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# taz.de -- Rechtsextreme Fußballfans: Nazis auf Samba-Reise
> Die Hammer Spielvereinigung hat ein Problem mit ihren Anhängern. Nach
> einem Platzsturm und antisemitischen Gesängen ermittelt der Staatsschutz.
Bild: Die Hammer Spielvereinigung kriegt ihre Fans nicht in den Griff
Von dem Nazi-Problem auf der Dortmunder Südtribüne hat fast jeder gehört.
Die Probleme kleinerer Vereine dringen kaum durch. In Hamm etwa, gut 40
Kilometer nordöstlich von Dortmund gelegen, sorgen rechtsradikale Fans für
Unruhe. Gegen Anhänger des Oberliga-Zweiten, der Hammer Spielvereinigung,
ermittelt gerade die Polizei und der Staatsschutz.
Vor zwei Wochen kam es beim Spiel der Hammer Spielvereinigung gegen den SV
Lippstadt zu einem Platzsturm sowie antisemitischen Gesängen durch Hammer
Gästefans. Die Polizei ermittelt wegen Hausfriedensbruchs und Verstoßes
gegen das Sprengstoffgesetz. Überdies ermittelt die Abteilung Staatsschutz
wegen Volksverhetzung gegen sechs Personen, die meisten wohnhaft in
Dortmund.
Auch Max Neumann, bis zum Donnerstag amtierender Fanbetreuer der Hammer
Spielvereinigung, steht unter Verdacht, mit Rechten zu sympathisieren. Bei
seiner Rücktrittserklärung am Donnerstag verwahrte er sich jedoch noch
einmal ausdrücklich dagegen.
Die kleine Fanszene in Hamm hatte auf Initiative des 20-jährigen
Fanbetreuers einen Reisebus fürs Spiel in Lippstadt gemietet, um möglichst
vielen Anhängern, darunter laut Westfälischer Anzeiger auch die
Krawallmacher, eine „Samba-Fahrt“ (Fan-Flyer) zum Spiel zu ermöglichen.
Sambastimmung kam jedoch nicht auf. In der zweiten Halbzeit musste das
Spiel der 5. Liga unterbrochen werden, weil es zum Platzsturm kam. „SV
Lippstadt, Jude, Jude, Jude“ und „frei, sozial und national“ wurde gerufe…
Auf der klubeigenen Internetseite positioniert sich der Verein klar gegen
Rassismus. Der Vize-Präsident Dennis Kocker ist als Fraktionsleiter der SPD
im Stadtrat Hamm sowie als Vorsitzender des Stadtsportbundes aktiv. Im
Januar war der freie Journalist und Autor des Fußballbuches „Angriff von
Rechtsaußen“, Ronny Blaschke, beim Stammtisch des Stadtsportbundes Hamm zu
Besuch. Er referierte zum Thema „Rote Karte für den Rechtsextremismus im
Hammer Sport“. Doch die Vereinsführung in Hamm wird den rechten Krawallos
in der eigenen Fanszene nicht Herr. Auch nach mehrfachem Bitten stand
Vize-Präsident Kocker für kein Gespräch zur Verfügung.
## Ein altes Nazi-Problem
Markus Schwerin vom haekelclub 590, einem Hammer Jugendbündnis gegen
rechts, kennt die Nazi-Szene in Hamm und berichtet über altbekannte
Probleme unter den Fans: „Bereits 2004 und 2005 gab es viele organisierte
Nazis in der Hammer Fanszene. Damals hat es die Vereinsführung geschafft,
sie aus dem Stadion zu verdrängen.“ Doch im August des Vorjahres kam es
beim Spiel der beiden Vereine Hamm und Lippstadt zu Schlägereien unter
Fans. Eine Polizistin stellte sich einem 18-Jährigen in den Weg, der
daraufhin auf sie losging. Es handelte sich um einen einschlägig bekannten
Rechtsradikalen, berichtete die Antifa Hamm damals.
Die „Rote Karte“, die am Stammtisch ausgesprochen wurde, kam wohl nicht
deutlich genug bei allen Vereinsmitarbeitern der Hammer Spielvereinigung
an. Die Recherche der Antifa Hamm belastet nun auch den Exfanbetreuer
Neumann. Ihm werden Facebook-Kontakte zu jenen Nazi-Fans sowie zu Personen
von der Partei „Die Rechte“ in Hamm nachgewiesen. Ebenso soll er Kontakt
mit einem Bandmitglied der rechten Musikergruppe „Sleipnir“ haben. Die Band
soll, laut Markus Schwerin, dem rechten Untergrundnetzwerk von Blood &
Honour nahestehen. Bei Facebook verfolgt Neumann rechtspopulistische
Seiten, wie „Freie Medien“ und „Gegen den Strom“. Jene Seiten widmen si…
der Hetze gegen seriöse Medien und diskriminieren Geflüchtete.
Auf Nachfrage der taz betonte Neumann, er habe „mit Nazis nichts zu tun“.
Für weitere Nachfragen stand er nicht zur Verfügung. Am Donnerstag erklärte
er überraschend im Westfälischen Anzeiger seinen Rücktritt als Fanbetreuer:
„Ich distanziere mich von dem, was an diesem Tag im Stadion passiert ist.
Ich distanziere mich politisch von allem, denn ich bin politisch nicht
aktiv.“ Neumann betonte, dass er nicht „in den Vorverkauf der Tickets für
die Busfahrt involviert war“. Dabei war er auf einem Flyer als Kontaktmann
für die Fahrt angegeben. Zu den Vorwürfen aus den veröffentlichten
Recherche-Ergebnissen schweigt Neumann.
Am kommenden Sonntag erwartet die Hammer Mannschaft SV Westfalia Rhynern.
In Hamm, wo der ehemalige Nationalspieler David Odonkor die Rolle des
sportlichen Leiters übernommen hat, hofft man, dass es diesmal ruhig
bleibt.
3 Mar 2017
## AUTOREN
Oliver Wiebe
## TAGS
Rechtsextremismus
Fußball
Antisemitismus
Leipzig
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Lazio Rom
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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