# taz.de -- EuGH-Urteil zu „Safe Harbor“: Daten in den USA nicht sicher | |
> Der EuGH hat den „Safe Harbor“-Beschluss der EU für ungültig erklärt. … | |
> unbeschränkte Zugriff der NSA verletze europäische Grundrechte. | |
Bild: Kein sicherer Hafen: Datenschutz in den USA. | |
Karlsruhe taz | Die EU-Kommission hat Firmen zu Unrecht erlaubt, Daten in | |
die USA zu transferieren. Der „Safe Harbor“-Beschluss aus dem Jahr 2000 ist | |
ungültig. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Das | |
Urteil wird nach einer Übergangszeit weitreichende Folgen haben. | |
Ausgelöst hat den Rechtsstreit der österreichische Datenschutz-Aktivist Max | |
Schrems. Er wollte nach den Snowden-Enthüllungen 2013 erreichen, dass | |
Facebook keine Daten mehr in die USA überträgt. Er wandte sich deshalb an | |
die irische Datenschutzbehörde, die für Facebooks europäische Aktivitäten | |
zuständig ist. Die Behörde lehnte jedoch jede Prüfung ab, da sie an einen | |
Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2000 gebunden sei. | |
In diesem „Safe Harbor“-Beschluss hat die EU-Kommission nach Absprache mit | |
der US-Regierung bestimmte Datenschutz-Mindeststandards definiert. Wenn | |
sich US-Firmen an diese Standards halten, gelten sie als „sicherer Hafen“ | |
und die übermittlung europäischer Daten ist zulässig. Dagegen klagte | |
Schrems und der irische High Court hat daraufhin den EuGH eingeschaltet. | |
In einem spektakulären Grundsatzurteil hat der EuGH nun den „Safe | |
Harbor“-Beschluss für ungültig erklärt. Die Richter stützten sich dabei a… | |
drei Argumente. Erstens habe die Kommission nur von US-Unternehmen die | |
Einhaltung bestimmter Datenschutzstandards verlangt, nicht aber von den | |
US-Behörden. Das war ein Fehler, weil US-Geheimdienste wie die NSA nach | |
US-Recht nahezu unbegrenzt auf Kommunikationsdaten zugreifen können. Ein so | |
weitgehender Zugriff auf Kommunikationsinhalte verletzte den „Wesensgehalt | |
des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens“, so der EuGH. | |
Zweitens moniert der EU-Gerichtshof, dass europäische Bürger in den USA | |
keinen Rechtsbehelf haben, um eine Löschung oder Berichtigung ihrer Daten | |
zu verlangen. Das verletze „den Wesensgehalt des Grundrechts auf wirksamen | |
gerichtlichen Rechtsschutz“. | |
Drittens hätte die EU-Kommission den nationalen Datenschutzbehörden nicht | |
verbieten dürfen, den Datenfluss in die USA selbst zu kontrollieren. Dies | |
habe die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden verletzt. | |
## Facebook kann den Schutz vor der NSA nicht garantieren | |
Wie geht es nun weiter? Grundsätzlich gilt die Vorgabe der | |
EU-Datenschutzrichtlinie von 1995: Daten von EU-Bürgern dürfen nur dann ins | |
Ausland übermittelt werden, wenn dort ein angemessenes Datenschutzniveau | |
besteht. Die EU-Kommission hat dies bisher nur wenigen Staaten wie Kanada | |
attestiert, nicht aber den USA. Deshalb wurde im Jahr 2000 die „Safe | |
Harbor“-Lösung für US-Unternehmen gefunden, die aber jetzt für unwirksam | |
erklärt wurde. Auf dieser Grundlage kann Facebook ab sofort also keine | |
Daten mehr in die USA übermitteln. | |
Zunächst werden Datenübertragungen in die USA noch möglich sein, wenn | |
Facebook seinen Mitgliedern vertraglich ein angemessenes Datenschutzniveau | |
zusichert. Hierfür kann Facebook seinen Mitgliedern zwar keine Bedingungen | |
diktieren. Allerdings hat die EU-Kommssion 2000 und 2010 konkrete | |
Standardvertragsklauseln veröffentlicht, die interessierte Unternehmen | |
nutzen können. | |
Diese Klauseln sind aber keine wirkliche Lösung. Denn sie gehen auf die | |
jetzt entscheidenden Punkte nicht ein und können es auch gar nicht. | |
Facebook kann als Unternehmen nicht zusichern, dass die NSA nicht auf Daten | |
zugreift. Und Facebook kann seinen europäischen Mitgliedern auch kein | |
Klagerecht in den USA verschaffen. Deshalb genügen wohl auch die | |
Standardvertragsklauseln nicht den Anforderungen der | |
EU-Datenschutzrichtlinie. Sie bleiben allerdings noch anwendbar, bis der | |
EuGH sie ausdrücklich für unwirksam erklärt. Das kann bis zu zwei Jahre | |
dauern - wenn jemand sofort dagegen klagt. Ein derartiges Klagerecht hat | |
laut EuGH nun auch die irische Datenschutzbehörde. | |
Und wenn auch die Vertragsklauseln gekippt sind? Dann muss entweder | |
Facebook die Daten seiner europäischen Mitglieder künftig in Europa | |
verarbeiten oder die USA muss ihr Datenschutzrecht an europäische | |
Vorstellungen anpassen. Ersteres dürfte wahrscheinlicher sein. Denn wer | |
glaubt schon, dass die USA ihren Geheimdiensten verbieten, unbegrenzt auf | |
Daten von Europäern zuzugreifen, die in den USA gespeichert sind. | |
Das alles gilt natürlich nicht nur für Facebook, sondern auch für viele | |
andere Unternehmen, die Daten bisher aus Europa in die USA transferieren | |
(Az.: C-362/14). | |
6 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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