# taz.de -- Mobilität für alle: Trampen mit Bus und Bahn | |
> Verein für Umweltökonomie will Bremen zur Ticket-Teiler-Stadt machen. Das | |
> Ziel: kostenloser Nahverkehr und Entkriminalisierung von Armut. | |
Bild: Ticket-Teilen, damit arme Menschen bei der Fahrkartenkontrolle nicht blas… | |
Die Idee ist einfach: Wer einen Fahrschein für den Öffentlichen | |
Personennahverkehr (ÖPNV) hat, auf dem noch andere mitfahren können, gibt | |
das mit einem Button zu erkennen. Und schon können bislang Ticketlose | |
sozusagen durch Bus und Bahn trampen. Eine solche Mitnehm-Kultur will der | |
Verein für Umweltökonomie nun in Bremen etablieren. | |
Der oder die Mitnehmende macht sich den Initiatoren zu Folge um zwei Dinge | |
verdient: Erstens um die Debatte zur Einführung eines ticketlosen ÖPNV, wie | |
er etwa in Estlands Hauptstadt Tallinn existiert, und zweitens um die | |
Entkriminalisierung von Armut. Deutschland ist das einzige europäische | |
Land, in dem wiederholtes Schwarzfahren nicht als Ordnungswidrigkeit, | |
sondern als Straftat gilt. Doch der für „Mobilität“ vorgesehene Anteil im | |
Hartz-IV-Satz liegt bei nur rund 20 Euro. | |
In Bremen gab es bereits einzelne „Umsonstfahrtage“ unter dem Motto | |
„Klimaschutz ist mir lieb und teuer, deshalb muss öffentlicher Verkehr für | |
alle umsonst sein!“, nun soll der soziale Aspekt hinzu kommen, sagt Jörg | |
Stamm vom Verein für Umweltökonomie, und das auf Dauer: „Wir wollen | |
solidarisch die Hand reichen und dabei alle legalen Möglichkeiten | |
ausschöpfen.“ Konkret geht das durchgängig mit Tages- und dem | |
7-Tage-Ticket. Jeweils an Wochenenden und Feiertagen sowie werktags ab 19 | |
Uh ist das Mitnehmen mit dem VBN-Monatsticket, dem Bremer „Stadt-Ticket“, | |
dem Job-Ticket und „Mia plus“ möglich. | |
## Vorbild Berlin | |
In Berlin, wo solche Mitnahmen erst ab 20 Uhr erlaubt sind, gibt es bereits | |
Praxis-Erfahrungen: Seit Februar 2014 läuft dort die Aktion | |
„Ticket-Teilen“, initiiert vom Berliner Landesverband der Naturfreunde. | |
Deren Geschäftsführerin, Judith Demba-Fernandez Rios, sagt, dass sich | |
mittlerweile schon rund fünf Prozent der 350.000 Berliner | |
Umweltkarten-Besitzer mit einem Button als „Mitfahrgelegenheit“ zu erkennen | |
geben. „Von diesem Erfolg sind wir selbst überrascht“, sagt sie der taz. | |
## Bremer beharrlich | |
In der Tat gab es in den vergangenen Jahren in diversen deutschen Städten | |
gescheiterte Versuche, das Ticket-Teilen einzuführen. Warum es in Berlin | |
nun ansatzweise zu klappen scheint, kann sich Demba-Fernandez Rios auch | |
nicht schlüssig erklären - zumal man mit einer sehr überschaubaren Anzahl | |
an Aktiven begonnen habe. Auch die technischen Mittel sind nicht gerade | |
revolutionär: Die Berliner arbeiten mit schlichten Buttons und Flyern. | |
„Eine App könnten wir gar nicht finanzieren“, sagt Demba-Fernandez Rios. | |
Was prädestiniert Bremen zum nächsten Schauplatz des | |
Ticktet-Teilen-Erfolgs? Unter den vielen bundesweiten Anfragen seien die | |
aus Bremen „mit der größten Beharrlichkeit“ gestellt worden, sagt | |
Demba-Fernandez Rios: „Die wollen das wirklich.“ Deswegen kommt sie am | |
Sonntag nach Bremen und stellt das Berliner Modell vor. Auch in Erfurt und | |
Hamburg entstünden derzeit ähnliche Initiativen. | |
Die Berliner BVG hat eigenem Bekunden zu Folge nichts gegen die | |
Ticket-Teiler - wie aber wird das in Bremen gesehen? Jens Tittmann, | |
Sprecher des Verkehrsressorts, das der BSAG jährlich 55 Millionen Euro | |
Defizit-Ausgleich überweisen muss, findet den sozialen Ansatz gut. „Es wäre | |
allerdings schlecht“, gibt er zu bedenken, „wenn das auch Leute nutzen, die | |
sich ganz gut selbst ein Ticket leisten könnten.“ Geringere Einnahmen bei | |
der BSAG könnten durchaus zu kostenbedingten Service-Einschränkungen | |
führen. | |
## Buttons ohne Label | |
Offen ist noch, ob es an den Haltestellen „Abholpunkte“ geben kann und | |
welches Logo sich die Bremer Ticket-Teiler an die Jacke stecken. In Berlin | |
sind es, abgeleitet vom Logo der Naturfreunde, helfende Hände. Die Bremer | |
Organisatoren hingegen sind sehr darauf bedacht, „dass keine Labels von | |
NGOs und Parteien“ vorkommen: „Keiner“, betont Jörg Stamm, „soll sich | |
hervorheben“ - aber um so mehr Leute sollen mitmachen. | |
Info-Nachmittag: So, 15 Uhr, Zionsgemeinde, Kornstraße 31 | |
[1][www.ticketteilen.org] | |
5 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ticketteilen.org | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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