| # taz.de -- Missstände in Jugendheimen: Mädchenheime sollen dichtmachen | |
| > Das Landesjugendamt will zwei Jugendheime in Dithmarschen schließen. | |
| > Grund ist der entwürdigende Umgang mit den Jugendlichen. | |
| Bild: Soll geschlossen werden: Das „Friesenhof“-Jugendheim in Hedwigenkoog. | |
| Hamburg taz | Nun ging es ganz schnell. Nur fünf Tage, nachdem die | |
| Hamburger Linksfraktion die pädagogische Praxis in den | |
| Friesenhof-Mädchenheimen zum Thema machte, kündigte das Landesjugendamt in | |
| Schleswig-Holstein am Dienstag ein „Widerrufsverfahren der | |
| Betriebserlaubnis“ für zwei der drei Heime an. „Das Landesjugendamt | |
| beabsichtigt, diese Einrichtungen zu schließen“, teilte das | |
| Sozialministerium in Kiel mit. | |
| Tags zuvor hatte die Heimaufsicht erneut eine Begehung vor Ort | |
| durchgeführt, auch um mit den Mädchen zu sprechen. „Ein Verstoß, und die | |
| Betriebserlaubnis wird entzogen“, hatte Staatssekretärin Anette Langner | |
| angedroht. Denn wie berichtet, hatte der Friesenhof nach einer | |
| unangemeldeten Prüfung Ende Januar scharfe Auflagen kassiert. Unter anderem | |
| sollte stets eine weibliche Fachkraft vor Ort sein, Körper-Kontrollen | |
| sollten unterbleiben. | |
| Auch in der daraus erfolgten „Vereinbarung“ zwischen Heim-Träger und | |
| Landesjugendamt heißt es: „Die Würde der Bewohnerinnen wird gewahrt.“ Die | |
| Bewohnerinen würden nicht „in entwürdigender Weise angeschrien, beschimpft, | |
| nächtens geweckt, oder zum Essen, zum Entkleiden oder zum Strafsport | |
| gezwungen“. Ihnen werde nicht in entwürdigender Weise das Wort verboten | |
| oder entwürdigende Kleidung aufgenötigt. Auch dürften keine Foto- und | |
| Filmaufnahmen gemacht werden, um diese zu entwürdigen. | |
| Als „maßgeblichen Grund“ für die Schließung nennt das Ministerium nun das | |
| Fehlen ausreichend qualifizierten Personals. Daneben entspreche der Umgang | |
| mit den Jugendlichen nicht den vereinbarten pädagogischen Maßstäben. „Das | |
| Wohl der Jugendlichen und deren Würde haben Priorität“, sagte | |
| Sozialministerin Kristin Ahlheit (SPD). | |
| Konkret geschlossen werden sollen das Mädchenhaus „Nana“ und das Haus | |
| „Campina“, die konzeptionell weitgehend identisch seien. Unter anderem gibt | |
| es in den ersten Wochen keinen Kontakt mit Dritten und eine straffe | |
| Tagesstruktur. Die dritte Einrichtung „Charlottenhof“, in welche die | |
| Mädchen kommen nachdem sie Haus Nana erfolgreich durchlaufen haben, ist | |
| nicht betroffen. | |
| Derzeit sind noch 35 Mädchen in den Heimen. Das Landesjugendamt nehme nun | |
| Kontakt mit den zuständigen Jugendämtern auf, um alternative | |
| Unterbringungen vorzubereiten, so das Ministerium. Derzeit wohnt in den | |
| Heimen kein Kind aus Schleswig-Holstein. Aus Hamburg dagegen sind dort noch | |
| zehn Mädchen untergebracht, je fünf aus dem Bezirken Wandsbek und Harburg. | |
| Beide Bezirke kündigten an, zügig Alternativen zu suchen. „Die Schließung | |
| hat uns überrascht“, sagte Harburgs Sprecherin Bettina Maak. Noch vor | |
| kurzem hatte der Senat auf eine Anfrage der Linken behauptet, zwei Mädchen | |
| aus Harburg fühlten sich in dem Heim wohl. | |
| Zum Schließungsverfahren gehört eine Anhörung der Trägerin, die am Mittwoch | |
| stattfinden soll. Die Chefin der privaten Friesenhof GmbH, Barbara Janssen, | |
| sprach von einer Hetzkampagne. Sie bedauerte, dass durch falsche | |
| Behauptungen Vertrauen zwischen Eltern, ihrer Einrichtung und den | |
| Jugendämtern zerstört worden sei. „Unser Konzept ist erfolgreich“, betonte | |
| sie. Im vergangenen Jahr hätten acht Bewohnerinnen einen Schulabschluss | |
| gemacht. | |
| Die Hamburger Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus sagte, sie habe „große | |
| Zweifel, ob im Friesenhof im Sinne des Jugendhilfegesetzes gearbeitet | |
| wird“. Nötig sei eine transparente Aufarbeitung. Trotz der angekündigten | |
| Schließung werde sie ein formales „Aktenvorlageersuchen“ an den Hamburger | |
| Senat stellen. Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Ahlheit habe | |
| „fast alles richtig gemacht“, sagt Boeddinghaus. | |
| Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) dagegen zeige sich ignorant. | |
| Obwohl in den vergangenen sieben Jahren 85 Hamburgerinnen in den Heimen | |
| waren, behauptete er, von den Vorwürfen erst jetzt durch die Linksfraktion | |
| erfahren zu haben. | |
| Inzwischen hat sich bei der Linksfraktion eine 20-jährige ehemalige | |
| Bewohnerin des Heims gemeldet, die bereit ist, ihre Geschichte zu erzählen. | |
| Der taz sagte die junge Frau, sie sei wegen Schulangst nicht zur Schule | |
| gegangen und deshalb in das Heim gekommen, erzählt sie. „Das Jugendamt hat | |
| es sich bei mir leicht gemacht.“ | |
| Inzwischen ist auch die Staatsanwaltschaft Itzehoe aufmerksam geworden. | |
| „Wir führen Vorermittlungen durch, ob sich Anhaltspunkte für verfolgbare | |
| Straftaten ergeben“, sagt Oberstaatsanwalt Uwe Dreeßen. Geprüft werde, ob | |
| wegen Nötigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen oder „Verletzung des | |
| höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ ermittelt werden | |
| müsse. | |
| 2 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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