# taz.de -- Initiative für mehr Willkommenskultur: Ein bisschen Diepgen für d… | |
> Sozialsenator Czaja holt Expolitiker, die zwischen Anwohnern und | |
> Flüchtlingen vermitteln sollen. In Moabit wartet eine Traglufthalle auf | |
> Asylbewerber. | |
Bild: Na also, geht doch! | |
Sozialsenator Mario Czaja (CDU) baut vor. Damit angesichts neuer | |
Flüchtlingsunterkünfte die Konflikte mit Anwohnern vor Ort nicht weiter | |
eskalieren, hat er sich Verstärkung durch Polit-Oldies organisiert. Im | |
Roten Rathaus präsentierte er am Montag stolz einen neu gegründeten | |
„Berliner Beirat für Zusammenhalt“: Der ehemaligen Bürgermeister Eberhard | |
Diepgen (CDU), Exjustizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) und die ehemalige | |
Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) erklärten ihre Bereitschaft, sich für | |
eine „Stärkung der Willkommenskultur“ zu engagieren. Mit von der Partie ist | |
auch Exsozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke). Sie war am Montag | |
allerdings wegen Krankheit verhindert. | |
„Diese vier Persönlichkeiten vertreten den überparteilichen Konsens, wenn | |
es um das verfassungsmäßige Recht auf Asyl geht“, erklärte Czaja. Das wird | |
zurzeit immer häufiger in Anspruch genommen: Berlin erwarte in diesem Jahr | |
insgesamt 12.000 Flüchtlinge, die Zahl der Asylbewerber habe sich in den | |
letzten zwei Jahren vervierfacht, so der Senator. | |
Unterkünfte werden dringend gesucht. In verschiedenen Stadtteilen sollen in | |
Kürze Containerdörfer entstehen, etwa in Buch, Lichtenberg und | |
Lichterfelde. Nachbarn beschwerten sich, sie seien in die Planungen nicht | |
einbezogen worden. „Es ist mir ein Anliegen, bei der Kommunikation mit | |
Anwohnern besser zu werden“, sagte Czaja. | |
Der neue Beirat soll ihn dabei unterstützen. Angesiedelt wird das Gremium | |
beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. 100.000 bis 150.000 Euro stellt Czaja | |
für die Arbeit des Beirats zur Verfügung. Da der Senator die Runde erst vor | |
ein paar Tagen zusammengetrommelt hat, ist noch nicht klar, wie sie genau | |
arbeiten wird. Von der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Parteien erhoffen | |
sich Czaja und der Beirat aber offenbar Zugang zu unterschiedlichen | |
Milieus. | |
„Nicht jeder, der sich gegen ein Containerdorf mit 450 Bewohnern | |
ausspricht, ist ein Neonazi“, sagte Diepgen. Wenn es in der Nachbarschaft | |
eines neuen Flüchtlingsheims Gesprächsbedarf gebe, sei er gerne bereit zu | |
kommen – allerdings ohne Öffentlichkeit. „Die Gespräche sollen | |
vertrauensvoll geführt werden.“ So hofft der ehemalige Regierende, die | |
Menschen davon überzeugen zu können, dass eine Stadt in der Größenordnung | |
Berlins sehr wohl eine große Zahl Flüchtlinge integrieren kann. | |
Der Grüne Wieland wiederum sieht seine Aufgabe darin, mit den | |
Flüchtlingsunterstützern Kontakt aufzunehmen. „Mein Part ist es, mit denen | |
zu reden, die Willkommensschilder hochhalten und schauen, ob mehr möglich | |
ist.“ Worte und Taten müssten in Übereinstimmung gebracht werden, sagte er. | |
Ingrid Stahmer relativierte die Ereignisse, indem sie von ihrer Zeit als | |
Sozialsenatorin erzählte. 1989 und 1990 kamen über 100.000 Flüchtlingen | |
nach Berlin, sie habe damals Turnhallen beschlagnahmen müssen, erzählt sie. | |
„Insofern darf uns das heute nicht erschüttern.“ | |
Czaja betonte auf der Pressekonferenz, dass der jetzige Senat eine | |
Unterbringung in Zelten oder Turnhallen ablehne. In Moabit stehen nun zwei | |
Traglufthallen bereit, in die noch diese Woche Flüchtlinge ziehen sollen. | |
Die mobilen Hallen, in denen bis zu 300 Menschen Platz finden können, | |
befinden sich am nördlichen Ende des Poststadions, nahe der Zentralen | |
Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Turmstraße. Sie sollen als | |
„Überlaufventil“ für die vollen Erstaufnahmestellen dienen. „Das ist als | |
temporäre Notunterbringung gedacht, um Obdachlosigkeit zu verhindern“, | |
sagte Regina Kneiding, Sprecherin der Sozialverwaltung. Nur wenige Tage | |
sollen die Menschen in den Hallen verbringen. | |
Bis Ende Mai sollen die beiden Aufblaszelte auf dem eingezäunten Rasenplatz | |
bleiben. Die Notunterkunft betreibt die Berliner Stadtmission, die bereits | |
am Freitag zu einer Anwohnerversammlung einlud. Etwa 60 Interessierte | |
kamen, um die Hallen zu besichtigen. Auf Tageslicht und Frischluft müssen | |
die künftigen Bewohner verzichten. Im Inneren gibt es abgetrennte | |
6-Personen-Holzkuben mit Stockbetten und Schrank. | |
Ob die Hallen im Mai tatsächlich wieder abgebaut werden, bleibt abzuwarten. | |
Czaja jedenfalls rechnet mit einem weiteren Zustrom von Flüchtlingen: „Wir | |
sind nicht am Ende einer Entwicklung, sondern am Anfang.“ | |
24 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
Antje Lang-Lendorff | |
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