# taz.de -- Flüchtlingspolitik der Hamburger CDU: „Fürchtet euch nicht“ | |
> Cemile Giousouf spricht bei einem Diskussionsabend zur Flüchtlingspolitik | |
> der CDU. Offener Rassismus ist aus dem Publikum nicht zu hören. | |
Bild: Cemile Giousouf bei einer CDU-Konferenz in Berlin. | |
HAMBURG taz | „Jesus Christus sagt: Fürchtet euch nicht“, sagt Dietrich | |
Wersich zu den Zuhörern. Und dann: „Und ich fürchte mich nicht vor diesen | |
Menschen.“ Wersich, Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft mit | |
CDU-Parteibuch, eröffnet an diesem Novemberabend die Diskussion in | |
Winterhude. Statt aufgebrachter Wutbürger haben sich honorige Hanseaten in | |
der örtlichen Parteizentrale eingefunden. Es soll hier, in dieser | |
gediegenen Villa, um diese Frage gehen: „Was schaffen wir eigentlich?“ Das | |
Was meint natürlich die Flüchtlinge – das Wir die Christlich Demokratische | |
Union Deutschlands. | |
Und weil es in eben dieser CDU gerade mächtig geknirscht hat in der | |
Flüchtlingsfrage, haben sich die Hamburger Cemile Giousouf aufs Podium | |
geladen. Giousouf ist seit zwei Jahren die Integrationsbeauftragte der | |
CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und die Politologin aus Nordrhein-Westfalen ist | |
auch die erste und bislang einzige Muslima in ihrer Fraktion. Allein damit | |
hat sie Parteigeschichte geschrieben. Kaum war sie 2013 über einen guten | |
Listenplatz in den Bundestag gewählt worden, kürte die Fraktion sie zu | |
ihrer integrationspolitischen Sprecherin. Und als diese sitzt sie nun hier | |
in Hamburg. | |
Dass es Streit geben könnte, ist nicht zu erwarten. Auf dem Podium säßen ja | |
ausschließlich „Leute, die für Flüchtlinge arbeiten“, hat Cemile Giousouf | |
im Vorgespräch gesagt. Und tatsächlich ist das so. Neben ihr sitzt der | |
Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt, der in seinem | |
Privathaus Eritreer aufgenommen hat und dafür von Rechten bedroht wurde. | |
Außerdem Pastor Prince Ossai Okeke, der in Hamburg seit langem | |
Abschiebehäftlinge betreut und sich für die Lampedusa-Mahnwache am | |
Hamburger Hauptbahnhof einsetzt. | |
Ganz außen: Karin Prien und Stephan Gamm. Beide sitzen für die CDU in der | |
Hamburger Bürgerschaft. Für Prien, die flüchtlingspolitische Sprecherin | |
ihrer Fraktion, ist das hier der fünfte Abendtermin in dieser Woche. Zum | |
immer selben Thema. Flüchtlinge. Sie ist eine von jenen CDU-PolitikerInnen, | |
die sich vor Ort beleidigen und bedrohen lassen für die Flüchtlingspolitik | |
der Kanzlerin. | |
## Die Union demonstriert Handlungsbereitschaft | |
An diesem Abend soll es eher um eine Verständigung darüber geben, wo die | |
Basis der CDU aktuell steht, jetzt, da die von ihrer Partei geführte | |
Bundesregierung die Daumenschrauben für Flüchtlinge anzieht. | |
Residenzpflicht, Abschiebungen, der Streit um den Familiennachzug – die | |
Union demonstriert Handlungsbereitschaft, man ist bereit, die lange | |
angekündigten „hässlichen Bilder“ zu riskieren. Cemile Giousouf ist an | |
diesem Abend das Gesicht der Union. Nun, sagt sie vor den vierzig | |
ZuhörerInnen, gehe es an die komplexe Aufgabe der Integration von | |
Flüchtlingen. Die meisten wollten hierbleiben. „Wie viele, das wissen wir | |
noch nicht. Aber wenn wir diese Leute hier integrieren, müssen wir uns wohl | |
irgendwann fragen, ob wir sie überhaupt wieder gehen lassen wollen“. | |
In Berlin hat der Bundesinnenminister kurz zuvor erklärt, auch für syrische | |
Flüchtlinge den Aufenthaltsstatus begrenzen und den Familiennachzug | |
verhindern zu wollen. Giousouf sieht das mit Sorge. Aber für sie steht | |
längst nicht mehr die Frage im Mittelpunkt, wer alles noch hierher kommt, | |
sondern wie die Ankömmlinge integriert werden können. Unter den Diskutanten | |
– vorn auf dem Podium als auch im Publikum – steht im Fokus, „wie wir als | |
Union die Bevölkerung zusammenhalten können“, sagt CDU-Mann Wersich. Das | |
klappe nur, wenn die Partei die Mitte stärkt und wenn sie respektiert, dass | |
Menschen Angst vor Veränderungen haben. | |
Was wie Wortstanzen klingt, ist für die CDU überlebenswichtig. Die Partei | |
mit dem C im Namen muss sich mühen, ihre Leute nicht nur bei der Stange zu | |
halten – sie muss sie auch dazu bringen, mitzuhelfen. Das ist man in dieser | |
bürgerlichen Partei nicht gewohnt, noch nicht. Flüchtlingsarbeit, Gesicht | |
zeigen – das war doch stets die Aufgabe der Linken. | |
Aber die Zeiten sind andere geworden, und gerade das christliche | |
Menschenbild der CDU wird nun auf die Probe gestellt. Dass sich in der | |
Regierung der Innenminister abseits der Kommunikationslinie begibt, | |
beschreibt recht gut das identitäre Chaos der Regierungspartei. Helfen ja, | |
gerne – aber wo bleibt der Staat, der endlich regelt, was zu regeln ist? | |
Sogar der Bundesinnenminister schlingert seit Monaten den Ereignissen | |
hinterher, statt sie anzupacken. | |
„Ganz vieles geht ja schon“, sagt Cemile Giousouf mit Blick auf das | |
Asylbeschleunigungspaket und die GroKo-Absprache vom Donnerstag letzter | |
Woche. „Aber es wird nicht umgesetzt.“ Auf die Frage der Zuhörer, wie lange | |
das deutsche Chaos noch anhalten werde, bleibt sie die Antwort schuldig. | |
„Ich habe keine Glaskugel“, sagt die Fachfrau für Integrationspolitik, und | |
dass es irgendwann eine Entspannung der Lage geben werde, vor allem für die | |
Flüchtlinge selbst. Irgendwann, tja. Giousouf ist zufrieden mit dem Abend, | |
ein guter, kluger Austausch sei das hier. Bei anderen Veranstaltungen, sagt | |
sie, „sprechen Leute offen ihren Rassismus aus“. Von der linken Saalwand | |
schaut aufmunternd Angela Merkel aus ihrem Bilderrahmen. | |
9 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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