# taz.de -- Werder-Bremen-Ultras versus Polizei: Noch immer keine Freunde | |
> Werder-Ultras monieren verstärkten Druck von Nazis, Polizei und Justiz. | |
> Freitag warb Bremens Polizeipräsident für Zusammenarbeit – mit | |
> verhaltenem Erfolg. | |
Bild: Hat angeblich vor allem die linken Werder-Fans im Visier: Die Polizei | |
BREMEN taz | Zu beneiden war Bremens Polizeipräsident Lutz Müller am | |
Freitagabend nicht. Da saß er zwischen den Ultras im Ostkurvensaal des | |
Weserstadions, um über Nazi-Hooligans, linke Fans und die Rolle der Polizei | |
zu diskutieren – und um die Szene zur Zusammenarbeit aufzurufen. Doch auch | |
wenn Pfiffe und „Pfui„-Rufe langsam nachließen: Versöhnliches war kaum zu | |
hören. | |
Vor allem ein Verfahren erhitzt die Gemüter: Seit über hundert Tagen sitzt | |
Ultra Valentin S. in Untersuchungshaft. Am 19. April soll er vor der Kneipe | |
„Verdener Eck“ in Auseinandersetzungen mit rechtsextremen Hooligans | |
verwickelt gewesen sein. Umstritten ist insbesondere, von wem der Angriff | |
ausging. | |
Sicher ist aber, dass der Fall über europaweite Proteste zum Politikum | |
wurde - und weil Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Schlägerei zur | |
Chefsache erklärte. Seine Aussage, dass S. in U-Haft bleibe, wurde vielfach | |
als Weisung an die Justiz kritisiert. | |
## Zweifel an Verhältnismäßigkeit | |
Horst Wesemann, der Anwalt von S., berichtete den aktuellen Stand: Nach 24 | |
Tagen Einzelhaft wegen eines unerlaubten Handy wurde S. Freitag zum | |
Haftprüfungstermin gebracht – eskortiert von einer halben Hundertschaft. | |
Das Ergebnis ist noch offen, doch Wesemann bezweifelt, dass S. vor der | |
Verfahrenseröffnung Ende des Jahres frei kommen wird. Insgesamt habe er | |
große Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. | |
Wegen dieses und mehr als 30 weiterer angestrebter Verfahren gegen linke | |
Ultras, fühlt sich die Szene im Visier der Polizei, während Bremer Nazis | |
weitgehend unbehelligt auch bundesweit zu Hogesa-Demonstrationen | |
mobilisieren konnte. | |
„Es geht um die Hegemonie„, sagte Linken-Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt | |
– „nicht nur im Stadion„. In Zeiten, in denen die Gesellschaft mit Pegida | |
nach rechts dränge, sei es ein fatales Signal, wenn der Innensenator den | |
politischen Hintergrund der Konflikte ignoriere und linke Kräfte | |
kriminalisiere. | |
Müller hörte aufmerksam zu, räumte vereinzelt Fehler ein und erklärte die | |
Ermittlungen der Polizei. Dass es schwer sei, gegen die Rechten vorzugehen, | |
liege auch daran, dass die Ultras keine Aussagen machten. Kein Wunder, | |
sagte Vogt, in der Vergangenheit sei oft der Staatsschutz bei Vernehmungen | |
aufgetaucht und habe ZeugInnen unter Druck gesetzt. | |
## Ein anderes Bild | |
Eine Zwickmühle für die Polizei: Man ziehe den Staatsschutz hinzu, wenn man | |
von politischen Motiven ausgehe, sagte Müller – „und dann beschweren sich | |
alle“. Täte man’s nicht, käme der Vorwurf, man entpolitisiere den Konflik… | |
Der Polizei gehe es allein um Straftaten, nicht um politische Verortung der | |
TäterInnen. | |
Warum entlastenden Beweisen gegen S. gar nicht erst nachgegangen wurde, | |
wollte einer im Publikum wissen. Er habe nach der Schlägerei ausgesagt und | |
sogar Handyvideos angeboten, die ein anderes Bild zeigten als das von der | |
Staatsanwaltschaft vermittelte. | |
Die Polizei habe sich dafür nicht interessiert und sich nie wieder | |
gemeldet. Das schien auch Müller nicht zu behagen: „Ich weiß ja nicht, ob | |
sie noch bereit sind mit uns zusammenarbeiten“, sagte er - „Ja? Dann | |
tauschen wir jetzt die Telefonnummern aus.“ | |
Der Beschuldigte einer eher kurios anmutenden Ermittlung saß neben Müller | |
auf dem Podium: der grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Fan-Aktivist Wilko | |
Zicht. Seine politische Immunität wurde aufgehoben, weil er die Wirtin des | |
„Verdener Ecks“ genötigt haben soll, Nazis Hausverbote zu erteilen. | |
