# taz.de -- Reaktion auf Fangewalt: Ultras unter Polizeischutz | |
> Trotz eines Angriffs von 60 vermummten Werder-Ultras auf Augsburger Fans | |
> sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer, er setze weiter auf | |
> Deeskalation. | |
Bild: Unübersichtliche Lage: Die Polizei übt, randalierender Fußballfans Her… | |
BREMEN taz | Die Szenen vom vergangenen Samstag klingen dramatisch: Nach | |
dem Heimsieg Werder Bremens stürmen 60 vermummte Werder-Ultras in der Nähe | |
des Weser-Stadions auf 45 Augsburger Ultras los und schlagen auf sie ein. | |
Stühle und Tische fliegen. Auch drei zivile Polizisten werden angegriffen, | |
auf einen treten die Werder-Ultras ein, als er am Boden liegt. Drei | |
Menschen werden verletzt. In Bahnhofsnähe kommt es wenig später zu einem | |
zweiten Angriff von 30 bis 40 vermummten Bremern auf die Augsburger – eine | |
Eskalation, wie sie Bremen so schon länger nicht mehr gesehen hat. | |
Am Mittwoch tagte in Bremen dazu der Ausschuss für Sicherheit und Sport. | |
Befürchtet wurde aus Fan-Sicht eine Verschlechterung: mehr Polizei, mehr | |
Repression und weniger Dialog. Auch Werder-Präsident Hubertus | |
Hess-Grunewald formulierte diese Sorge. Doch Bremens Innensenator Ulrich | |
Mäurer (SPD) stellte nach der Ausschusssitzung klar: „Wenn Sie erwartet | |
haben, dass wir beim nächsten Spiel mit Wasserwerfern vorfahren, muss ich | |
Sie enttäuschen“. | |
Er betonte, wie Bremens Polizeipräsident Lutz Müller, an einer | |
Differenzierung der Fans festhalten zu wollen und den engen Dialog mit dem | |
Verein und dem Bremer Fan-Projekt weiter zu führen. Es handele sich nur um | |
„eine kleine Gruppe Krimineller, die Ultras sind überwiegend friedlich“, | |
sagte Mäurer. | |
Weil das Spiel gegen Augsburg von allen Seiten als unproblematisch | |
eingeschätzt worden war, waren nur 125 Polizisten aufgeboten worden. | |
„Weniger geht gar nicht“, sagte Mäurer. Der Angriff allerdings sei | |
„generalstabsmäßig geplant“ gewesen, die Gewalttäter hätten sich aus al… | |
verschiedenen Ultra-Gruppen zusammen gefunden. | |
Das soll nun Konsequenzen haben: Zukünftig werde sich die Polizei bei | |
Fußballspielen besonders um die Verfolgung von Straftätern kümmern. Der | |
Schutz der Polizei werde verbessert: Künftig würden Helme getragen und die | |
„szenekundigen Beamten“ (SKBs), die in Zivil und ungeschützt bei den Fans | |
mitlaufen, im Hintergrund durch weitere Polizisten gesichert. | |
Vor allem aber will Innensenator Mäurer auf Aufenthaltsverbote setzten: | |
Bestimmte Leute sollen an Spieltagen das Viertel rund um das Stadion nicht | |
betreten dürfen, was faktisch ein Stadionverbot einschlösse. Würde das | |
missachtet, könnte die Polizei mit Gewahrsam reagieren. „Dann ist das | |
Problem für 24 Stunden gelöst“, sagte Mäurer. | |
Vor dem Angriff war Mäurer noch eher in der Defensive. Das Bremer | |
Fan-Projekt, das seit Jahren sozialpädagogisch mit Fans und Ultras | |
arbeitet, hatte eine zunehmende „Kriminalisierung“ der Fans durch die | |
Polizei beklagt, nachdem es bei den jüngsten Spielen zu Reibereien gekommen | |
war. | |
Bremens Polizeipräsident Lutz Müller sprach allgemein von | |
„Radikalisierungstrends“ in der Fanszene. Auch er betonte aber, deutlicher | |
zwischen „normalen Fans und Gewalttätern“ trennen zu wollen. Letztere | |
sollten nicht mehr als Fans betrachtet werden. Geprüft würden Ermittlungen | |
gegen Personen und Gruppierungen, „offen, aber auch im verdeckten Bereich“, | |
sagte Müller. Eine Erklärung für den Angriff habe er nicht. | |
In Gerüchten aus der Ultra-Szene heißt es, der Überfall sei eine | |
Vergeltungsaktion gewesen, weil bei der Hinrunde in Augsburg eine kleine | |
Gruppe von Werderanern von einer Überzahl an Ultras angegriffen worden sein | |
soll. Auch habe sich das Verhältnis zu den „szenekundigen Beamten“, die bis | |
dato nicht angegangen worden waren, in den vergangenen zwei Jahren | |
verschlechtert, nachdem es einen Personalwechsel gegeben hatte. | |
Uwe Jahn, zweiter Vorsitzender des Bremer Fan-Projektes, versicherte, für | |
Gespräche von allen Seiten offen zu sein. Die Diskussion über Gewalt müsse | |
in den Ultra-Gruppen weiter geführt werden. Zurzeit werde über einen | |
Einzelfall diskutiert: „Wir haben nicht bei jedem Spiel solche Übergriffe. | |
Es gibt Tage, da ist es auf Dorfschützenfesten gewalttätiger“, sagte Jahn. | |
Das Fan-Projekt werde „dazu beitragen, dass die Gruppe der sehr friedlichen | |
Ultras nicht weiter in Verruf gerät, die für eine bestimmte Kultur im | |
Stadion steht, gegen Homophobie und Diskriminierung“. Jahn hofft, dass die | |
Polizei wirklich zwischen den Fans differenziert. „Ob sie das hinkriegt“, | |
sagte er, „wird sich zeigen.“ | |
18 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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