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# taz.de -- Finanztransaktionssteuer kommt: Brüssel will Börsen bremsen
> Einst wurde sie als Hirngespinst von Links-Ökonomen abgetan, jetzt führen
> elf Euro-Staaten eine Zockerabgabe ein. Doch das Projekt hat Tücken.
Bild: Hier wird es bald ein bisschen teurer: Fragt sich, wer das zahlt.
BRÜSSEL rtr | Die neue Finanzmarktsteuer in Deutschland und zehn anderen
Euro-Staaten soll dem Handel mit spekulativen Finanzprodukten einen
kräftigen Dämpfer versetzen. Die EU-Kommission rechnet durch den am
Donnerstag vorgelegten Gesetzentwurf mit einem Rückgang des Volumens von
Derivate-Geschäften um bis zu 75 Prozent.
Die neue Steuer werde außerdem so ausgestaltet, dass eine Abwanderung in
steuerfreie Gebiete innerhalb und außerhalb der Europäischen Union kaum
möglich sei, erklärte Steuerkommissar Algirdas Semeta in Brüssel. Die
Kreditwirtschaft bekräftigte ihre Kritik an dem Plan: Die Verlagerung des
Handels sei nicht zu vermeiden. Die Steuer werde außerdem die Rentner über
schrumpfende Erträge bei Pensionsfonds und Versicherungen treffen.
Die beteiligten Euro-Länder müssen das Gesetz einstimmig beschließen, damit
es wie geplant zum 1. Januar 2014 inkraft treten kann. Das Europäische
Parlament hat kein Mitentscheidungsrecht. Der Entwurf sei eine gute
Grundlage für die kommenden Beratungen, erklärte das
Bundesfinanzministerium in Berlin. "Dabei gilt es, negative Auswirkungen
der Steuer auf die Altersvorsorge, auf Kleinanleger sowie die
Realwirtschaft zu vermeiden." Deutschland und Frankreich treiben die
Einführung der Steuer maßgeblich voran. Die Bundesregierung hatte letztlich
auch unter dem Druck der Opposition gestanden, weil die SPD ihre Zustimmung
zum EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin davon abhängig gemacht hatte.
## Beitrag zu Kosten der Finanzkrise
Mit der Steuer sollen Banken und andere Finanzinstitute ihren Beitrag
leisten zu den Kosten der Finanzkrise, die bisher überwiegend vom
Steuerzahler getragen wurden. Sie bringt nach Schätzungen der Kommission 30
bis 35 Milliarden Euro jährlich ein. Welcher Anteil davon auf Deutschland
entfallen kann, ist noch nicht absehbar. Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble hat für den Haushalt 2014 aber bereits zwei Milliarden Euro aus
der Steuer einkalkuliert.
Der Steuersatz soll 0,1 Prozent auf das Handelsvolumen mit Aktien, Anleihen
und Anteilen von Investmentfonds oder Geldmarktgeschäften betragen. Auf
Termingeschäfte würden 0,01 Prozent erhoben. Steuerpflichtig wären fast nur
Finanzinstitute. Gewöhnliche Bankgeschäfte wie Kredite und Sparanlagen oder
Versicherungen werden nicht erfasst. Auch die Regierungen selbst oder der
Euro-Rettungsfonds ESM wären mit ihrem Anleihehandel ausgenommen.
Die Steuer soll zunächst nur in elf Euro-Staaten eingeführt werden: Neben
Deutschland und Frankreich nehmen Italien, Spanien, Österreich, Belgien,
Estland, Griechenland, Portugal, die Slowakei und Slowenien teil.
Möglicherweise kommen weitere Länder hinzu. Nachdem im Kreis der 27
EU-Mitgliedstaaten vor allem wegen des Widerstands Großbritanniens und
Schwedens keine Einigung zu erreichen war, entschlossen sich diese Länder
zu einem Alleingang. Nach EU-Recht ist das möglich, wenn mindestens neun
Staaten ein Gesetzesvorhaben unterstützen.
Im Vergleich zu dem im Herbst 2011 vorgelegten ersten Entwurf für die
gesamte EU hat die Kommission die Kriterien für die Steuerpflicht
verschärft, um Schlupflöcher zu schließen. Die Steuer ist nicht nur fällig,
wenn einer der beteiligten Handelspartner seinen Sitz in den elf
Euro-Ländern hat, sondern auch auf Geschäfte mit Wertpapieren, die in der
Steuerzone ausgegeben wurden. Auf Kritik der USA hin, die vor zwei Jahren
die Einführung einer globalen Transaktionssteuer verhindert hatten,
erklärte Semeta, wer in Europa seine Dienste anbiete, müsse dort auch
Steuern zahlen.
Die Euro-Staaten setzen darauf, dass der in den vergangenen Jahren rapide
gewachsene Handel mit spekulativen Finanzprodukten durch die Steuer stark
zurückgefahren wird. Das Handelsvolumen bei Termingeschäften könne um 75
Prozent sinken und sich damit auf die wirtschaftlich sinnvollen
Transaktionen beschränken, erklärte ein EU-Vertreter. Der Aktien- und
Anleihehandel könnte um 15 Prozent schrumpfen. Auch der Hochfrequenzhandel
soll dadurch entschleunigt werden.
## Kreditwirtschaft auf der Zinne
Die deutsche Kreditwirtschaft kritisierte, weil wichtige Finanzplätze wie
London und Luxemburg nicht im Boot seien, drohe eine Verlagerungen des
Handels in diese Länder ohne Abgabe. "Eine Finanztransaktionssteuer in
dieser Form schadet sowohl dem Binnenmarkt insgesamt als auch dem
Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich", erklärte der Deutsche
Sparkassen- und Giroverband im Namen aller Bankenverbände. Die Steuer werde
Rentner und Kleinsparer treffen. Auch die Deutsche Börse kritisierte, die
Euro-Staaten erreichten mit der Steuer nur das Gegenteil des eigentlichen
Ziels, die Finanzmärkte stabiler und transparenter zu machen. Die Steuer
sei "ein Geschenk an die weniger regulierten und intransparenten
Finanzmärkte".
Die Banken brüten bereits darüber, wie sie die Steuer vermeiden können.
"Die Finanzindustrie wird sehr rasch mobilisieren, über strategische
Lösungen nachzudenken", sagte Mark Persoff, Steuerexperte von der
Beratungsfirma Ernst & Young.
14 Feb 2013
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