# taz.de -- Bilanz nach Friesenhof-Ausschuss: Heimlich geschlossen | |
> Der PUA-Untersuchungsbericht steht jetzt im Netz. Das Land habe mit dem | |
> Mädchencamp Nanna faktisch ein geschlossenes Heim toleriert, kritisieren | |
> die Piraten. | |
Bild: In das hier abgebildete ehemalige Heim Feuerbergstraße kamen Kinder nur … | |
HAMBURG TAZ Mit einem eigenen Votum hat die Piraten-Fraktion einen | |
Schlussstrich unter den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) | |
Friesenhof gezogen. Faktisch habe das Landesjugendamt toleriert, dass über | |
Jahre mindestens im Camp Nanna „Mädchen und junge Frauen eingesperrt | |
wurden“, ohne dass es hierfür die notwendige gerichtliche Entscheidung gab, | |
heißt es im PUA-[1][Abschlussbericht], der nun öffentlich ist. | |
Wie berichtet, endete der Ausschuss mit Streit. SPD, Grüne und SSW bedauern | |
zwar die restriktive Pädagogik in den Mädchenheimen, wollen aber keine | |
akute Kindeswohlgefährdung festgestellt haben. CDU und FDP sehen es als | |
belegt an, dass in den Friesenhof-Heimen das Kindeswohl nicht gesichert | |
war. Beide Lager haben aber am Verhalten der verantwortlichen Minister | |
nichts zu beanstanden. | |
Das sehen nun die Piraten in ihrem Votum anders. Es habe eine „Tradition | |
des Wegschauens“ auf nahezu allen Ebenen gegeben. So hatte ein Mitarbeiter | |
der Heimaufsicht bereits 2009 im Mädchencamp Nanna bei einer Begehung teils | |
verschraubte Fenster und verschlossene Türen vorgefunden und gefordert, | |
diese sofort wieder mit Griffen zu versehen. Doch der folgende | |
Kontrollbesuch war angekündigt. | |
Im Januar 2011 beschwerte sich die Meldorfer Familienrichterin Christiane | |
Orgis, sie habe aus mehreren Verfahren den Eindruck, es handele sich beim | |
Camp Nanna um ein Heim, das „teilweise faktisch geschlossen ist“. Es | |
bestehe der „dringende Verdacht der Freiheitsberaubung“. Doch es änderte | |
sich nichts Grundlegendes. | |
Ebenso nicht 2014, als Orgis in der Zeitschrift „Das Jugendamt“ von dem | |
faktisch geschlossenen Heim „weit abgelegen auf dem Land“ schrieb. | |
Offiziell gebe es solche Heime nicht, doch der Landesregierung sei dies | |
„nach Kenntnis der Autorin bekannt“. | |
Die Piraten führen die Duldung des Heimes auf den politischen Diskurs | |
Anfang des Jahrtausends um Jugendgewalt und besonders schwierige | |
Jugendliche zurück. Doch schon das im Friesenhof angewandte Stufen-Konzept, | |
das auf der Idee basierte, den Mädchen zunächst sämtliche Freiräume zu | |
entziehen, um ihnen dann Gelegenheit zu bieten, sich diese Freiräume Stück | |
für Stück durch Wohlverhalten zu verdienen, bedeute Freiheitsentzug. Das | |
hätte bei der Genehmigung des Konzepts auffallen müssen. | |
Als im Juni 2015 durch eine Anfrage der Hamburger Linken der Friesenhof zum | |
Skandalfall wurde, schrieben die sechs Kollegen der Heimaufsicht in einem | |
internen Vermerk sogar, dass ihnen die Probleme lange bekannt waren. Nach | |
ihrer „fachlichen Einschätzung“ handele sei sich beim Friesenhof schon seit | |
2011 nicht nur um Beschwerden der üblichen Art, sondern um massives | |
Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter, dass durch die Leitungsebene des Heims | |
wahrscheinlich verstärkt, zumindest aber „gebilligt worden ist“. Von | |
Entwürdigung und Missachtung der Menschenrechte ist die Rede. Doch die | |
juristische Einschätzung der Referatsleiterin sei gewesen, dass der Entzug | |
der Betriebserlaubnis bei Gericht wahrscheinlich keinen Bestand habe. | |
„Allein die hypothetische Gefahr von Regressansprüchen hat genügt, dass man | |
im Landesjugendamt bereit war, das immer wieder festgestellte Leid der | |
Kinder hinzunehmen“, kritisiert der Abgeordnete Dudda. Damit habe man den | |
wirtschaftlichen Interessen des Landes den deutlichen Vorzug vor dem | |
Kindeswohl gegeben. Doch woher die Angst vor Schadenersatzforderungen | |
rühre, habe kein Mitarbeiter im PUA darlegen können. | |
Möglich sei der Friesenhof-Skandal auch geworden, weil es im | |
Sozialministerium „keine verbindliche und vorgegebene | |
Organisationsstruktur“ gab, die brisante Vorgänge an die Hausspitze meldet, | |
sagt Dudda. Die übrigen Parteien scheuten sich aus politischer | |
Rücksichtnahme, diese Missstände „klar zu benennen“. | |
16 Mar 2017 | |
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[1] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/5200/drucksache-18-5272.… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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