# taz.de -- Fanszene: Im Stadion überraschend friedlich | |
> Fußballfans des VfV Hildesheim verprügeln einen Geflüchteten. Angeblich | |
> war es die „Trinkerszene“, keine Hooligans. | |
Bild: Keine Ultras, keine Problemszene: Fans des VfV Borussia Hildesheim | |
HILDESHEIM taz | Eine Trommel und eine Fahne haben die Hildesheimer Fans | |
dabei. Als einige beginnen, den Gegner zu beleidigen, ruft sofort jemand | |
dazwischen: „Sing positiv für unsere Jungs!“ Lange hat sich der VfV | |
Borussia 06 Hildesheim gut gehalten im Viertelfinale des Landespokals gegen | |
den höherklassigen VfL Osnabrück. Erst in der 81. Minute bricht er ein: Aus | |
einem 0:1 wird in wenigen Minuten ein 0:4, mit dem der Viertligist | |
ausscheidet. Der überschaubare Fanblock bleibt bis zum bitteren Ende. | |
Ein größeres Aufgebot hat nicht nur der VfL Osnabrück mitgebracht, sondern | |
vor allem die Polizei. Einsatzleiter Stefan Deutschländer zeigt sich | |
überrascht, dass die Atmosphäre vor und während des Spiels so friedlich | |
bleibt: „Bei so einem wichtigen Derby könnte es auch anders zugehen.“ Doch | |
der VfV habe weder Ultras noch eine Problemszene. | |
Die Vorkommnisse nach einem Heimspiel gegen den VfB Lübeck sprechen eine | |
andere Sprache: Am Hildesheimer Bahnhof kam es zu einem Übergriff von | |
angetrunkenen Männern in VfV-Shirts gegen einen sudanesischen Geflüchteten. | |
Sie schlugen ihn mit Holzlatten und beleidigten ihn fremdenfeindlich, | |
woraus sich eine Schlägerei zwischen Asylsuchenden und Fußballfans | |
entwickelte. | |
„Ich nehme ein Stück weit erleichtert zur Kenntnis, dass es keinen wirklich | |
rechtsradikalen Hintergrund gibt“, sagte Ingo Meyer, der Hildesheimer | |
Bürgermeister dem NDR. Stattdessen kämen die Täter aus dem „Trinkermilieu�… | |
Der VfV sah sich dennoch gezwungen, nach dem Lübeck-Spiel Ende August vier | |
Stadionverbote „wegen Beleidigungen sowie wegen Verwendens von Kennzeichen | |
verfassungswidriger Organisationen“ auszusprechen. | |
Durch den Aufstieg in die Regionalliga stiegen die Zuschauerzahlen. Zum | |
Pokalspiel kamen 1.000 Heim- und 170 Gästefans, gegen St. Pauli waren es | |
sogar 3.000. „Aus der Region kommen immer mehr Zuschauer aller Milieus“, | |
sagt VfV-Präsident Michael Salge. Darunter seien auch einige Ultras von | |
Hannover 96, die „einen teils gewaltbereiten Hintergrund mitbringen“. | |
Dennoch sieht er kein Problem auf seinen Verein zukommen. Dafür sorge die | |
Kooperation mit der Polizei sowie die „klare Kante, dass rechtsradikale | |
Zeichen bei uns keine Plattform finden“. | |
So spendet der VfV regelmäßig Heimspielkarten an Asylsuchende und der | |
Stürmer Omar Fahmy gibt Einwandererkindern Nachhilfeunterricht. Von den | |
VfV-Bannern „Fußball ist bunt, nicht braun“, die Salge als Engagement des | |
Vereins verkauft, ist beim Pokalspiel allerdings nichts zu sehen. | |
Auch die zwei Fanclubs schieben die Schuld an den Vorfällen den | |
hannover-96-affinen Fans zu: „Bei uns gab es zwei, drei rechte Idioten aus | |
Hannover. Ich als echte Zecke bin froh, dass die raus sind“, sagt Klaus M. | |
von den „Domstadtboys“. Mit zwölf Mitgliedern ist der zweite Club | |
„Supporters 14“ noch etwas kleiner. Anton S., der Spross eines | |
VfV-Verantwortlichen hat ihn jüngst gegründet. Im Gegensatz zu den | |
Domstadtboys ist eine Überschneidung mit dem „Trinkermilieu“ bei seinen | |
Anhängern eher abwegig. Klaus M. distanziert sich von den Vorfällen: „Wir | |
kämpfen nur für unsere Mannschaft. Wer pöbelt, fliegt raus!“ | |
Tatsächlich gibt es hier im Vergleich zu den Ultras anderer mittelklassiger | |
Teams kaum Anzeichen für das Wachsen einer rechten Hooliganszene. | |
Beunruhigend ist vielmehr, dass die Verantwortlichen den fremdenfeindlichen | |
Übergriff verharmlosen. „Hier wollte man Hildesheim in eine Reihe mit | |
Heidenau stellen. Das galt es zu relativieren“, sagt der parteilose | |
Bürgermeister Meyer. | |
Eine Sprecherin der Geflüchtetenorganisation Pangea kritisiert: „In der | |
Region gibt es schon seit Jahren rechtsextreme Strukturen.“ Es reiche | |
nicht, wenn Fußballvereine Banner aufhängten und die Stadt sich als | |
weltoffen lobe, weil ihre Bevölkerung sich gegenüber Geflüchteten | |
kurzfristig hilfsbereit zeige. Die touristische Attraktivität seiner Stadt | |
ist Bürgermeister Meyer offenbar wichtiger als die Vorbeugung und | |
Aufklärung fremdenfeindlich motivierter Straftaten. | |
25 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Kornelius Friz | |
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