# taz.de -- Studie über Werbung für Kinder: Hinter dem Held lauert der Zucker | |
> Comicfiguren und Spielzeuge sollen Kinder zum Kauf ungesunder | |
> Lebensmittel verlocken. Eine freiwillige Selbstkontrolle der Industrie | |
> läuft ins Leere. | |
Bild: Schmeckt super, die Schoki. | |
BERLIN taz | Fröhliche Tiger und ein gratis Spielzeug in jedem Menü: | |
Unternehmen bewerben fast ausschließlich ungesunde Lebensmittel gezielt für | |
Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt [1][eine Studie der | |
Verbraucherorganisation Foodwatch]. Eine 2007 geschlossene freiwillige | |
Selbstbeschränkung der Industrie sei damit fast wirkungslos. | |
Deshalb forderte die Organisation am Montag ein Ende der Dickmacher in der | |
Kinderwerbung. Geht es nach Foodwatch, soll es künftig verboten sein, | |
gesundheitlich bedenkliche Produkte wie Kartoffelchips oder zuckerhaltige | |
Softgetränke kindgerecht anzupreisen. | |
Die aktuelle Studie hat Foodwatch mit der [2][Deutschen | |
Adipositas-Gesellschaft (DAG)], der [3][Deutschen Diabetesgesellschaft] und | |
der [4][Deutschen Diabetes-Hilfe] herausgegeben. Grundlage hierfür sind die | |
für Kinder angepriesenen Produkte von Unternehmen, die die | |
Selbstverpflichtung [5][EU-Pledge] eingegangen sind. Diese freiwillige | |
Beschränkung untersagt das an Kinder gerichtete Werben von Lebensmitteln, | |
die einen gewissen Gesundheitsstandard nicht erfüllen. | |
Foodwatch hat nun 281 Produkte, die dieser freiwilligen Beschränkung | |
unterliegen, nach den Vorgaben für gesundheitlich unbedenkliche | |
Nahrungsmittel der Weltgesundheitsorganisation WHO getestet. Das Ergebnis: | |
252, also 90 Prozent der getesteten Speisen und Getränke, erfüllen die | |
Kriterien nicht. Dennoch zielt das Marketing auf Kinder, zum Beispiel mit | |
Comicfiguren auf der Packung oder beiliegendem Spielzeug. | |
Dabei ist vor allem Übergewicht in Deutschland ein großes Problem, sagen | |
die Organisationen. „Übergewicht und die Folgeerkrankungen sind inzwischen | |
für 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle in Deutschland verantwortlich“, | |
sagt Stefanie Gerlach von der DAG. „Und der Grundstein für Übergewicht wird | |
im Kindesalter gelegt.“ | |
„Ob die getesteten Produkte sich wenigstens an ihre eigenen Versprechen, | |
also die Vorgaben des EU-Pledge, halten, haben wir nicht getestet“, sagt | |
Oliver Huizinga von Foodwatch. Grund hierfür: Diese Kriterien seien | |
„unangemessen und/oder veraltet“, betonen die Herausgeber der Studie. Sie | |
pochen auf eine gesetzliche Verpflichtung. | |
## Industrie gibt sich unschuldig | |
Die Lebensmittelindustrie weist die Schuld von sich: Die zu Rate gezogenen | |
Werte der WHO seien „eine Empfehlung und keine verpflichtende Vorgabe“ und | |
seien überdies in einem „intransparenten Verfahren bestimmt“ worden, | |
kritisiert Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer vom Bund für | |
Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Für Übergewicht sei eine | |
Mischung verschiedener Ursachen verantwortlich, von genetischer Veranlagung | |
bis zu mangelnder Bewegung in einer „sitzenden Gesellschaft“. Wichtig sei | |
es auch, Kinder und Eltern über die Folgen ungesunder Ernährung | |
aufzuklären. | |
„Das Präventionskonzept ist gescheitert“, sagt allerdings DAG-Sprecherin | |
Stefanie Gerlach. Zwar sei schlechte Ernährung nicht der einzige Grund für | |
Übergewicht bei Kindern, aber ein entscheidender. Es gehe darum, in allen | |
Bereichen eine gesunde Umwelt zu schaffen. | |
Die Organisationen wollen für ihren Vorschlag kämpfen. Gerlach drückt ihre | |
Sorge bildlich aus: Das Problem der dicken Kinder sei „ein übergewichtiger | |
Elefant, der mitten im europäischen Wohnzimmer sitzt und von jedem | |
übersehen wird“. Langfristig sei die Belastung durch die Folgen von | |
Übergewicht nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Gemeinwesen | |
nicht tragbar. | |
24 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.foodwatch.org/de/informieren/kinderernaehrung/aktuelle-nachricht… | |
[2] http://www.adipositas-gesellschaft.de/ | |
[3] http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/home.html | |
[4] http://www.diabetesde.org/ | |
[5] http://www.eu-pledge.eu/ | |
## AUTOREN | |
Dominik Schneider | |
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