| # taz.de -- Schwere Vorwürfe gegen Mädchenheim: Nacktkontrollen bleiben erlau… | |
| > Weil der Träger klagte, hat das Landesjugendamt Auflagen für den | |
| > Heimbetreiber Friesenhof entschärft. Die Linke will nun Akten einsehen. | |
| Bild: Keine Zeit für Evaluationen: Friesenhof-Chefin Barbara Janssen | |
| HAMBURG taz | Während in Kiel und Hamburg Pressekonferenzen liefen, standen | |
| in Dithmarschen die Prüfer vor den Mädchenheimen Nanna und Charlottenhof. | |
| Der Vor-Ort-Termin der Kieler Heimaufsicht sei schon länger geplant | |
| gewesen, sagte die Staatssekretärin des Kieler Sozialministeriums, Anette | |
| Langner. Der Zeitpunkt nach Bekanntwerden von Vorwürfen gegen den privaten | |
| Betreiber Friesenhof sei reiner Zufall. Die Einrichtung, in der Mädchen im | |
| Alter zwischen 15 und 18 Jahren untergebracht sind, steht wegen rigider | |
| Erziehungsmethoden in der Kritik. | |
| „Wir haben die Vorwürfe ernst genommen, wir sind mit dem schärfsten | |
| denkbaren Instrument vorgegangen“, sagte Langner, zu deren Ministerium das | |
| Landesjugendamt sowie die Heimaufsicht in Schleswig-Holstein gehören. Nach | |
| Bekanntwerden mehrerer Vorfälle fand im Januar eine unangemeldete Prüfung | |
| statt. Dabei fand die Heimaufsicht konkrete Mängel, darunter fehlenden | |
| Fenstergriffe, die es etwa im Brandfall unmöglich machten, die Zimmer zu | |
| verlassen. | |
| Die Beschwerden der Mädchen und zweier ehemaliger Mitarbeiter, die sich | |
| unabhängig voneinander an die Heimaufsicht gewandt hatten, gingen aber in | |
| eine andere Richtung. Zum Beispiel gebe es ein „Patinnen-System“, bei dem | |
| je ein Mädchen für das Fehlverhalten eines anderen haften muss. Auch von | |
| „Anschreien, Beschimpfungen, Wecken zur Nachtzeit, Essensentzug, Zwang zur | |
| Essensaufnahme, Zwang zum Tragen bestimmter Kleidung, Zwang zum Entkleiden, | |
| Sprechverbot, Strafsport“ war die Rede. | |
| „Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit, dass alle diese Dinge passiert | |
| sind“, betonte Langner. Daher habe das Heim seine Betriebserlaubnis | |
| behalten, allerdings unter scharfen Auflagen. Darin ist aufgezählt, welche | |
| Dinge nicht mehr stattfinden dürfen - ohne dass das Ministerium belegen | |
| kann, dass es sie gab. | |
| Einen Teil der Vorwürfe räumten der Betreiber Friesenhof laut Langner | |
| allerdings ein, darunter das inzwischen gestoppte „Patinnen-System“. Auch | |
| Nackt-Kontrollen habe es gegeben, wobei aber nur weibliche Angestellte | |
| anwesend gewesen seien. Die Mädchen wurden dabei auf Waffen und Drogen | |
| untersucht - es habe einen Fall gegeben, bei dem ein „Stilett im BH“ | |
| gefunden wurde, hieß es in Kiel. | |
| Der privat-kommerzielle Friesenhof hatte zunächst gegen die Auflagen des | |
| Ministeriums in Gänze geklagt, da die Betreiber einige Vorwürfe als | |
| Unterstellung zurückgewiesen hatten. Inzwischen ist die Klage | |
| zurückgezogen. Betreiber und Aufsicht haben sich auf den konkreten | |
| Auflagenkatalog geeinigt. Langner machte deutlich: „Ein Verstoß, und die | |
| Betriebserlaubnis wird entzogen.“ Für die erneute Prüfung führten | |
| Mitarbeiter gestern Nachmittag noch Gespräche mit den Mädchen. Das Ergebnis | |
| stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. | |
| Derweil spricht Heimleiterin Barbara Janssen von einer bösen Kampagne von | |
| ehemaligen Mitarbeitern, die vor allem die Mädchen treffe. „Für alle | |
| Maßnahmen, die ergriffen werden, gibt es einen Grund.“ Zum Beispiel werde | |
| ankommende Post in Gegenwart der Mädchen geöffnet, weil es schon passiert | |
| sei, dass eine Großmutter Marihuana mitschickte. „Es gab eine Verfügung, | |
| die nicht mit mir abgesprochen war“, sagte sie der taz. Nach einem längeren | |
| Gespräch mit der Heimaufsicht habe man sich Mitte April auf eine | |
| „Vereinbarung“ verständigt, „in der die Dinge ganz anders dargestellt | |
| werden“. | |
| In der Tat liest sich dieses Dokument anders als der Auflagenbescheid vom | |
| 30. Januar. Körperkontrollen, auch das vollständige Entkleiden einer | |
| Bewohnerin, sind erlaubt, sofern sie durch weibliche Betreuungskräfte | |
| durchgeführt werden und der Anlass dokumentiert ist. Persönliche | |
| Gegenstände dürfen den Mädchen abgenommen werden, wenn ihr Besitz eine | |
| „Beeinträchtigung ihrer Erziehung“ bedeutet. Telefonate und Post können | |
| unter bestimmten Bedingungen kontrolliert werden. Und mit Zustimmung der | |
| Sorgeberechtigten und des Jugendamtes wird den Mädchen in den ersten acht | |
| Wochen nach ihrer Aufnahme der Kontakt zu Dritten untersagt. Erlaubt ist | |
| nur der Kontakt mit dem Jugendamt. | |
| Janssen sagt, dass die Mädchen in den seltensten Fällen freiwillig im | |
| Friesenhof sind, aber es für viele die letzte Anlaufstelle sei. „Die | |
| meisten haben Auflagen vom Gericht oder die Eltern wissen nicht mehr | |
| weiter.“ Das mehrstufige Bewährungs-System und der strikte Tagesablauf | |
| helfe den Mädchen. Eine Evaluation der nunmehr 15-jährigen Heimarbeit gebe | |
| es leider nicht. „Dazu kommen wir nicht. Wir sind zu sehr mit dem | |
| Tagesgeschäft beschäftigt.“ | |
| Kontaktsperren und Stufenkonzepte seien pädagogisch nicht „State of the | |
| art“, sagte die Erziehungswissenschaftlerin Leonie Wagner vom „Verband | |
| Kinder und Jugendarbeit“ auf der Pressekonferenz der Hamburger Linken zu | |
| den Zuständen bei Friesenhof. Gerade für Kinder mit belasteten | |
| Lebensgeschichten sei dies nicht förderlich. Auch die | |
| Bürgerschaftsabgeordnete Sabine Boeddinghaus bekräftigte ihre Kritik. „Wir | |
| haben Zweifel, ob im Friesenhof im Sinne des Jugendhilfegesetzes gearbeitet | |
| wird“, sagte sie. Um dies zu klären, werde Die Linke gemeinsam mit anderen | |
| Fraktionen ein Aktenvorlageersuchen stellen. | |
| 2 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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