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# taz.de -- Neonazis im Berliner Wahlkampf: Wem gehört die Kurve?
> Die NPD hat die Fanszene als Zielgruppe im Wahlkampf entdeckt. Die
> Ultra-Organisation Pro Fans wehrt sich gegen die Vereinnahmung von
> rechts.
Bild: Um seine Fans wird Union Berlin seit jeher beneidet: Warum, zeigt auch di…
BERLIN taz | Die NPD hat sich hier, im Südosten Berlins, ordentlich ins
Zeug gelegt: Wer in Köpenick die Straße vor dem Stadion des Union Berlin
entlangfährt, bewegt sich durch eine ganze Allee von NPD-Werbeschildern.
Vor allem ein Plakat fällt dabei immer wieder ins Auge: eine Fankurve in
rotem Pyro-Licht. Dazu die Slogans „Pyrotechnik nicht kriminalisieren!“ und
„Fankultur erhalten!“
Es ist der erste Versuch der NPD, mit einem Wahlplakat Stimmen in der
Fanszene zu fangen. Wer sich nicht jeden Tag mit der Fanszene im Fußball
beschäftigt, könnte das Plakat leicht falsch einordnen: Rechtsextreme
unterstützen böllernde Tribünenprolls, mag man da denken. Pyrotechnik und
Nazis, ja klar, Krawallbrüder vereint. Tatsächlich aber ist das Pyro-Thema
im Fußball ein Lieblingsthema linker Fangruppen – was den Vorstoß der NPD
umso interessanter macht. Und es ist ein Thema, das in der Fanszene hoch
emotional betrachtet wird.
Entsprechend aufgebracht waren Ultragruppen, dass ihr Thema, und beinahe
wortwörtlich auch ihre Slogans, von der NPD aufgegriffen wurden. „Wir
betonen unablässig, dass Rechtsextremismus mit unserer Fankultur nicht
vereinbar ist“, so Pressesprecher Jakob Falk von der vereinsübergreifenden
Ultra-Organisation Pro Fans. „Wer rechts wählt, wählt gegen unsere
Fankultur.“
Dass die NPD plötzlich Interesse an Pyro zeigt, irritierte die
Organisation. „Das kam schon sehr überraschend“, so Sig Zelt von Pro Fans.
„Die Pyro-Problematik ist ein liberales Thema.“ Warum also plakatieren die
Rechten an ihrer Zielgruppe vorbei? Es geht um die ganz grundsätzliche
Frage: Wem gehört Fankultur?
## Pyro: linkes Lieblingsthema
In den vergangenen 20 Jahren wurde das Thema Fankultur vor allem durch
linke Gruppen besetzt. Die sogenannten Ultras, häufig junge, eher
wohlhabende und gebildete Fans, verdrängten die klassischen
Arbeiterschichten aus dem Stadion und brachten ihre Themen auf die
Tagesordnung: Anti-Kommerz-Haltung, Mitbestimmung im Verein und eine
mitunter verbohrte Liebe zur Pyrotechnik. Über Jahre verbissen sie sich im
Thema Pyro-Legalisierung – und lieferten mit ihrer nostalgischen
Definition der „Fankultur“ ein Narrativ, das auch durchaus für Rechte
attraktiv ist.
Allerdings geht es in der Pyro-Debatte nicht um stumpfes Böllern. Als eine
Legalisierung 2011 mit dem Deutschen Fußball-Bund diskutiert wurde, lautete
das Kompromissangebot der meisten Ultras: spezielle Zonen, in denen
angemeldete Pyrotechnik von autorisierten Personen abgebrannt wird. Das sei
unverzichtbarer Bestandteil ihrer Fankultur. Der DFB sagte kompromisslos
ab, das Thema landete in der Mottenkiste. Nun hat die NPD die alten
Argumente ausgegraben. Es ist eine Scheindebatte: Das Thema Legalisierung
ist so gut wie tot, eine Wiederaufnahme durch den DFB vollkommen
unrealistisch.
In der Fanszene wird die NPD damit also nicht viele Stimmen holen, viele
finden den Versuch der Rechten eher bizarr. Er zeigt aber eine Tendenz: Die
Rechtsextremen wollen sich die Hoheit über die Kurve zurückholen, und die
gesellschaftliche Situation verleiht ihnen Aufwind.
## Wo stehen die Fans?
Schon 2013 warnte Pro Fans in einer Pressemitteilung vor „zunehmenden
Versuchen von Neonazis, das Thema Fankultur zu besetzen“. Inwieweit
tatsächlich die Zahl von Rechtsextremen in den Fankurven steigt, lässt sich
nicht belegen, wird aber in der Szene heftig diskutiert. Schon länger macht
die NPD mit Flyern vor den Stadien Werbung – als offenbar einzige Partei.
Die Kritik von Gruppen wie Pro Fans hält sie nicht ab.
„Es war klar, dass solche Kritik von Pro Fans kommen musste“, sagt
Sebastian Schmidtke, Landesvorsitzender der NPD Berlin. Anderswo aber habe
man mit dem Pyro-Thema viel Rückhalt. Auf Nachfrage nennt Schmidtke
„Fangruppen von Hertha und dem BFC Dynamo“ – wenig überraschend, gilt do…
gerade die Fanszene des BFC Dynamo als Neonazi-Hochburg. Es ist
wahrscheinlich, dass der Kampf um Einfluss in den Fankurven in der Zukunft
noch zunehmen wird. Und die Fankultur wird zeigen müssen, wo sie steht.
21 Aug 2016
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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Ultras
Union Berlin
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Fußball
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