# taz.de -- Kommentar Finanztransaktionssteuer: Fortschritt bei der Steuerflucht | |
> Privatpersonen ist steuerlich klar beizukommen. Bei Firmen hingegen fehlt | |
> noch viel – und die Transaktionssteuer ist in Gefahr. | |
Bild: Steuern? Hier geht's lang. | |
Es ist zu schön, um wahr zu sein. Nach jahrelangen Kampagnen für | |
Finanztransaktionssteuer und die Schließung von Steueroasen kommt endlich | |
Bewegung in die Sache. Das Fass zum Überlaufen brachte der | |
Offshoreleaks-Skandal, der den Regierungen in Deutschland und | |
Großbritannien gewaltig in die Wahlkampfparade fuhr. Beide | |
konservativ-liberalen Koalitionen waren bisher nicht durch gerechte | |
Steuerpolitik aufgefallen. | |
Seit einigen Monaten sind die Regierungsverbünde OECD, G 8, G 20 und EU so | |
aktiv wie nie im Kampf gegen Steuerflucht und aggressive Steuervermeidung | |
von Großunternehmen. Beim genaueren Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es | |
bei der Schließung von Steueroasen für Privatpersonen deutlich besser | |
vorangeht als bei den dreisten Steuerschiebereien transnationaler | |
Unternehmen. | |
Der privaten illegalen Steuerflucht ist vergleichsweise einfach | |
beizukommen: Erträge von steuerlichen Ausländern müssen an die Finanzämter | |
der Heimatländer automatisch gemeldet werden. Wenn dann noch die | |
Identitäten der Eigentümer von Schattenfirmen, wirtschaftlich Begünstigten | |
von Stiftungen und Lebensversicherungen, Trusts und anderen | |
Verschleierungskonstruktionen grenzüberschreitend transparent werden, ist | |
der Spuk mit der Steuerflucht rasch beseitigt. | |
Alle Staaten können dann ihr Steuerrecht wieder souverän auf alle Einkünfte | |
ihrer BürgerInnen anwenden und so auch progressive Steuersätze auf hohe | |
Kapitaleinkommen erheben. | |
Es wäre jedoch naiv, dabei auf ein Einsehen der Steueroasen-Länder zu | |
vertrauen, die ihre Souveränität als Steuerhafen für Vermögende aus aller | |
Welt feilbieten. Seit den 1920er Jahren und den ersten Verhandlungen zum | |
Bankgeheimnis im Rahmen des Völkerbunds blockieren die Schweiz und ihre | |
fiskalischen Zauberlehrlinge jeden ernstlichen Fortschritt. | |
Das Zauberwort zur Durchsetzung der internationalen Kooperation lautet: | |
FATCA. Mithilfe des „Foreign Account Tax Compliance Act“-Abkommens haben | |
die USA den Hebel nicht bei den sturen Staaten, sondern bei den Banken | |
angesetzt. Wer mit den USA und seinen BürgerInnen als Finanzdienstleister | |
Geschäfte machen will, muss grenzüberschreitend Steuerdaten liefern oder | |
eine saftige Strafe zahlen. | |
Erst seit dieses Gesetz in Kraft ist, sind auch Luxemburg, die Schweiz, | |
Österreich & Co in internationalen Institutionen bereit, ihr Bankgeheimnis | |
nicht mehr durch Steuerausländer missbrauchen zu lassen. Die Verhandlungen | |
laufen auf allen Ebenen, und es sieht gut aus, dass der automatische | |
Informationsaustausch zum internationalen Standard wird. Dabei gilt es nun | |
wachsam zu bleiben, dass so wenige Schlupflöcher wie möglich bleiben und | |
der Datenschutz gewahrt wird. | |
Viel schwieriger ist die Lage bei den Maßnahmen gegen aggressive, aber | |
legale Steuervermeidung von transnationalen Konzernen. Hier genügt es | |
nicht, Informationen auszutauschen. Staaten müssen sich vielmehr auf Regeln | |
einigen, wer bei verflochtenen Unternehmen das Besteuerungsrecht auf | |
welches Einkommen hat. Das greift tief in die Souveränität von Staaten ein. | |
Wie arm sich Konzerne rechnen können, haben Amazon, Google, Starbucks & Co | |
hinlänglich bewiesen. Doch ganz einfache Antworten gibt es darauf nicht. | |
## Der Teufel steckt im Detail | |
Gerade in der EU müssen Mitgliedsländer bereit sein, die Regeln zur | |
Berechnung ihrer Steuerbasis anzugleichen. Das wird aber nicht genügen. | |
Auch Mindeststeuersätze auf Unternehmensgewinne sind notwendig, um dem | |
Steuertreiben Einhalt zu gebieten. Dabei können diese Mindeststeuersätze in | |
ärmeren Staaten niedriger sein als in reichen, da sie ja auch weniger | |
Bildung, Infrastruktur und Sicherheit für die Investoren bieten. | |
Doch davon sind wir noch weit entfernt, denn die Ideologie von der | |
segensreichen Wirkung des Steuerwettbewerbs ist noch tief verankert, auch | |
in unserer Bundesregierung. Dabei ist doch offensichtlich, dass offene | |
Grenzen auch gemeinsame Regeln für alle Wettbewerber brauchen. Ohne | |
Kampagnen der Zivilgesellschaft und Konfliktbereitschaft geschädigter | |
Staaten werden große Fortschritte kaum durchsetzbar sein. | |
Tragisch waren die letzten Wochen für die Finanztransaktionssteuer. Nachdem | |
elf Staaten sich in der EU zusammengetan haben, um die Steuer in einer | |
„verstärkten Zusammenarbeit“ in der EU einzuführen, steckt nun der Teufel | |
im Detail. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Finanzindustrie und von ihnen | |
bezahlte Spindoktoren und Studienschreiber nicht neues Störfeuerwerk | |
entzünden. | |
Viele Gegner der Steuer haben nun die Strategie gewechselt und verlangen | |
dreiste Ausnahmen – wohl wissend, dass wesentliche Ausnahmen wie auf | |
Derivate, Investmentfonds & Co der Tod der Steuer sind, weil sie dann | |
mithilfe von Finanzalchemie leicht umgehbar wird. Gut möglich, dass die | |
Finanzindustrie Erfolg haben wird und die Spekulationssteuer zu einer | |
Ministeuer auf wenige Finanzprodukte geschrumpft wird. | |
Daher dürfen die Freunde der Finanztransaktionssteuer dem Treiben der Lobby | |
nicht länger tatenlos zusehen. Die Unterstützer in Regierungen und | |
Parlamenten werden es allein nicht schaffen. Der Zivilgesellschaft will man | |
zurufen: Rettet die Finanztransaktionssteuer! Fahrt die Kampagnen wieder | |
hoch! | |
17 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven Giegold | |
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