# taz.de -- Klage über „Armutseinwanderung“: Friedrich will abschieben | |
> Der Bundesinnenminister heizt die Stimmung gegen Zuwanderer aus Rumänien | |
> und Bulgarien an. Auch einer gerechten Verteilung von Flüchtlingen steht | |
> er im Weg. | |
Bild: Die schwarze Gefahr: Hans-Peter Friedrich. | |
LUXEMBURG afp/dpa/taz | Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) | |
verlangt von Brüssel grünes Licht für ein härteres Vorgehen gegen | |
sogenannte Armutseinwanderer aus Ländern der Union. EU-Justizkommissarin | |
Viviane Reding dürfe nicht „länger um den heißen Brei herum reden“, ob | |
Wiedereinreiseverbote bei Missbrauch des Sozialsystems möglich seien, sagte | |
Friedrich am Dienstag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg. | |
Die EU-Kommission bezeichnete Klagen über steigende Armutseinwanderung aus | |
Bulgarien und Rumänien als vielfach „hoch übertrieben“. | |
Die EU-Kommission müsse die Probleme ernst nehmen, forderte Friedrich: „Es | |
kann nicht sein, dass Freizügigkeit so missbraucht wird, dass man ein Land | |
nur deswegen wechselt, weil man höhere Sozialhilfe haben möchte.“ Auslöser | |
der Debatte sind Klagen deutscher Gemeinden über zunehmende Fälle von | |
Einwanderern aus Rumänien sowie Bulgarien - meist Angehörige der | |
Roma-Minderheit - die nach Deutschland kämen, um Sozialleistungen zu | |
beantragen. | |
Friedrich forderte die EU-Kommission mehrfach auf, sich mit der Entwicklung | |
zu beschäftigen. Reding wollte dazu nun am Dienstag einen Bericht vorlegen. | |
EU-Sozialkommissar Laszlo Andor sagte kürzlich, dass die Mehrheit der | |
Rumänen und Bulgaren in Deutschland arbeite, Steuern zahle und „stark zum | |
Wachstum“ beitrage. | |
Es gebe viele Rumänen und Bulgaren, die nach Deutschland kämen und „fleißig | |
arbeiten“, sagte Friedrich. „Es gibt aber leider auch welche, die nur | |
deswegen kommen, weil sie Sozialleistungen haben wollen.“ Friedrich | |
forderte eine „klare Aussage“ der EU-Kommission, „ob wir diejenigen, die | |
nur zur Leistungserschleichung nach Deutschland kommen, zurückschicken und | |
ihnen eine Wiedereinreisesperre auferlegen können“. | |
## Widerspruch aus der EU | |
Als EU-Bürger genießen Rumänen und Bulgaren Freizügigkeit, eine | |
Wiedereinreise kann ihnen nur schwer verweigert werden. Die EU-Kommission | |
sehe Mobilität in der EU grundsätzlich als gut an „und viele dieser Sorgen | |
sind hoch übertrieben“, sagte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. | |
„Herr Friedrich glaubt offenbar, er könne das Recht auf Freizügigkeit | |
innerhalb der EU auf Wohlhabende beschränken“, kritisierte die scheidende | |
Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast. | |
Friedrich hat der EU-Kommission Statistiken vorgelegt, um die Klagen | |
deutscher Gemeinden zu belegen. Allerdings räumen EU-Diplomaten ein, dass | |
sich mit den vom Bundesinnenministerium übersandten Zahlen das Problem nur | |
schwer erfassen lasse. Demnach nahmen etwa die Anträge auf | |
Sozialleistungsbezug durch Arbeitssuchende von 2010 bis 2012 wegen der | |
guten Wirtschaftsentwicklung insgesamt um 8,5 Prozent ab. Die Anträge von | |
EU-Ausländern - also nicht nur durch Rumänen und Bulgaren - stieg in diesem | |
Zeitraum hingegen um vier Prozent an. | |
Etwas deutlicher sind die Angaben für manche Gemeinden: Von 2011 auf 2012 | |
stieg die Zahl dieser Anträge durch Rumänen und Bulgaren in Berlin um mehr | |
als 38 Prozent. Mannheim verzeichnete ein Plus von 59 Prozent, München von | |
60 Prozent und Offenbach von fast 70 Prozent. Allerdings erfasst diese | |
Statistik nicht, wie viele Anträge auf Betrug zurückgehen. | |
## Deutschland blockiert gerechte Flüchtlingsverteilung | |
Die harte Haltung Deutschlands in der Flüchtlingspolitik zeigt sich auch im | |
Streit um eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen, die nach dem | |
Schiffsunglück von Lampedusa mit über 230 Toten entstanden ist. Eine | |
geforderte Neuausrichtung der EU-Politik scheitert am Widerstand mehrerer | |
Staaten, darunter der Bundesrepublik. Beim Treffen der EU-Innenminister am | |
Dienstag in Luxemburg zeichnete sich keine Mehrheit für eine Änderung der | |
umstrittenen Regeln ab, wonach in Europa das Land, in dem ein Flüchtling | |
die EU erreicht, für das Asylverfahren und die Unterbringung verantwortlich | |
ist. So ist es in der sogenannten Regelung Dublin II vorgesehen. | |
Die Staaten seien dazu nicht bereit, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia | |
Malmström: „Ich glaube nicht, dass heute der Tag dafür ist.“ Auch | |
Hans-Peter Friedrich machte klar: „Dublin II bleibt unverändert, | |
selbstverständlich.“ | |
Deutschland gerät in der Debatte zunehmend unter Druck, weil viele - wie | |
etwa der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz - von Berlin | |
ein stärkeres Engagement verlangen, um die Mittelmeerländer zu entlasten. | |
Friedrich verteidigte in Luxemburg das deutsche Engagement: „Deutschland | |
ist das Land, das die meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt.“ Kritik wie | |
etwa des Parlamentspräsidenten beweise „mangelnde Sachkenntnis“. | |
EU-Kommissarin Malmström appellierte an die EU-Staaten, die Verantwortung | |
besser aufzuteilen. Derzeit entfalle fast die gesamte Last auf sechs oder | |
sieben der 28 Staaten. „Viele können mehr tun“, betonte Malmström. | |
8 Oct 2013 | |
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