# taz.de -- Entlassungen bei „Schulküchen“-Verein: Caterer mit Geschmäckle | |
> Der „Schulküchen“-Verein entlässt 60 MitarbeiterInnen. Die Frage nach d… | |
> Hintergründen führt zu merkwürdigen Strukturen der Bremer | |
> Schulverpflegung. | |
Bild: Der Verein „Schulküchen“ hat in der Vergangenheit neun Bremer Schule… | |
BREMEN taz | Den rund 60 Küchenkräften des gemeinnützigen Bremer | |
„Schulküchen“-Vereins soll zum 31. Juli gekündigt werden. Wegen neuer | |
beruflicher Verpflichtungen wolle die Vorsitzende des Vereins, Katharina | |
Reif, aus ihrem Amt ausscheiden, sagt sie – infolge dessen solle der | |
Verein, der als Caterer neun Bremer und vier Oldenburger [1][Schulen mit | |
Essen versorgt] hat, ganz aufgelöst werden. Warum der Verein nicht für neue | |
Vorstandsmitglieder geöffnet wurde, um einen sanfteren Übergang zu | |
ermöglichen, verrät die Vorsitzende nicht: „Dazu möchte ich nichts Näheres | |
sagen“, sagt sie. | |
Im vergangenen Herbst hat laut der Gewerkschaft NGG Fabian Scholz, | |
Betriebsratsvorsitzender der Schulküche, versucht, in den Verein | |
einzutreten – und wurde abgewiesen. Begründung: Es gebe einen | |
Aufnahmestopp. Er selbst will sich auf Anfrage aus „taktischen Gründen“ | |
nicht dazu äußern. | |
Küchen-MitarbeiterInnen vermuten, dass der Betriebsrat ein rotes Tuch für | |
Reif ist, weil er seit Jahren Aufklärung darüber verlangt, was ihr Ehemann | |
Michael Thun als „Berater“ bei ihr verdient. | |
Thun selbst sagt, er sei dagegen, dass Mitglieder des Betriebsrates den | |
Betrieb fortführen, weil er die Gefahr sehe, dass sie den Mindestlohn und | |
die „Bio-Schiene“ aufgeben würden. Zudem sei es „einfacher“, einen neu… | |
gemeinnützigen Träger zu gründen als einen bestehenden Verein an einen | |
neuen Vorstand zu übergeben. Immerhin müsse der alte Vorstand im Folgejahr | |
ja auch entlastet werden. | |
Eigentlich geht es bei der Arbeit des Schulküchen-Vereins um einem guten | |
Zweck: Kinder sollen möglichst gesundes Mittagessen bekommen. Der Senat hat | |
sich diesem Ziel unter dem Logo „BioStadt 2015“ verpflichtet: Alles „bio�… | |
das ist das Ziel. Das Problem: Niemand will mehr Geld für die Verpflegung | |
der Kinder zahlen. | |
So gibt es seit Jahren eine Referentin beim Umweltressort und eine vom Bund | |
und dem Bremer Bildungsressort finanzierte [2][„Vernetzungsstelle“], die | |
sich an dem Problem abarbeitet. Diese Stelle wird geleitet von Michael | |
Thun, der dafür prädestiniert war, weil er 2006 den Schulküchen-Verein an | |
der Waldorfschule in Osterholz gegründet hatte. Als er Leiter der | |
Vernetzungsstelle wurde, schied er aus dem Verein aus, um | |
Interessenkollisionen zu vermeiden, neue Vorsitzende wurde seine Frau. | |
Inzwischen hat der Verein über 60 MitarbeiterInnen und macht einen Umsatz | |
rund zwei Millionen Euro im Jahr. Der organisatorische Kopf sei nach wie | |
vor Michael Thun, sagen Mitarbeiter, die formelle Vorsitzende trete kaum in | |
Erscheinung. Ohne ihn hätte der Verein „keine Chance“, bestätigte Reif | |
gegenüber der taz: „Mein Mann ist Mathematiker, der kann rechnen.“ | |
Thun bietet unter dem Logo „Esscooltur“ auch Beratungen an und firmiert | |
damit unter derselben Adresse wie die „Vernetzungsstelle“, nutzt denselben | |
Büroraum und gelegentlich auch das Personal. „Typischer Bremer Filz“, sagen | |
andere Schul-Caterer – aber nur hinter vorgehaltener Hand, da sie, so sagen | |
sie, den Eindruck hätten, dass die Bildungsbehörde diese Struktur decke. | |
Und von der wollten alle Geld bekommen. | |
Thun sagt, er bekomme von dem gemeinnützigen Schulküchen-Verein seiner Frau | |
um die 10.000 Euro als Beraterhonorar im Jahr. Dokumente, die der taz | |
vorliegen, erwecken indes den Eindruck, dass es sehr viel mehr sein könnte: | |
Allein in den Monaten November und Dezember 2015 hat sich Thun danach vom | |
Postbank-Konto des Vereins selbst in drei Tranchen insgesamt 11.816,70 Euro | |
überwiesen, bis zum Juni 2016 dann noch einmal insgesamt 17.394,94 Euro. | |
Dank seiner Kontovollmacht für das Vereinskonto konnte er das Geld direkt | |
auf sein Privatkonto und sein „Esscooltur“-Konto überweisen. Die damalige | |
Geschäftsführerin des gemeinnützigen Schulküchen-Vereins legte deswegen | |
2016 ihren Posten nieder. | |
Thun erklärt, es gebe einen „Vertrag“ über seine Beratertätigkeit, der s… | |
aber nicht mit der Geschäftsführerin geschlossen worden, sondern „am Anfang | |
mit der Mitgliederversammlung des Vereins“. Der Betriebsrat weiß davon | |
allerdings nichts und wüsste gern, was an den Gerüchten dran ist. Denn die | |
könnten erklären, warum seine Frau die Vereinsakten nicht an | |
MitarbeiterInnen übergeben will, sondern lieber den Verein auflöst und 60 | |
MitarbeiterInnen entlässt. | |
19 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburgs-Streit-ums-Schulessen/!5653648 | |
[2] https://vernetzungsstelle-bremen.1bin.de/ | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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