ist radikal.
Er fordert etwas von allen Menschen, die sich Christinnen und Christen
nennen. Billig und einfach ist es nicht, Christin und Christ zu sein – wenn
man denn die Botschaft Jesu ernst nimmt.
Nun beruft sich Angela Merkel bei ihrer Flüchtlingspolitik auch auf ihre
christlichen Überzeugungen und auf das berühmte „C“ im Namen der
Unionsparteien – und allein die Tatsache, dass diese gängige Formulierung
„das ‚C‘ im Namen“ so verhuscht daher kommt, zeigt, wie schwer sich die…
und CSU mit diesem Anspruch tun, wenn es mal konkret wird.
Die Lage vieler Flüchtlinge ist überaus konkret, um es hart zu sagen: Sie
sterben auf der Flucht nach Deutschland, und dass noch kein Kind an der
Grenze zur Bundesrepublik vor Kälte oder Erschöpfung umgekommen ist, grenzt
an ein Wunder, wie die Helferinnen und Helfer etwa im Raum Passau immer
wieder sagen. Manche von ihnen sind übrigens auch aufgrund ihrer
christlichen Überzeugung aktiv, ebenso wie viele Kirchengemeinden im Land,
wenn sie Flüchtlingen helfen oder sie sogar aufnehmen.
## Im Kern schäbig und peinlich
Vor diesem Hintergrund ist es im Kern schäbig und peinlich, wenn der
scheidende Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois
Glück, die Kanzlerin mit Verweis auf christliche Werte öffentlich dafür
kritisiert, wie sie ihre Flüchtlingspolitik ausgestaltet.
Die ist nämlich nicht so restriktiv ist wie die Begrenzungs-Appelle, die
seit Wochen aus der CSU kommen – der Partei, in der Glück über Jahrzehnte
an führender Position in Bayern aktiv war. Angela Merkel ist keine
Super-Christin, Gott sei Dank, aber sie hat die Radikalität der Botschaft
Jesu besser verstanden als Alois Glück, der in den vergangenen Jahren
hauptamtlich, wenn auch unbezahlt Katholik war (und dabei eigentlich gar
keine schlechte Arbeit gemacht hat).
Aus einer christlichen Überzeugung heraus Politik zu machen bedeutet nicht,
naiv zu sein, alle Menschen nur für gut zu halten und jedem sofort die
andere Wange hinzuhalten. Wenn allerdings eine Politikerin aus gutem Grund
und nach klugem Abwägen dazu kommt, dass das Evangelium für sie in dieser
Situation eine schwierige, mühevolle und mutige Entscheidung auch in der
Flüchtlingspolitik verlangt, dann sollten gerade christliche Polit-Rentner
wie Alois Glück dies respektieren – vor allem dann, wenn sie selbst keine
konkrete Verantwortung in der Politik mehr tragen.
Man muss in der Flüchtlingspolitik nicht mit Jesus von Nazareth
argumentieren, der den Evangelien zufolge auch nicht immer wusste, wohin er
abends sein Haupt zum Schlafen niederlegen sollte. Man kann es aber. Und
wenn Angela Merkel dies trotz aller Widerstände noch in einer
vergleichsweise radikalen und mutigen Weise tut, ist das aller Ehren wert.
13 Nov 2015
## AUTOREN
Philipp Gessler
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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christliche Werte
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CDU Hamburg
Schwerpunkt Flucht
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