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# taz.de -- Verpackungen und Werbelügen: Trügerische Bauernhofidylle
> Kritik aus unerwarteter Ecke: Der Chef von Deutschlands größtem
> Ackerbaukonzern wirft der Lebensmittelbranche mangelnde Transparenz in
> ihrer Werbung vor.
Bild: Toll: ein total süßes Ferkel
NONNENDORF taz | Jetzt kritisiert sogar der Chef von Deutschlands größtem
Ackerbauunternehmen KTG Agrar, Siegfried Hofreiter, Werbelügen bei
Nahrungsmitteln. „Die Mehrzahl der Lebensmittelverpackungen zeigen ein
romantisches Bild eines niedersächsischen Bauernhofs, das meist nicht mehr
der Wirklichkeit entspricht“, sagte Hofreiter der taz bei einem Interview
im brandenburgischen Nonnendorf. „Nach meiner persönlichen Einschätzung hat
die Landwirtschaft sich in den letzten Jahren oder wahrscheinlich sogar
Jahrzehnten verkrochen vor dem Verbraucher.“
Die börsennotierte KTG baut auf rund 45.000 Hektar Land – einer Fläche
größer als Bremen – in Ostdeutschland und Litauen zum Beispiel Getreide,
Mais und Raps an. Dazu kommen Gemeinschaftsunternehmen in Rumänien und
Russland mit insgesamt 58.000 Hektar.
„Auf unseren Lebensmittelpackungen gibt es nirgendwo Oldenburger
Bauernhofidylle“, so Hofreiter, dessen Konzern ungefähr 50 Prozent seiner
Ernte in Deutschland, Litauen und Rumänien selbst zum Beispiel zu Müsli
verarbeitet. Das Logo der KTG-Marke „Die Landwirte“ dagegen zeigt einen
gezeichneten Mähdrescher. In Werbematerial sind Fotos von großen Traktoren
und ihren Fahrern zu sehen. „Wir wollen dem mündigen Verbraucher zeigen,
dass Landwirtschaft heute großflächig passiert, dass Landwirtschaft heute
mit großen Maschinen passiert, dass es keine Monster sind, dass aber alles
passiert mit fleißiger Hände Arbeit.“
Allerdings fällt KTG das Marketing auch leichter als zum Beispiel
Fleischkonzernen. Denn Hofreiter hat in Deutschland nicht in die besonders
umstrittene Tierhaltung investiert, „weil wir dem Verbraucher ins Auge
schauen wollen“. Seine Begründung: Um das bei Discountern übliche
Billigfleisch erzeugen zu können, werde „das System ausgequetscht nicht nur
wie eine Zitrone, sondern bis zum Blut.“ Die Folge dieses Vorgehens seien
Skandale wie die Umdeklarierung von Pferde- zu Rindfleisch. Hofreiter: „In
dem Rennen können und wollen wir nicht mitmischen.“
Der KTG-Chef bemängelte auch, dass große Lebensmittelkonzerne ihre
Rohstoffquellen nur auf hartnäckiges Nachfragen offenlegen würden.
Antworten wie „aus Europa“ seien zu ungenau. KTG dagegen wirbt damit, dass
es das Getreide selbst anbaue. Allerdings legt sich auch dieser Anbieter
nicht darauf fest, 100 Prozent selbst zu erzeugen. Was er nicht selbst
anbauen könne, beziehe er „von ausgewählten Kollegen“, heißt es in einer
Broschüre des Konzerns.
## Agrarsubventionen für Großbetriebe
Um sich von oft noch billigeren Konkurrenten aus dem Ausland abzuheben,
preist KTG beispielsweise seine Kartoffeln oder Zwiebeln auch mit den
Worten „eigener regionaler Anbau“ an. Aber das definiert Hofreiter recht
großzügig: „Regional heißt für uns erst mal deutsch.“ Natürlich könnt…
kleine Familienbetriebe sich als noch regionaler präsentieren. Doch das
erwarte der normale Kunde des Lebensmitteleinzelhandel oft gar nicht.
Kritiker wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kann
Hofreiter so nicht überzeugen. „Zu Regionalität gehört ja auch, dass Dörf…
leben“, sagte Agrarindustrieexperte Eckehard Niemann der taz. „Und Dörfer
leben bei dieser Art von Wirtschaftsweise mit Sicherheit nicht, weil die im
Grunde nur Filialen sind, wo er einmal mit seinen Maschinen durchzieht und
dann weiter.“ Zudem bekomme KTG mehrere Millionen Euro Agrarsubventionen,
obwohl solche großen Betriebe dieses Geld nicht nötig hätten und kleinen
Höfen Konkurrenz machten.
23 May 2015
## AUTOREN
Jost Maurin
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