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# taz.de -- Neue Fälle von Quälerei in Jugendheimen: Strafsport und trocken B…
> In Schleswig-Holstein stehen stehen wieder Jugendheime wegen
> entwürdigender Praktiken in der Kritik. Der Hamburger Senat will dort
> weiter Kinder hinschicken.
Bild: Thema erledigt:Vom Essensentzug sind „keine Hamburger Kinder betroffen�…
Hamburg taz | Knapp ein Jahr nach dem Friesenhof-Skandal steht wieder ein
Heim in der Kritik. Im „Therapiezentrum Rimmelsberg“, einer Einrichtung mit
acht Häusern für 60 Kinder und Jugendliche nahe Flensburg, soll es zu
Missständen gekommen sein. Das räumt der Hamburger Senat in einer Antwort
auf eine Anfrage der Hamburger Linken ein. „Nach Informationen des
Bezirksamtes Eimsbüttel soll unfreiwilliges Joggen im Therapiezentrum
Rimmelsberg bis Ende 2015 der Fall gewesen sein“, heißt es lapidar auf die
Frage der Abgeordneten Sabine Boeddingshaus, ob der Träger „Sport als
Strafmittel einsetzt“.
Ein Anlass für die Anfrage war eine Sammelbeschwerde von Sozialarbeitern
der Anlaufstelle Kids am Hauptbahnhof im Dezember an die Hamburger
Heimaufsicht. Vier Jungen, die im „Hof Seeland“ des Trägers untergebracht
waren, hatten sich den Straßensozialarbeitern anvertraut. „Die Aussagen
sind glaubwürdig. Das Problem ist, sie sind nicht beweisbar“, sagt Burkhard
Czarnitzki, Abteilungsleiter des Kids-Trägers Basis + Woge.
Der taz liegen Auszüge aus der Beschwerde vor. Ein Junge, der 2015 in dem
Heim war, berichtet, man dürfe das Haus nicht verlassen, sonst bekomme man
einen „schwarzen Punkt“. Wer einen schwarzen Punkt habe, werde von der
Restgruppe getrennt und komme „beim Essen an einen Losertisch“. Wenn andere
Jugendliche Kontakt zu dem Jugendlichen aufnähmen, bekämen diese auch einen
schwarzen Punkt. Man dürfe vier Wochen nicht nach Hause.
Bei Regelverstößen habe es als Strafe nichts zu Essen gegeben, manchmal nur
Brot oder eine versalzene Suppe, berichten gleich zwei Jungen, die 2014
dort waren. Einen roten Punkt bekomme, wer sein Zimmer nicht aufräumt oder
keinen Sport macht. Drei rote Punkte ergäben einen schwarzen Punkt.
„Wir mussten mehrmals nachts um drei Uhr zum Sport nach draußen, egal zu
welcher Jahreszeit“, berichtet ein Junge, der schon als Zehnjähriger von
2010 bis 2013 dort war. Die Betreuer sollen die Kinder angeschrien und
grundlos geschlagen haben. Jugendliche hätten vor einem Auto herlaufen
müssen, in dem die Betreuer fuhren. „Das Auto wurde auch mal beschleunigt“,
berichtet ein Junge. Auch von einem „Spezialraum“, in dem Jugendliche
isoliert wurden, ist die Rede. Und von einem Vorfall, bei dem ein Junge
abwechselnd von zwei Betreuern zwei Stunden zu Boden gedrückt wurde.
Der Linksfraktion liegen über ein Dutzend Beschwerden vor. Auch über die
Einrichtung „Heilpädagogische Kinder- und Jugendhilfe Dithmarschen,
Dörpling“, in der ehemalige Mitarbeiter des Friesenhofs arbeiten. Der Senat
räumt nun ein, ihm seien vier Beschwerden zu beiden Trägern bekannt. Dabei
gehe es um körperliche Übergriffe durch „Auf-den-Boden-Drücken“ oder
Festhalten, Herabwürdigende Äußerungen von Erziehern, das Einsetzen von
Sport als Strafe und „zu wenig oder eintöniges Essen“.
Eine Beschwerde aus dem Jahr 2013 beziehe sich auf Dörpling und betreffe
das Essen und bauliche Mängel. Die übrigen drei betreffen Rimmelsberg. Es
sei bekannt, „dass es zu körperlichen Übergriffen einzelner Erzieher in
Konfliktsituationen gekommen ist“, so der Senat. In einem Fall aus dem
Januar 2016 habe der Träger Strafanzeige geben die Pädagogin gestellt und
diese bis zur Klärung der Vorfälle suspendiert.
Einen Grund, Rimmelsberg nicht mehr zu belegen, sieht die Stadt aber nicht.
Die Heimaufsicht befinde sich im regelmäßigen Austausch mit dem Träger, der
„zugesichert hat, die beanstandeten Maßnahmen in allen Fällen nicht mehr
einzusetzen“. Auch sei das pädagogische Konzept jetzt verändert. Und dass
die Haltung der Mitarbeiter bei dem beschriebenen Verhalten „absolut
inakzeptabel“ sei, habe der Träger bestätigt. Der Geschäftsleiter von
Rimmelsberg selbst war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die pädagogische Leiterin ging zwar ans Telefon, sagte aber: „Ich bin erst
seit wenigen Tagen hier.“
Auch 2016 hat Hamburg dort wieder 21 Kinder und Jugendliche untergebracht.
Man habe keine Unterbringung beenden müssen, schreibt der Senat in seiner
Antwort. Die Mitarbeiter, die fragwürdige Methoden angewendet hätten, seien
„sanktioniert“ worden. Es soll „mehrere Kündigungen sowie Beurlaubungen …
zur Kündigung“ gegeben haben. Außerdem sei das sanktionierende Punktesystem
inzwischen durch ein „individuelles Belohnungssystem“ ersetzt, zum Beispiel
in Form „besonderer Freizeitaktivitäten“.
Auf die Frage, ob es Essensentzug gab, erklärte der Senat, es seien keine
Hamburger Kinder betroffen. Hamburg müsse gemeinsam mit Schleswig-Holstein
Verantwortung übernehmen und könne sich nicht so rausstehlen, meint
Boeddingshaus. „Es muss endlich Schluss sein mit schwarzer Pädagogik in
vermeintlich offenen Einrichtungen.“ Sie geht davon aus, dass wie beim
Friesenhof weitere Jugendliche betroffen sind, die sich noch nicht trauten,
zu sprechen.
„Es erinnert mich sehr an den Friesenhof und kommt mir vor wie ein
Déjà-vu“, sagte Wolfgang Dudda von der Piraten-Fraktion in Kiel. Beide
Fraktionen gemeinsam fordern, die Beschwerden genauestens zu prüfen und
Einrichtungen zu schließen, wenn sich die Aussagen der Betroffenen
bestätigen. Dudda seinerseits fragt jetzt bei Sozialministerin Kristin
Alheit (SPD) in Kiel nach, seit wann sie von Sanktionen wie „Sport als
Strafmittel“ weiß.
5 May 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
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