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# taz.de -- Kolumne Vom Überleben in der Krise: Kein Wachstum ist auch keine L…
> Aus der Krise kann man man sich nicht heraussparen. Der Deutsche
> Gewerkschaftsbund hat zur Rettung einen „Marshallplan für Europa“
> vorgestellt.
Bild: George C. Marshall, ehemaliger US-Außenminister und Vater des nach ihm b…
Nicht nur die Gewerkschaften, auch Ökonominnen und Ökonomen jenseits der
Standardrepertoirevertretungen reden sich den Mund fusselig, dass man sich
aus einer Krise nicht heraussparen kann. Selbst der IWF hat es ganz
offiziell vorgerechnet: Die Kürzungspolitik, wie sie den schuldengeplagten
Ländern in Europa aufgeherrscht wird, lässt die Wirtschaft weitaus stärker
schrumpfen, als die Troika von IWF, Europäischer Zentralbank und
EU-Kommission angenommen hat – so stark, dass die Schuldenquote sogar
weitersteigt.
Die Politik hat inzwischen auf das Offenkundige reagiert. Selbst die neue
eiserne Lady Angela Merkel schlägt ein bisschen Wachstumspolitik „als neues
Element der Solidarität“ in Europa vor, freilich nur für Länder, die
ordentlich weiterkürzen – und zwar ein Vielfaches dessen, was ihnen
überhaupt aus irgendwelchen schöngerechneten Wachstumstöpfen in Aussicht
gestellt wird.
Mit einer deutlich größeren Anstrengung könnte es jedoch funktionieren. Der
Deutsche Gewerkschaftsbund hat Anfang Dezember einen „Marshallplan für
Europa“ veröffentlicht, den er „der europäischen Öffentlichkeit, vor all…
aber unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen“ zur Diskussion stellen
will.
Der Vorschlag verbindet ein kurzfristiges Konjunktur- und
Investitionsprogramm mit einem eher langfristigen „Aufbauprogramm“. Über
zehn Jahre hinweg sollen in Europa jeweils 260 Milliarden Euro ausgegeben
werden. Das soll jährlich einen zusätzlichen Wachstumsimpuls von drei
Prozent bringen und dauerhaft neun bis elf Millionen Vollzeitarbeitsplätze,
was angesichts von 19 Millionen offiziell Arbeitslosen in der Eurozone
nicht zu unterschätzen ist.
## Pauschales Schrumpfideal
Doch das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Gewerkschaften
notorisch Wachstumsfetischismus vorwerfen. Unbegrenztes Wachstum innerhalb
begrenzter Systeme sei unmöglich, zerstörerisches Wachstum habe zu den
vielfältigen gegenwärtigen Krisen beigetragen, so lauten einige Argumente
von WachstumskritikerInnen. Schwierig wird es, wenn daraus einem pauschalen
Schrumpfideal das Wort geredet wird.
Kein Wachstum ist auch keine Lösung: In Griechenland ist die Wirtschaft
seit Ausbruch der Finanzmarktkrise um 20 Prozent geschrumpft. Auch in
Spanien und Portugal liegt das Bruttoinlandsprodukt um fünf und sechs
Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Tendenz 2013: weiter negativ. Ich kenne
niemanden, der oder die diese Entwicklungen als Ideal interpretieren würde.
Statt dem Vorschlag reflexartig Wachstumsfixierung zu bescheinigen, lohnt
ein näheres Hinsehen. Zunächst ist der Angebots-Charakter etwas Besonderes.
Die Gewerkschafter reden gar nicht von einer Patentlösung. Stattdessen
laden sie ein zur gemeinsamen Diskussion. Das ist das glatte Gegenteil zum
Troikadiktat.
## Löwenanteil für die Energiewende
Zweitens will das Programm Zukunftsfragen beantworten: die soziale
Spaltung, die Alterung der Gesellschaften, der Klimawandel. Erst daraus
leiten sich potenzielle Investitions- und Wachstumsfelder ab. So soll mit
150 Milliarden Euro jährlich der größte Teil der Investitionen in die
Energiewende fließen. Und drittens soll das Programm über einen Fonds
finanziert werden, der sich aus einer europaweit erhobenen Vermögensabgabe
sowie aus Einnahmen aus einer breit angelegten Finanztransaktionssteuer
speist.
Zumindest eine Branche würde durch den Vorschlag schon kurzfristig
geschrumpft: Die Finanztransaktionssteuer macht das spekulative
Investmentgeschäft teilweise unrentabel. Andere Bereiche wie Bildung,
Pflege, altersgerechtes Bauen würden wachsen. Wie das weitergeht, wenn
soziale Spaltungen überwunden und individuelle Chancen und Wahlfreiheiten
gewährleistet sind, werden wir sehen, wenn es so weit ist.
29 Dec 2012
## AUTOREN
Sabine Reiner
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