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# taz.de -- Artgerechte Tierhaltung in Bremen: Bürger fordern Billigfleischbre…
> Gestützt auf 5.383 Unterzeichner für einen Bürgerantrag will ein Bündnis
> die Stadt Bremen zwingen, die Kantinenverpflegung umzustellen.
Bild: Nicht artgerecht gehalten? Weg damit! Bremer Initiative will Kantinenesse…
BREMEN taz | Die Bremische Bürgerschaft muss sich mit der Forderung
auseinandersetzen, Billigfleisch aus öffentlichen Kantinen der Stadt zu
verbannen. Das hat das Agrarpolitische Bündnis Bremen (ABB, siehe Kasten)
mit einem Bürgerantrag erzwungen: Das von der Landesverfassung dafür
vorgegebene Quorum von 4.000 BefürworterInnen zu erfüllen, war laut dessen
Sprecher Peter Bargfrede „mit nicht mehr als zehn Unterschriftensammlern“,
die seit April unterwegs waren, geglückt: „Wir haben 5.383 gezählt.“
Sollten die Forderungen vom Parlament unterstützt werden, wäre Bremen die
erste Stadt Deutschlands mit einer offiziellen Billigfleischbremse.
Am Donnerstag übergaben Bargfrede und seine MitstreiterInnen ihr
Unterschriftenpaket an den Parlamentspräsidenten Christian Weber (SPD) zur
Prüfung. Seit Einführung 1994 ist es das zwölfte Mal, dass ein Bürgerantrag
in Bremen eingereicht wird und es ist der zweite, seitdem das Quorum auf
4.000 UnterstützerInnen für kommunale und 5.000 für landespolitische
Belange jeweils etwa halbiert wurde.
Konkret fordert der ABB-Antrag, dass die Stadt bereits ab 1. Januar dort,
wo sie selbst, etwa bei Rathaus-Empfängen, als Gastgeberin auftritt, auf
tierische Produkte ausschließlich aus artgerechter Haltung zurückgreifen
solle.
Bis Ende 2015 müsse der Senat in der Bürgerschaft einen Aktionsplan
vorlegen, wie bis spätestens 2020 die gesamte öffentliche Verpflegung – von
Kita- und Krankenhausküchen über Schul- und Hochschulmensen bis zu
Behördenkantinen – aus dem Verbrauch von Produkten einer industriellen
Massentierhaltung aussteigen könne.
Auch dann, wenn deren Betrieb durch private Caterer gewährleistet wird.
„Gerade für die Gesundheit der Kinder sehe ich die Stadt in der
Verantwortung“, betont Bargfrede. „Nach unseren Vorstellungen sollte das
auch den Fleischkonsum reduzieren“, stellte Jutta Draub-Ketelaar klar.
Probleme bereiten könnte die Beschaffung: Die Landwirtschaft tut sich
naturgemäß schwer dabei, auf einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage zu
reagieren. „Von einem Tag auf den anderen kann Bremen nicht auf artgerecht
erzeugtes Fleisch umstellen“, sagt auch Rolf Ahrenholz, der aus dem
Landkreis Verden die Bremer Initiative unterstützt. „Wir gehen deshalb auch
von einer schrittweisen Einführung aus.“
Gleichwohl bereiten dem Bündnis die eigenen Fristen mittlerweile Sorge:
„Dass bis Dezember ein richtig durchdachter Aktionsplan vorliegt, kann man
im November eigentlich nicht mehr verlangen“, räumt Bargfrede ein.
Ursprünglich sei man davon ausgegangen, dass eine gesetzlich vorgesehene
Online-Zeichnung des Antrags möglich wäre. Daran habe sich der Zeitplan
orientiert. „Wenn die Politik sich jetzt hinter diesen Fristen verstecken
würde, um den Antrag für unzulässig zu erklären, wäre das aus unserer Sicht
arg formalistisch.“
Tatsächlich dürfte es Rot-Grün schwerfallen, das zu rechtfertigen. Denn ihr
Koalitionsvertrag verbreitet sich im Unterkapitel „Ernährung“ seitenlang
über das Ziel einer „ökologisch-sozialen Transformationspolitik“ und den
wünschenswerten Einsatz regionaler, saisonaler Lebensmittel aus
nachhaltigem Anbau. Bremen betreibe dabei, „um Zeichen zu setzen“, eine
„Politik mit dem Einkaufskorb“, verspricht der Vertrag.
Allerdings: Der Vertrag bleibt dabei recht unkonkret – und bei den
ABB-Aktiven weckt das ungute Erinnerungen an die vergangene Legislatur.
Denn auch in der hatten SPD und Grüne versprochen, „auf den biologischen
Landbau, artgerechte Tierhaltung, die Regionalvermarktung“ zu setzen und
durch ein „Projekt Biostadt“ zur regionalen, umweltbewussten und gesunden
Ernährung beizutragen.
Als diese frommen Wünsche jedoch durch die Grünenfraktion in einen Antrag
gegossen worden waren, wollte der große Partner damit nichts mehr zu tun
haben. Er wurde nach interfraktioneller Beratung kassiert.
„Deshalb machen wir das ja“, sagt Draub-Ketelaar. Dabei dürfte sowohl die
durch die Warnung der Weltgesundheitsorganisation neu entfachte Diskussion
über den überhöhten Fleischkonsum die Chancen fürs Anliegen verbessern.
Andererseits hat man sich bemüht, der begründeten Sorge, die Preise für
Kita- und Schulessen könnten in der Folge explodieren, die Dringlichkeit zu
nehmen: In München hat die auf die Beratung von Großküchen spezialisierte
Firma a‘verdis die tatsächlichen Preissteigerungen pro Menü durch den
Wechsel auf artgerecht erzeugte Tierprodukte ermittelt.
Derzufolge ergäben sich Mehrkosten von 2,46 Euro pro Monat durch den
Einsatz von Neuland-Fleisch, was „gemittelt gerade einmal 0,12 Euro pro
Mahlzeit Mehrkosten“ bedeute. Notfalls, so Bargfrede, müsse diese
Mehrbelastung bei den Finanzschwachen durch die öffentliche Hand
ausgeglichen werden. „Das muss der Gesetzgeber in den Griff kriegen.“
5 Nov 2015
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Ernährung
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