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# taz.de -- Vorwürfe gegen Dithmarscher Jugendeinrichtung: „System der Bespi…
> Das Landesjugendamt verbot einer Einrichtung entwürdigende Maßnahmen.
> Hamburger Linkspolitiker wollen Genaueres wissen.
Bild: Verlangt Aufklärung über die Zustände in den „Friesenhof“-Heimen: …
Dithmarschen taz |Weil ihr scharfe Auflagen erteilt wurden, gerät die
Dithmarscher Jugendhilfeeinrichtung „Friesenhof“ in die Schlagzeilen.
Unangekündigt hatte die schleswig-holsteinische Heimaufsicht Ende Januar
die drei Heime „Mädchencamp Nana“, „Campina“ und „Charlottenhof“ �…
Anlass waren Beschwerden ehemaliger Betreuter und Mitarbeiter. Am 30.
Januar verfügte das Landesjugendamt Schleswig Holstein dann insgesamt zehn
Auflagen für den weiteren Betrieb, die inzwischen durch eine
Betriebsvereinbarung ersetzt worden sind.
Publik gemacht hat den Vorgang am vergangenen Freitag die Hamburger
Linksfraktion - denn untergebracht waren dort auch Mädchen und junge Frauen
aus der Hansestadt.
In der Verfügung vom 30. Januar, die der taz vorliegt, wird der Trägerin
„untersagt, dass sich Betreute vor dem Betreuungspersonal nackt ausziehen
müssen“. Ferner dürfen den Mädchen keine persönlichen Gegenstände
weggenommen werden, darf Post nicht geöffnet, gelesen oder zurückgehalten
werden. Kollektivstrafen und entwürdigende Maßnahmen wurden untersagt,
„insbesondere ,Aussitzen‘, Anschreien, Beschimpfungen, Wecken zur Nachtzeit
(außer in Notfällen), Essensentzug, Zwang zur Essensaufnahme, Zwang zum
Tragen bestimmter Kleidung, Zwang zum Entkleiden, Sprechverbot, Strafsport,
Sport zur Nachtzeit etc.“
Es sei der Eindruck entstanden, dass in den Heimen „Erziehungsmethoden
angewandt werden, die geeignet sind, das Kindeswohl zu gefährden“, erklärte
die Heimaufsicht. Die ersten sieben Auflagen erfolgten demnach „unabhängig
davon, ob solche Rechtsverletzungen in der Vergangenheit tatsächlich
stattgefunden haben“.
Die Trägerin wurde nun verpflichtet, jederzeit eine weibliche Kraft als
Ansprechpartnerin bereitzustellen, auch müssen fehlende Fenstergriffe
wieder angebracht werden. Auch die gegenseitige Kontrolle der Mädchen fand
das Amt nicht in Ordnung: Betreuten und Mitarbeitern zufolge sei jedem
Mädchen ein anderes als „Patin“ zugeteilt worden, „die bei Regelverstö�…
durch die Betreute mitbestraft werde und im Übrigen gewisse
Kontrollaufgaben wahrnehme“. Nach den Schilderungen dürfe „keines der
Mädchen alleine zur Toilette oder zum Duschen gehen, stets müsse eine
,Patin‘ dabei sein, um Fehlverhalten oder Entweichen zu verhindern“.
Solches Delegieren von Betreuungsaufgaben sei „unzulässig“, erklärt die
Aufsicht: Durch das „System der Bespitzelung“ werde eine Verletzung der
Intimsphäre installiert.
Eine Kopie der Verfügung ging im Februar an die Hamburger Jugendämter, die
Mädchen im „Friesenhof“ untergebracht haben. Dies nahmen die
Linken-Abgeordneten Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz zum Anlass für
eine schriftliche Anfrage an den Hamburger Senat. Dessen Antwort brachte
zutage, dass seit 2008 insgesamt 80 Hamburger Mädchen in
„Friesenhof“-Heimen lebten - und dass auch bei den betreffenden
Jugendämtern sechs Beschwerden eingingen.
Eine Unterbringung durch das Jugendamt Hamburg-Mitte ist inzwischen beendet
worden, aktuell sind noch fünf Mädchen aus Hamburg-Wandsbek in den
„Friesenhof“-Heimen untergebracht. Die Linke fragte nun, ob das Jugendamt
diese Mädchen seither „aufsuchend begleite“. Darauf antwortet der Senat,
das Bezirksamt halte die Auflagen für „ausreichend, um den Kinderschutz zu
gewährleisten“.
Insgesamt kann nach Einschätzung des Senats Entwarnung gegeben werden. So
habe das Landesjugendamt die vorgefundene Situation „nicht als
Kindeswohlgefährdung beurteilt“. Die verhängten Auflagen fußen demnach auf
Aussagen, welche die Mädchen bei der unangemeldeten Überprüfung getätigt
hätten. Es gebe keine weiteren Anhaltspunkte, um zu klären, „ob sich die
Dinge so zugetragen haben“. Die Einrichtung habe sich „ausgesprochen
kooperativ“ verhalten, Missstände seien „offensichtlich durch einzelne
Mitarbeiter verursacht“ worden, die größtenteils nicht mehr dort
beschäftigt seien.
Die Leiterin der „Friesenhof“-Heime, Barbara Janssen, wies die Vorwürfe
zurück. Hätten diese sich bewahrheitet, sagte sie dem NDR-Fernsehen, würde
man nicht mehr arbeiten: „Dann hätte uns die Heimaufsicht die
Betriebserlaubnis entziehen müssen und hätte das auch getan.“
Die Hamburger Linksfraktion gibt sich damit nicht zufrieden und kündigt
weitere Anfragen an. „Wir möchten das neue Konzept sehen, um zu überprüfen,
wie sich der Alltag im Friesenhof wirklich gestaltet“, so Boeddinghaus.
Jenes Papier aber gibt der Senat ohne formales „Aktenvorlageersuchen“ nicht
heraus.
Die Verfügung „untersagt, dass sich Betreute vor dem Personal nackt
ausziehen müssen“
tazHH_hamburg_132985
31 May 2015
## AUTOREN
Kaija Kutter
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