# taz.de -- Kommentar zum Asylgesetz: Was wir schaffen | |
> Die Vorschläge zur verschärften Asylpolitik reichen von populistisch bis | |
> potenziell verfassungswidrig. Der Debatte fehlt es an Prioritätensetzung. | |
Bild: Die Bundeskanzlerin will ihre große Einladung an die Flüchtlinge mit Ge… | |
Pünktlich zum 1. Oktober scheint das „Septembermärchen“ vorbei zu sein, | |
über das sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und viele andere | |
noch vor kurzem freuten. Die neuesten Nachrichten zur Flüchtlingspolitik | |
klingen wie lauter fiese Wecktöne, die den weltoffenen Teil Deutschlands | |
aus einem schönen Traum reißen. | |
Der Innenminister droht, Asylanträge künftig schon direkt an den Grenzen | |
abzulehnen. Der Bundestag beschließt weitere Verschärfungen, bei denen | |
nicht klar ist, ob sie wirklich etwas an den Flüchtlingszahlen ändern, ob | |
sie schlicht populistisch oder sogar verfassungswidrig sind. Klar ist nur, | |
dass außer den Linken fast alle zustimmen werden – auch bei den Grünen. | |
Muss das die Menschen verzagen lassen, die hier Zuflucht suchen, und jene, | |
die ihnen helfen wollen? War jetzt alles falsch, was über die | |
Willkommenskultur gesagt wurde? Natürlich nicht. Tausende Bürger zeigen | |
weiter große Hilfsbereitschaft und es wäre doch gelacht, wenn sie sich | |
davon durch ein paar Gesetzesänderungen abbringen ließen. | |
Wer jedoch das Merkel-Motto „Wir schaffen das“ als uneingeschränkte | |
Aufnahmebereitschaft der deutschen Politik interpretierte, merkt jetzt: Die | |
gibt es nur im Märchen. Was genau wir schaffen, hat Merkel schlauerweise | |
nie gesagt. Viele hörten im Sommer nur noch den freundlichen Teil ihrer | |
Reden. Dass sie auch damals schon deutlich machte, man könne leider nicht | |
alle aufnehmen und Abschiebungen seien leider nötig, ging oft unter. Es ist | |
politisch nachvollziehbar, dass Merkel dieses Missverständnis jetzt durch | |
demonstrative Gegenmaßnahmen korrigiert. Man kann von einer CDU-Kanzlerin | |
kaum ernsthaft verlangen, dass sie eine Politik betreibt, die im In- und | |
Ausland als Einladung an alle missverstanden wird. | |
Die Verschärfungen muss man kritisch prüfen – auf ihren Sinn und ihre | |
Verfassungstreue. Aber reflexartig und komplett ablehnen? Auch 75 Prozent | |
der Grünen-Wähler befürworten die Einstufung der Balkanstaaten als sichere | |
Länder. Wohl eher nicht aus Fremdenhass, sondern aus dem Wunsch heraus, | |
weiter Platz zu haben für Menschen, die am dringendsten Schutz brauchen. | |
Wie es ohne eine solche Prioritätensetzung dauerhaft gehen soll, wenn | |
teilweise 10.000 Menschen an einem Tag ankommen, hat noch niemand | |
überzeugend erklärt. | |
1 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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