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# taz.de -- Untersuchungsausschuss Friesenhof: „Nicht gut aufgehoben gefühlt…
> Die Kieler Heimaufsicht ließ sich von einem Anwalt des Heims
> einschüchtern. Das wurde bei der Zeugenaussage eines Sachbearbeiters
> deutlich.
Bild: Geschlossen – aber viel zu spät: Friesenhof-Heim in Hedwigenkoog.
KIEL taz | Er war gerade mal drei Wochen im Dienst, da bekam Mark
Westermann, Sozialarbeiter und Mitarbeiter der Heimaufsicht in Kiel, im
November 2013 den Fall der Friesenhof Mädchenheime auf den Schreibtisch.
Sofort sei er hingefahren und habe mit einer Kollegin eine „örtliche
Prüfung“ gemacht, berichtete er am Montag als Zeuge vor dem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Beschwerden gingen von
fehlender Privatsphäre der untergebrachten Mädchen bis hin zu Strafsport
und Provokation der Kinder im Rahmen der Konfrontativen Pädagogik. Er habe
seinerzeit eine „Kindeswohlgefährdung“ nicht festgestellt, sagte der
50-jährige Zeuge, wohl aber „Rückschlüsse auf konzeptionelle Schwächen“
gezogen.
Darüber wollte er mit dem Träger reden. Doch schon bald schaltete
Betreiberin Barbara Janssen den Fachanwalt Rüdiger Meier aus Hamburg ein.
Damit war, so Westermann „die rechtliche Ebene erreicht“. Er konnte nicht
mehr „mit dem Träger direkt kommunizieren“.
## Missstände 2011 erkannt
Im Juni 2015 wurden die Friesenhof-Heime in Dithmarschen geschlossen. Zu
spät, meint die Opposition. Dabei ging das sechsköpfige Team der Kieler
Heimaufsicht schon seit Ende 2011 und „insbesondere ab Oktober 2013 davon
aus, dass es sich nicht mehr um Beschwerden der ‚üblichen Art‘, sondern um
massives Fehlverhalten diverser Mitarbeiter/innen handelt, dies
wahrscheinlich durch die Leitungsebene der Einrichtung verstärkt, aber
zumindest gebilligt wurde“. So steht es in einem Vermerk vom 22. Juni 2015,
den der Zeuge mit unterschrieben hatte.
Doch die juristische Einschätzung von Westermanns Vorgesetzter, der
Referatsleiterin Sabine Toffolo, war, dass eine rasche Schließung vor
Gericht keinen Bestand hätte. Die Korrespondenz mit dem Anwalt aus Hamburg
hatte offenbar tiefen Eindruck hinterlassen.
Westermann las zu Beginn seiner Aussage einen Text vor, in dem er
schilderte, dass viele Mädchen die straffe Struktur „auch als Chance“
gesehen hätten. Viele Beschwerden ließen sich weder zeitlich noch
inhaltlich bestimmen und seien „teilweise widerlegt“. Zwar habe sich
bestätigt, dass sich „die Kinder dort in dem konzeptionellen Rahmen nicht
gut aufgehoben gefühlt haben“. Auch Meldungen des ehemaligen Mitarbeiters
H., der sich 16-mal an die Heimaufsicht wandte, weil die Kinder provoziert
wurden und stundenlang sitzen mussten, hätten sich bestätigt.
Auf die Frage, welche Vorwürfe widerlegt worden seien, antwortete
Westermann nur zögerlich. Schließlich räumte er ein, Freiheitsentziehende
Maßnahmen, Kontaktsperren und das körperliche Durchsuchen bei der Aufnahme
hätten zwar stattgefunden. Die Maßnahmen hätten sich aber durch die
Auskunft von Anwalt Meier „relativiert“, sie seien „mit den zuständigen
Jugendämtern der Kinder so vereinbart worden“. Diese Dinge seien „als
Notlösung angesehen worden, was die Klientel angeht“.
## Warten auf Partizipation
Kritisch gesehen habe die Heimaufsicht die Anwendung der Konfrontativen
Pädagogik. Dies sei zwar eine „anerkannte pädagogische Methode“, bei der
ein Pädagoge ein Kind, das verbale Mittel einsetzt, „mit gleichen Mitteln
konfrontiert“. Doch die Art und Weise, wie die Konfrontative Pädagogik im
Friesenhof eingesetzt wurde, habe die Heimaufsicht „als nicht gut
angesehen“, so Westermann
Auch die Frage der Partizipation und der Beschwerdemöglichkeiten der Kinder
– seit 2012 gesetzlich vorgeschrieben – fand der Heim-Kontrolleur im
Friesenhof nicht gut gelöst. Die Kinder sollten einen „Bürgermeister“
wählen, der ihre Beschwerden in der Dienstbesprechung vorträgt. Das fand
Westermann zu wenig demokratisch. Die Heimchefin habe ihm versprochen, sie
werde eine neue Konzeption erstellen. „Darauf habe ich ziemlich lange
gewartet.“
## Fachkräftemangel im Heim
Unübersehbar war, dass dem Friesenhof Fachkräfte fehlten. Die
Ausschussvorsitzende Barbara Ostmeier (CDU) hielt dem Zeugen sieben
Schreiben vor, von Oktober 2013 bis März 2015 datiert, in denen er die
Nicht-Einhaltung der Fachkräftequote beim Friesenhof angemahnt hatte. Das
kann ein Anlass sein, Heime zu schließen. Doch Anwalt Meier habe
argumentiert, eine Fachkräfte-Quote gebe es rechtlich gar nicht.
Dennoch vereinbarte Westermann mit dem Träger, zumindest die Einrichtungen
„Birkenhof“ und „Elbenhof“ zu schließen. Ende 2014 schrieb er in einem
Vermerk, er habe das Gefühl, der Friesenhof sei nicht mehr in der Lage,
eine positive Änderung herbeizuführen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Schleswig waren Mädchen gelandet, die sich selbst verletzt hatten, um aus
dem Friesenhof herauszukommen.
Die Heimaufsicht erließ eine umfangreiche Auflagenverfügung. „Irgendwann“,
sagt der Zeuge, der allein für 210 Jugendheime zuständig war und nach
eigener Aussage nicht mal die Zeit fand, die Friesenhof-Akten seines
Vorgängers zu lesen, müsste man „einen Schlussstrich ziehen“.
30 May 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
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