| # taz.de -- Entwurf zum EU-Datenschutzgesetz: Ein bisschen geschützter | |
| > Ein Recht auf Vergessenwerden und eine Altersgrenze für soziale Netzwerke | |
| > – das neue Gesetz soll endlich moderne Standards berücksichtigen. | |
| Bild: Der Nutzung bestimmter Onlinedienste sollen Eltern von Kindern unter 16 J… | |
| Berlin taz | Als Mark Zuckerberg noch zur Schule ging, einigten sich im | |
| Jahr 1995 in diversen EU-Gremien sehr viele Männer und etwas weniger Frauen | |
| [1][auf eine neue Richtline]. Man gab ihr einen aus gut zwei Dutzend Wörten | |
| bestehenden Titel und hoffte, sie würde künftig dafür sorgen, dass die | |
| Privatsphäre von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der EU gut geschützt | |
| ist. | |
| An einen Konzern, der ein globales Onlinenetzwerk aufbaut und nationale | |
| Gesetzgebungen eher als unverbindliche Anregungen versteht, dachte damals | |
| noch keiner. An Gesichtserkennung, Fingerabdruck-Scanner, die Verfolgung | |
| von Internetnutzern über mehrere Geräte hinweg, an immer größere | |
| Nutzerprofile von immer mehr global agierenden Unternehmen ebenso wenig. | |
| Weil es kam, wie es kommen musste, gibt es nun ein neues Werk. Am späten | |
| Dienstag haben sich die Verhandler von EU-Kommission, Rat und | |
| Europaparlament geeinigt, vier Jahre nach Beginn des Prozesses. Auf 209 | |
| Seiten in 91 Artikeln in dem – noch nicht offiziell veröffentlichten – | |
| Entwurf steht, wie der europäische Datenschutz künftig geregelt werden | |
| soll. ([2][pdf des Entwurfs bei statewatch.org]) | |
| Darunter sind Passagen, die direkte Folgen vor allem für Unternehmen haben | |
| – etwa das Bestellen eines Datenschutzbeauftragten. Andere werden sich | |
| unmittelbar für die Verbraucher bemerkbar machen. | |
| ## Rechte, Alter und Beweglichkeit | |
| Eine deutliche Verbesserung gibt es bei der Durchsetzung von | |
| Verbraucherrechten. Bislang müssen sich Kunden an die Aufsichtsbehörde des | |
| EU-Landes wenden, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Daher wandte sich | |
| der Österreicher Max Schrems an die irische Datenschutzaufsicht, als er | |
| sich über Facebook beschwerte. Künftig sollen sich Verbraucher in ihrer | |
| Sprache an eine heimische Behörde wenden können. Außerdem sollen auch | |
| Verbände klagen können. | |
| Darüber hinaus werden Unternehmen dazu verpflichtet, standardmäßig die | |
| datenschutzfreundlichsten Einstellungen anzubieten, sodass Nutzer sich | |
| nicht erst durch komplizierte Dialoge klicken müssen, wenn sie Wert auf | |
| Privatsphäre legen. Bis zuletzt umstritten war der Jugendschutz: Wie alt | |
| müssen Kinder oder Jugendliche sein, um in die Nutzung ihrer persönlichen | |
| Daten einwilligen und damit etwa Profile auf Facebook oder YouTube | |
| erstellen zu können? Man einigte sich schließlich auf 16 Jahre – die | |
| Mitgliedsländer dürfen die Grenze aber selbst auf 13 Jahre heruntersetzen. | |
| Ein einheitliches Schutznievau gibt es also hier nicht. Der Effekt dürfte | |
| allerdings nicht groß sein: In der Praxis könnten höchstens Eltern | |
| gegenüber dem Anbieter eine Löschung der persönlichen Daten ihrer Kinder | |
| verlangen. | |
| Zudem soll es einfacher werden, persönlichen Daten von einem Dienst zu | |
| einem anderen zu transferieren, Stichwort Portabilität. Das betrifft | |
| allerdings ausschließlich Bestandsdaten. Wer also etwa von WhatsApp zur | |
| datenschutzfreundlichen Alternative Threema wechseln will, der kann zwar | |
| etwa Name und Adresse einfach vom bisherigen Anbieter übermitteln lassen. | |
| Für verschickte und empfangene Nachrichten gilt das jedoch nicht. „Da hätte | |
| man weiter gehen können“, kritisiert daher Lina Ehrig vom | |
| Verbraucherzentrale Bundesverband. | |
| ## Vergessen, sichere Staaten und Sanktionen | |
| Einmal erhobene Daten sollen Verbraucher löschen lassen können, wenn sie | |
| nicht mehr für den einst abgegebenen Zweck gebraucht werden. Das gilt schon | |
| bisher, neu ist: Auch Links dazu in Suchmaschinen oder auf anderen | |
| Webseiten sollen Nutzer entfernen lassen können – wenn nicht das | |
