# taz.de -- Fußball und Homophobie: Die Furcht vor dem Fan | |
> Funktionäre finden das Coming-out von Thomas Hitzlsperger toll. Doch was | |
> geschähe, wenn ein aktiver Profi sich als schwul outen würde? | |
Bild: Präsenz zeigen in der Arena: schwul-lesbischer Fanklub. | |
BERLIN taz | Gut, aber nicht nachahmenswert. So könnte man die Haltung von | |
Deutschlands oberstem Fußballfunktionär, Wolfgang Niersbach, zum Coming-out | |
des Exprofis Thomas Hitzlsperger zusammenfassen. „Allerhöchsten Respekt“ | |
bekundete er dem ehemaligen Nationalspieler. Aktiven Fußballprofis wollte | |
er aber nicht empfehlen, dem Beispiel Hitzlspergers zu folgen. Niersbach | |
gab zu bedenken: „Ein Outing zu fördern, hat der DFB nie gemacht. Man weiß | |
nie, wie das große Publikum in den Stadien vor allem bei Auswärtsspielen | |
reagiert.“ | |
Die Vorreiterrolle von Hitzlsperger will man also beim DFB nicht stärken. | |
In der Vergangenheit haben schon etliche deutsche Fußballfunktionäre | |
eindringlich von einem Outing wegen der unabschätzbaren Publikumsreaktionen | |
abgeraten. Das Misstrauen gegenüber dem eigenen Fanvolk erscheint | |
vielsagend. Die Frage ist nur: Über wen sagt es was aus? | |
Der Fanforscher Jonas Gabler von der Universität Hannover erklärt: „Beim | |
DFB herrscht das Selbstverständnis: Bei uns in der Familie, unter den | |
Spielern, Trainern und Funktionären ist Homophobie kein Problem, aber die | |
Fans sind noch nicht so zivilisiert. Diese Zweiteilung kann man aber nicht | |
machen.“ Er selbst würde zwar auch nicht die Hand dafür ins Feuer legen | |
wollen, dass etwa in der aufgeheizten Stimmung eines Derbys ein bekennender | |
homosexueller Fußballer nicht homophob beleidigt würde. Aber ein solches | |
Verhalten würde sicherlich auch Gegenreaktion provozieren. Das Fanvolk in | |
den Stadien sei viel pluralistischer aufgestellt. | |
Auch Philipp Markhardt, Sprecher von Profans, einem bundesweiten Bündnis | |
aktiver Fan- und Ultragruppen in Deutschland, und Anhänger des Hamburger SV | |
sagt: „Bei uns in der Kurve würde alles versucht werden, um homophobe | |
Sprüche zu unterbinden. Da fällt uns etwas Besseres ein, um gegnerische | |
Spieler zu verunsichern.“ | |
## Progressive Fans | |
Die Berliner Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling, die sich seit Jahren | |
mit Homosexualität und Homophobie im Spitzensport beschäftigt, ist gar | |
davon überzeugt, dass die große Mehrheit der Fans beim Coming-out eines | |
aktiven Fußballprofis positiv reagieren würde. Und sie gründet ihren | |
Optimismus ähnlich wie Markhardt auf die progressiven Fußballanhänger. „Es | |
gibt in den Vereinen viele Fangruppen, die auch im Stadion alles dafür tun | |
würden, um möglichen homophoben Äußerungen etwas entgegenzusetzen“, sagte | |
sie dem Südkurier. | |
In den deutschen Fußballstadien geht es durchaus recht bunt zu. In den | |
letzten 13 Jahren haben sich allerorten homosexuelle Fußballfans in | |
schwul-lesbischen Fanklubs organisiert. Sie nennen sich „Querpass St. | |
Pauli“, „Andersrum auf Schalke“ oder „Hertha-Junxx“ und zeigen mit Fa… | |
und Bannern durchaus ihre Präsenz in den Arenen. Das internationale | |
Netzwerk Queer Football Fanklubs (QFF) zählt um die 1.000 Mitglieder. Mehr | |
als 900 davon sind in Deutschland organisiert. | |
Eine latente Homophobie, räumt Markhardt aber ein, gebe es nach wie vor. In | |
mancher Fanszene tritt sie auch recht offen zutage. Als im vergangenen | |
Oktober Borussia Mönchengladbach in Berlin gastierte, reckten | |
Hertha-Anhänger ein Transparent mit der Aufschrift hoch: „Liebe mit Distanz | |
– BMG lutscht Unions Schwanz.“ | |
Die Schalker Fans wurden mit dem Spruchband empfangen: „Fuck you – Ultras | |
Gaysenkirchen“. In den Internetforen der Hertha-Fanszene äußerten jedoch | |
etliche ihren Unmut über diese Aktion. | |
## Vom Verein im Stich gelassen | |
„Wenn man beim DFB und in den Vereinen sagt, die Fans sind noch nicht so | |
weit, dann ist das ein Stück weit auch verlogen“, findet Gabler. Fans, die | |
sich gegen Rassismus und Homophobie engagierten, würden schnell in die | |
linksradikale Ecke gestellt werden. Diejenigen, die Missstände benennen, | |
würden als Nestbeschmutzer betrachtet. In Aachen und Braunschweig sahen | |
sich entsprechende Fangruppierungen von ihren Vereinen im Stich gelassen. | |
Im Kampf um die Oberherrschaft in der Kurve wurden sie von Rechtsextremen | |
bedroht, verprügelt und vertrieben. | |
„Mit der Fokussierung auf die Pyrotechnikdebatte“, sagt Jonas Gabler, „si… | |
Themen wie Rechtsextremismus, Homophobie und Sexismus nur stiefmütterlich | |
behandelt worden. Das hat dazu beigetragen, dass gewisse Gruppen sich | |
wieder breitgemacht haben.“ | |
Auch in den Stadien von Dortmund und Duisburg hatte sich zuletzt der | |
Einfluss der rechtsextremen Szene für manch einen schmerzhaft bemerkbar | |
gemacht. Dass mit dieser Entwicklung auch der Boden für eine homophobere | |
Stimmung bereitet wird, glaubt Fanvertreter Markhardt nicht. Er erklärt: | |
„Das ist ein omnipräsentes Problem und nicht auf eine bestimmte Gruppe zu | |
begrenzen.“ | |
10 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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