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# taz.de -- Kommentar Asylrechtsverschärfung: Pustekuchen
> Die Große Koalition will Asylverfahren binnen drei Wochen erledigen. Doch
> sie macht ihre Rechnung ohne die zuständige Behörde.
Bild: Ein syrisches Flüchtlingskind spielt Bundesregierung
Anfang November haben sich die Parteivorsitzenden der großen Koalition auf
ein neues Paket von [1][Verschärfungen im Asylrecht geeinigt]. Jetzt hat
das Innenministerium einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt. Im Kern geht
es um beschleunigte Asylverfahren, aber vermutlich wird dieser Plan an der
Überlastung der Behörden scheitern.
Neu eingeführt wird vor allem ein „beschleunigtes Verfahren“, bei dem das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über Asylanträge mit
geringen Erfolgsaussichten binnen einer Woche entscheiden soll. Bei
Ablehnung des Antrags kann innerhalb einer weiteren Woche geklagt werden.
Über die aufschiebende Wirkung der Klage soll das Verwaltungsgericht dann
in einer dritten Woche entscheiden. Das Verfahren würde also binnen drei
Wochen abgewickelt, während das BAMF heute im Schnitt mehr als fünf Monate
braucht.
Vermutlich sind das aber nur hohle Ankündigungen. Wahrscheinlich dauert es
weiterhin schon einige Wochen bis der Antragssteller überhaupt registriert
und einer „besonderen Aufnahmeeinrichtung“ zugewiesen wird. Dann wird das
BAMF in der Regel wegen Überlastung die Ein-Wochen-Frist nicht einhalten
können, denn auch im beschleunigten Verfahren muss jeder Antragsteller
individuell mit seinen Argumenten angehört werden. Am Ende wird der
Antragsteller also doch im normalen Verfahren landen.
Sollte das BAMF wider Erwarten doch binnen einer Woche entscheiden, können
sich aber beim Verwaltungsgericht Verzögerungen ergeben. Denn das Gericht
kann bei „außergewöhnlicher Belastung“ seine Ein-Wochen-Frist beliebig oft
verlängern.
## Ungezügelte Ausweitung
Das beschleunigte Verfahren war ursprünglich vor allem für Antragsteller
aus so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ gedacht, insbesondere aus den
Westbalkan-Staaten Kosovo und Albanien. Nun ging die Zahl der Asylanträge
aus diesen Ländern aber schon vor den jüngsten Gesetzsverschärfungen stark
zurück. Sie machen nur noch knapp drei Prozent aller Anträge aus. Deshalb
wurde das beschleunigte Verfahren nun für eine Vielzahl anderer
Antragssteller geöffnet, etwa für Leute, die angeblich ihren Pass
vernichtet haben oder die völlig irrelevante Begründungen für ihr
Asylgesuch abgegeben haben sollen.
[2][Pro Asyl befürchtet bereits], dass die Sonderprozedur zum
„Standardverfahren“ wird. Doch das überlastete BAMF dürfte gar kein
Interesse am zusätzlichen Erledigungsdruck haben und die Zahlen im
Eilverfahren letztlich doch eher klein halten. Die Anerkennungs-Chancen für
Asylsucher werden dadurch aber nicht unbedingt besser.
Geplant ist, dass es fünf „besondere Aufnahmeeinrichtungen“ geben soll,
davon zwei in Bayern, die schon in Betrieb sind. Die Flüchtlinge werden
dort zwar nicht inhaftiert, sie haben jedoch mit Sanktionen zu rechnen,
wenn sie sich unerlaubt in andere Städte begeben. Dann wird das
Asylverfahren einfach eingestellt. Beim ersten Mal ist das zwar nur ein
Warnschuss, denn der Antragsteller kann ohne Begründung eine Wiederaufnahme
des Verfahrens erreichen. Beim zweiten Mal droht aber schon die
Abschiebung, gegen die allerdings noch geklagt werden kann.
Diese Einschränkung der Mobilität wäre nicht so dramatisch, wenn das
Eilverfahren wie geplant tatsächlich nach drei Wochen abgeschlossen wäre.
Wenn es aber länger dauert, ist es einfach unpassend und unverhältnismäßig,
Verstöße gegen das Reiseverbot mit einer Ablehnung des Asylantrags zu
ahnden. Auch die SPD wird das wohl nicht mehr wegverhandeln, schließlich
hat sie diese seltsame Verknüpfung Anfang Juli selbst vorgeschlagen - um
auf einem Nebenschauplatz Härte zu zeigen.
19 Nov 2015
## LINKS
[1] http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/NEWS/2015/Beschluss_GroKo_05-11-2015…
[2] http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/asylpaket_ii_frontalangriff_auf_d…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Asylrecht
Große Koalition
Schwerpunkt Flucht
Abschiebung
Pro Asyl
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt Flucht
Thomas de Maizière
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Winfried Kretschmann
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