| öffentliche Interesse überwiegt. In der Praxis entsteht so das Problem, | |
| dass Privatunternehmen darüber entscheiden, was im öffentlichen Interesse | |
| liegt. Derzeit ist das schon bei Suchmaschinen der Fall, die nach einem | |
| Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegebenenfalls Links aus den | |
| Trefferlisten entfernen müssen. | |
| Ein Punkt, der im Vorfeld von Verbraucherschützern kritisiert wurde, ist | |
| dringeblieben: Die EU-Kommission darf dritte Staaten als sicher definieren | |
| – Unternehmen dürfen persönliche Nutzerdaten dann ohne Weiteres dorthin | |
| übertragen. Dass die Einschätzung der EU-Kommission da nicht unumstritten | |
| ist, zeigt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober: Er hatte | |
| ein Abkommen mit den USA verworfen, das die Datenübermittlung dorthin | |
| erlaubte. | |
| Verstoßen Unternehmen gegen Vorschriften, kann die Aufsichtsbehörde | |
| Bußgelder verhängen. Maximal 4 Prozent des Jahresumsatzes sind dabei | |
| vorgesehen. Das EU-Parlament hatte noch5 Prozent gefordert. „Ein fairer | |
| Deal“, findet Jan Philipp Albrecht, Grüner Europaabgeordneter und | |
| Berichterstatter für die Datenschutzgrundverordnung, dennoch. Schließlich | |
| komme man so etwa bei Google auf eine ein- bis zweistellige | |
| Milliardensumme. | |
| Während Vertreter der EU-Kommission [3][die neuen Regelungen bejubeln], | |
| sind Verbraucherschützer und Bürgerrechtler vorsichtiger. „Es ist ein | |
| Fortschritt, dass es ein einheitliches Schutzniveau geben wird“, sagt | |
| Verbraucherschützerin Ehrig. Und zwar ein Niveau, an das sich auch | |
| Unternehmen halten müssen, die nicht aus der EU kommen, aber ihre Dienste | |
| hierzulande anbieten. | |
| ## Durchwachsene Bilanz, verhaltene Freude | |
| „Angesichts der wahrscheinlich größten Lobbyschlacht, die es weltweit je | |
| gegeben hat, sind in der Vereinbarung zumindest die Grundlagen des | |
| Datenschutzes geblieben“, sagt Joe McNamee, Direktor der | |
| Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights. Damit spielt er etwa auf | |
| den Entwurf der Innen- und Justizminister an, der im Frühjahr bekannt | |
| geworden war. Darin forderten die Minister die Abkehr von grundlegenden | |
| Datenschutzprinzipien. | |
| Rundrum zufrieden ist auch Parlamentarier Albrecht nicht. „Es werden heute | |
| schon viele Daten ohne Einverständnis der Verbraucher verarbeitet, und da | |
| wird auch in Zukunft noch einiges erlaubt sein“, kritisiert er. Zum | |
| Beispiel in Sachen Werbung: So könnten etwa Unternehmen Adressen bei | |
| Händlern kaufen und den Verbrauchern Werbung per Post oder E-Mail schicken | |
| – legal. | |
| „Die neuen Regelungen sind gut für Verbraucher und gut für die Wirtschaft�… | |
| sagt EU-Kommissarin Věra Jourová. In der Mitteilung zu der Einigung nennt | |
| die Kommission konkrete Beispiele vor allem dafür, dass sich Firmen keine | |
| Sorgen machen müssen. Etwa, weil kleine und mittlere Unternehmen keinen | |
| Datenschutzbeauftragten ernennen müssen, wenn der Umgang mit persönlichen | |
| Daten nicht ihr Kerngeschäft ist. Oder weil sie Geld sparen dadurch, dass | |
| sie sich nur noch mit einer Datenschutzaufsichtsbehörde auseinandersetzen | |
| müssen. Denn die Behörden der Mitgliedsstaaten sollen sich künftig auf ihre | |
| Positionen einigen. So könnten etwa per Mehrheitsmeinung die irischen | |
| Datenschützer gezwungen werden, doch härter gegen Facebook vorzugehen. Aber | |
| umgekehrt würde auch eine einzelne strenge Behörde ausgebremst. Für die | |
| Unternehmen soll diese Vereinheitlichung Geld sparen: 2,3 Milliarden Euro | |
| jährlich, so hofft die EU-Kommission. | |
| Anfang 2016 sollen Parlament und Rat die Neuerungen beschließen, zwei Jahre | |
| später tritt die Verordnung dann in Kraft. | |
| 16 Dec 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A31995L0046&… | |
| [2] http://statewatch.org/news/2015/dec/eu-council-dp-reg-draft-final-compromis… | |
| [3] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-6321_en.htm | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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