# taz.de -- Umstrittene Polizeitaktik: Zoff um Fußballgewalt | |
> Die Polizeistrategie gegen gewaltbereite Fußballfans stößt auf Kritik bei | |
> Bremer Grünen und Linken – aber auch Polizeipräsident Lutz Müller setzt | |
> auf Deeskalation. | |
Bild: Die Polizei hätte sich ja auch nicht in den Weg stellen müssen. | |
BREMEN taz | Als „Anleitung zum Unglücklichsein“ bezeichnete Wilko Zicht | |
(Grüne) in der Innendeputation am vergangenen Donnerstag den Empfang von | |
gewaltbereiten Werder-Fans durch die Polizei am Bremer Hauptbahnhof im | |
November. Zuvor hatten die massiv auf dem Bahnhof Hannover randaliert, weil | |
sie nicht wie geplant zum Bundesligaspiel nach Wolfsburg weiterreisen | |
durften, sondern zurückgeschickt wurden – um sich dann in Bremen mit der | |
Polizei zu bekriegen. | |
Und die BeamtInnen sollen nun selbst Schuld gewesen sein? So zumindest | |
konnte man Zicht verstehen. Flaschenwürfe, sagte er, habe es immer schon | |
gegeben, da könne man nun nicht von einer neuen Dimension der Gewalt reden, | |
wie es der CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners behauptet hatte. | |
Vielmehr sei dahingestellt, ob es sinnvoll gewesen sei, die Fans überhaupt | |
von der Polizei zu empfangen: „Das war ein Zusammentreffen von frustrierten | |
Fans und frustrierter Polizei“, so Zicht, „das dient nicht der Verhinderung | |
von Vorfällen wie denen in Bremen.“ | |
## Raus auf die Straße | |
Die 40-köpfige Fangruppe lief geschlossen auf der Straße und behinderte so | |
den Verkehr und den ÖPNV. Die PolizistInnen wurden beleidigt sowie mit | |
Steinen und Flaschen beworfen. Die Polizei reagierte mit Platzverweisen und | |
Ingewahrsamnahmen. Gegen sieben der Randalierer laufen außerdem | |
Strafverfahren wegen Körperverletzung, Missbrauchs von Nothilfemitteln, | |
Sachbeschädigung und Landfriedensbruch aufgrund der vorherigen | |
Ausschreitungen in Hannover. | |
Kein Wunder also, dass Zicht Lack von allen Seiten bekam, nicht zuletzt | |
auch im Nachgang von der Gewerkschaft der Polizei, die sich am Freitag in | |
einer Pressemitteilung „entsetzt“ zeigte. | |
Nur Rechtsanwalt Horst Wesemann, Deputierter der Linksfraktion und | |
Strafverteidiger des inhaftierten Ultras Valentin S., pflichtete ihm bei: | |
Statt des Eingreifens der Bremer Polizei hätte man vielleicht besser die | |
kurzzeitige Störung des Verkehrs in Kauf nehmen sollen, sagte er. Und | |
bemerkenswerterweise schlug auch Polizeipräsident Lutz Müller durchaus | |
versöhnliche Töne an. | |
## Senator spricht von Bürgerkrieg | |
Zuvor hatte sein oberster Dienstherr, Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), von | |
„einer bürgerkriegsähnlichen Situation“ am Bahnhof gesprochen, von einer | |
„neuen Qualität von Angriffen, die auch ältere, wenig bewaffnete Polizisten | |
treffen“ –und davon, dass er nicht mehr daran glaube, „dass Fanprojekte | |
diese Leute erreichen können“. | |
„Fußball folgt eigenen Regeln“, erwiderte Müller. „Ich hoffe ein wenig … | |
die Selbstregulierung der Ultras, die das Eingreifen der Polizei unnötig | |
machen könnte – vielleicht kriegt man das ja hin.“ Er setze auf | |
Deeskalation und weiterhin darauf, mit dem Fanprojekt, der Polizei und der | |
Politik „gemeinsam das Feld weiter zu beackern.“ | |
Er wolle Gewalt gegen Polizei auch nicht an Fußballfans festmachen, die | |
gebe es auch in anderen Bereichen, „und überall ist die Verharmlosung und | |
Relativierung von Gewalt gegen die Polizei in der Gesellschaft schlimm.“ | |
## Nichts zu relativieren | |
Zicht ruderte dann auch zurück: „Natürlich sind derartige Gewaltaktionen | |
inakzeptabel, da gibt es auch nichts zu relativieren.“ Gerade Werder-Fans | |
sollten sich aufgrund des Todes des Fußballfans Adrian Maleika, der in den | |
achtziger Jahren von rechten Fans durch einen Steinwurf getötet worden war, | |
über die möglichen Folgen solcher Gewalttaten bewusst sein. Es sei aber nun | |
eben auch die Aufgabe der Innendeputation, die Einsatztaktik der Polizei zu | |
beurteilen. | |
In der Tat hatten die BeamtInnen sich zwar laut Müller „auf Wunsch der | |
Bundespolizei“ am Bremer Hauptbahnhof aufgestellt – fraglich bleibt jedoch, | |
ob sie diesem Wunsch auch hätte entsprechen müssen. „Und auch in Hannover�… | |
sagt Zicht gegenüber der taz, „hat sich gezeigt, dass eine | |
Null-Toleranz-Strategie wenig Sinn hat.“ Die Fans seien nach Bremen | |
zurückgeschickt worden, weil sie schwarzgefahren seien. „Wenn man sie hätte | |
nachlösen lassen und nicht an der Weiterfahrt gehindert hätte, wäre es wohl | |
nicht zu solchen Ausschreitungen gekommen.“ | |
Dass er in der Innendeputation viel Widerspruch von Mäurer und erstaunlich | |
wenig von Müller erhalten hat, sei Zicht nicht weiter aufgefallen: „Es ist | |
ja bekannt, dass beide eine ganz andere Wortwahl pflegen“, sagte er, „auch | |
wenn sie oft das Gleiche meinen.“ | |
17 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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