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# taz.de -- Mangel an Flüchtlingsunterkünften: Amt schickt Menschen auf die S…
> Entgegen der Aussage des Sozialsenators im Parlament werden Flüchtlinge
> derzeit nicht vom Amt untergebracht. Traglufthallen als Notunterkunft
> eröffnet.
Bild: Wenigstens warm und trocken: Am Freitag eröffnete die Stadtmission in Mo…
Im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das für die Erstaufnahme
von Flüchtlingen in Berlin zuständig ist, wird offenbar tagtäglich Recht
gebrochen. Wie die taz erfuhr, werden neu ankommende Flüchtlinge seit etwa
Anfang November ohne jegliche – gesetzlich vorgeschriebene – Unterstützung
in die Obdachlosigkeit geschickt.
Während zunächst noch Hostelgutscheine ausgegeben wurden, werden
Flüchtlinge mittlerweile ohne Geld, Unterkunft oder Krankenscheine auf die
Straße geschickt. Betroffen sind etwa 250 Menschen pro Tag. So viele neue
Asylsuchende kommen derzeit täglich nach Berlin.
Auch der Flüchtlingsrat hat Kenntnis von dieser Praxis des Lageso – und
nennt sie einen „eklatanten Rechtsverstoß“: Nach deutschem Asylgesetz wie
EU-Flüchtlingsrecht bestehe „die gesetzliche Pflicht, diese Menschen
aufzunehmen und unterzubringen“, so Martina Mauer im taz-Interview.
Dass Berlin derzeit keine neuen Flüchtlinge aufnimmt, hatte Sozialsenator
Mario Czaja (CDU) am Mittwoch im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses
bestätigt. Grund seien Masern- und Windpockenepidemien in mehreren
Flüchtlingsheimen, die unter Quarantäne gestellt wurden und daher niemanden
mehr aufnehmen könnten. Asylsuchende würden aber in andere Bundesländer
weitergeleitet oder sie bekämen Hostelgutscheine, so Czaja. Widerspruch kam
noch während der Sitzung von Lageso-Personalrätin Karin Busch. Sie
bestätigte die Informationen von taz und Flüchtlingsrat: Andere
Bundesländer nähmen auch nicht auf, ihre KollegInnen müssten Neuankömmlinge
in die Obdachlosigkeit schicken.
Nach Informationen der taz gilt das auch für Familien mit Kindern, Kranke
oder Schwangere. Die Menschen bekommen bei der Erstvorsprache im Lageso
neue Termine. Teils in einer Woche bis zehn Tagen – wo sie bis dahin
überleben, bleibt ihnen überlassen.
Dabei sind laut Manfred Nowak, Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt
Mitte, die alle sechs Erstaufnahmeheime betreibt, nur zwei von den
Erkrankungen betroffen. Laut Flüchtlingsrat haben dort zudem nur „jeweils
eine Handvoll Kinder“ Masern oder Windpocken. Weshalb die Heime, die je aus
mehreren Gebäuden bestünden, komplett isoliert würden, sei daher nicht
nachvollziehbar. Nowak sieht das genauso: „Doch wir haben entsprechende
Auflagen des Gesundheitsamtes.“
Der Flüchtlingsrat spricht angesichts dessen von „politischen Masern“: Es
ginge in Wirklichkeit offenbar „um die Durchsetzung der berechtigten
Forderung nach mehr Personal für das Lageso“, so Georg Classen. „Es ist
aber ein politischer Skandal, wenn dies auf dem Rücken der Asylsuchenden
geschieht, denen die Aufnahme verweigert wird.“
Das Lageso bleibt auf taz-Anfrage bei der Darstellung, Asylbegehrende
würden „mit wenigen Ausnahmen“ in andere Bundesländer verteilt. Nur in
„Einzelfällen“ hätten weder Plätze in Gemeinschaftsunterkünften oder
Hostels angeboten werden können: „Wir begrüßen es daher außerordentlich,
dass die Berliner Stadtmission heute bereits Unterbringung und Beratung in
den Traglufthallen am Poststadion anbieten kann“, sagte Lageso-Sprecherin
Silvia Kostner der taz.
Tatsächlich wurde am Freitag die erste von zwei Traglufthallen als
Notunterkunft eröffnet. Für den Nachmittag wurden dort knapp 30 Flüchtlinge
erwartet, auch am Samstag und Sonntag könnten etwa je 30 Menschen
aufgenommen werden, sagte Ortrud Wohlwend, Sprecherin der Berliner
Stadtmission. Die Hallen, die mit Warmluft aufrechterhalten werden, seien
gedacht für Flüchtlinge, die noch keinen Asylantrag stellen konnten.
Maximal drei Nächte sollten sie hier bleiben, und dann in eine
Aufnahmeeinrichtung verteilt werden.
Die beiden Hallen, die Ende April wieder abgebaut werden sollen, haben
Schlafkabinen mit je drei Stockbetten, Stehlampe und Tisch. In der
größeren, die 75 mal 25 Meter misst, gibt es eine Kantine,
Aufenthaltsbereiche mit Sofas und eine Kinderspielecke. 14 Beschäftigte
würden sich um die Ankommenden kümmern, so Wohlwend: „Die Menschen sollen
sich hier willkommen fühlen.“
28 Nov 2014
## AUTOREN
Alke Wierth
Susanne Memarnia
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