## Unerlässlicher Selbstschutz | |
Zicht spricht von Schlichtungsversuchen, gibt sich gelassen und sagt, er | |
rechne jeden Tag mit der Einstellung des Verfahrens. An der angespannten | |
Situation zwischen Staat und Ultras hat aber fraglos auch diese Episode | |
beigetragen. | |
Nach Jahren rechter Vorherrschaft im Stadion ist es dort heute verpönt, | |
rassistische oder sexistische Parolen zu brüllen – nicht zuletzt wegen der | |
Ultras und weil es, wie es heißt, „auch mal was an die Backen gab“. | |
Bei den andauernden Nazi-Übergriffen sei Selbstschutz auch heute noch | |
unerlässlich. Die Polizei sei schließlich nicht überall, so Zicht - „und | |
manchmal ist das ja vielleicht auch besser so“. | |
18 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
## TAGS | |
Polizei | |
Bremen | |
Ultras | |
Werder Bremen | |
Nazis | |
Fußballfans | |
Hooligans | |
Hooligans gegen Salafisten | |
Polizei Bremen | |
Werder Bremen | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
Lazio Rom | |
Polizei | |
Grüne | |
Ultras | |
Ultras | |
Fußball | |
Repression | |
Fußball-Bundesliga | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prügelnde Werder-Bremen-Fans: Schlägerei nach Werder-Spiel | |
Nach dem Heimspiel am Samstag prügelten sich linke Ultras und mutmaßliche | |
Neonazis aus der Hooligan-Szene. Die Ultras üben Kritik an der | |
Polizeistrategie | |
Krawall vor Gericht: Mildes Urteil für Hooligan | |
2015 demonstrierte die Justiz Härte gegen gewalttätige Linke. Umso milder | |
gab sich das Amtsgericht jetzt gegen einen beteiligten Rechten. | |
Neonazis im Berliner Wahlkampf: Wem gehört die Kurve? | |
Die NPD hat die Fanszene als Zielgruppe im Wahlkampf entdeckt. Die | |
Ultra-Organisation Pro Fans wehrt sich gegen die Vereinnahmung von rechts. | |
Beim Testspiel Werder-Lazio droht Gewalt: Im Visier der Nazi-Hools | |
Rechte Hools mobilisieren für August nach Bremen: zum Testspiel von Werder | |
gegen Lazio Rom. Ein Fanforscher rät, den Aufruf ernstzunehmen. | |
Umstrittene Polizeitaktik: Zoff um Fußballgewalt | |
Die Polizeistrategie gegen gewaltbereite Fußballfans stößt auf Kritik bei | |
Bremer Grünen und Linken – aber auch Polizeipräsident Lutz Müller setzt auf | |
Deeskalation. | |
Nach konstruiertem Nötigungs-Verdacht: Grünen-Abgeordneter Zicht rehabilitiert | |
Die Ermittlungen gegen den Bremer Grünen Wilko Zicht sind eingestellt. Er | |
sollte eine Wirtin genötigt haben, sich von Nazis zu distanzieren – dabei | |
riet Polizei zu dem Treffen. | |
Freiheit für Valentin: Solidarität mit Antifa-Ultra | |
Jusos und Grüne Jugend fordern die Freilassung von Valentin: Der linke | |
Werder-Ultra sitzt in U-Haft, weil er einen Hooligan verprügelt haben soll. | |
Sportpolitik in Bremen: Der Kampf ums Stadion | |
Auseinandersetzungen zwischen linken Werder-Ultras und rechten Bremer | |
Hooligans nennt das Innenressort des Senats „unpolitisch“. | |
Ultras gegen Hooligans: Ausschreitungen beim Nordderby | |
Rechte Bremer Fans haben Werder-Ultras angegriffen. Zeugen zufolge trieb | |
die Polizei die Ultras direkt den Hooligans in die Arme. | |
Reaktion auf Fangewalt: Ultras unter Polizeischutz | |
Trotz eines Angriffs von 60 vermummten Werder-Ultras auf Augsburger Fans | |
sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer, er setze weiter auf Deeskalation. | |
Lendenlahme Ordnungsmacht: Polizei lässt Nazi-Hools gewähren | |
Nach dem Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV spazierten vermummte | |
Hooligans an Polizisten vorbei und machten Jagd auf Journalisten und | |
Passanten. | |
Rechte Gewalt beim Nordderby: Hooligans an Bord | |
130 Neonazis und Hooligans kommen per Schiff offensichtlich gewaltbereit | |
nach Bremen. Doch die Polizei lässt sie laufen. Im Anschluss jagen die | |
Schläger Passanten und greifen Journalisten an. | |
Sozialwissenschaftler Hafke über Fussballfans: „Ich fände die Ultras spanne… | |
Auch in Bremen gibt es immer mehr „Ultras“ unter den Fans, darunter | |
vermehrt Frauen. Die Zahl der rechten Hooligans ist dagegen konstant | |
geblieben |